Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll14. Sitzung / Seite 202

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Genau das ist der Punkt. Bei uns gibt es Kollektivverträge, bei uns gibt es eine funktionierende Sozialpartnerschaft, und bei uns gibt es seit Jahrzehnten eine gute Tradition des autonomen Verhandelns. Das sieht man auch daran, dass die Arbeits­verhältnisse von rund 97 Prozent der österreichischen Beschäftigten über die Kollektiv­verträge abgedeckt sind, meine Damen und Herren, und ein gesetzlicher Mindestlohn würde dieses System sprengen. Ein starres System mit Erhöhungen zum Verbraucher­preisindex ist unflexibel und auch realitätsfern.

Außerdem: Wollen Sie wirklich, Kollegin Schatz, dass eine Regierung in die Autonomie der Kollektivvertragsverhandlungen eingreifen kann? – Ich will das sicherlich nicht. In Deutschland sehen wir aber, dass der gesetzliche Mindestlohn zumindest dazu geführt hat, dass plötzlich Kollektivverträge abgeschlossen worden sind. (Abg. Mag. Schatz: Und was ist mit der halben Million, die zu wenig verdienen?)

Der Druck der Politik führt in Deutschland zu Zielen, die wir längst erreicht haben. Wir brauchen das nicht, das ist gut so. Aber offen gesprochen, wir haben es in Österreich schon längst viel, viel besser durch die Kollektivvertragsautonomie, die wir haben. Daher kann dieser Antrag von unserer Fraktion sicherlich nicht unterstützt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schatz: Und was ist mit den 500 000 Menschen, die unter 1 300 € verdienen?)

19.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fichtinger. – Bitte.

 


19.07.30

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Galerie! Liebe Zuseher vor den Fernsehern! Der Antrag der Kollegin Schatz beschäftigt sich mit dem Mindestlohngesetz. Unter anderem besteht die Forderung, einen Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde einzuführen.

In Österreich sind die Lohn- und Gehaltsverhandlungen aber die Aufgabe der Sozial­partner. Das ist ein bewährter Weg, um den uns viele in Europa beneiden. Das Zusam­mentreffen der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber ist klug und funktioniert für beide Seiten sehr gut. So gab es zum Beispiel in den Jahren 2005 bis 2010 nicht einen Arbeitnehmer, der gestreikt hat. Lediglich im Jahr 2011 gab es 21,2 Minuten Streik pro beteiligtem Arbeitnehmer.

Wie der Kollege Keck schon erwähnt hat, sind zirka 90 Prozent der Kollektivverträge in Österreich bei 1 300 € angesiedelt. Natürlich besteht auch bei den restlichen 10 Pro­zent Handlungsbedarf. Dies muss aber über Kollektivvertragsverhandlungen, über unsere Sozialpartner geschehen. (Abg. Mag. Schatz: Wollen Sie von 1 100 € leben? Wollen Sie das?)

Grundsätzlich ist es das Wichtigste, dass die Österreicherinnen und Österreicher Arbeit haben und nicht um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen, denn unverantwortliche und unüberlegte Einmischung in diese Thematik ist kontraproduktiv, da bei zu hohen Löhnen die Abwanderung (Abg. Mag. Schatz: Offenbar ist die Einmischung sehr notwendig!) – lassen Sie mich zuerst fertig argumentieren! – von Betrieben ins Ausland droht. (Abg. Mag. Schatz: Ja, bei den schlecht bezahlten Dienstleistungsbetrieben!) Gerade in grenznahen Bereichen, wie zum Beispiel im Waldviertel, ist die Abwan­derung in nahe Gebiete nach Tschechien ein großes Thema.

Ich weiß, wovon ich spreche. Ich bin selbst Bürgermeisterin einer Gemeinde im Waldviertel und erlebe das leider auch immer wieder. Ich weiß auch, was es bedeutet, wenn die Menschen dann keine Arbeitsplätze finden. Daher müssen diese Betriebe unbedingt von den Abwanderungsgedanken abgebracht werden, damit auch im länd-


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