Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll25. Sitzung / Seite 223

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Ich bin 1990, also vor 23 Jahren – beziehungsweise vor inzwischen 24 Jahren –, aus Brasilien nach Österreich gekommen. Hier habe ich gleich am Anfang einen Deutsch­kurs besucht. Dann folgten Prüfungen in Deutsch und Literatur, Geschichte und Geo­grafie, um die österreichische Matura zu erlangen.

Am Konservatorium der Stadt Wien habe ich Operngesang studiert, und für mehrere Jahre hatte ich ein fixes Engagement am Wiener Burgtheater, das heißt, ich hatte dort ein richtiges Anstellungsverhältnis. Irgendwann einmal wurde mein Vertrag, wie der an­derer auch, nicht mehr verlängert, und ich wurde arbeitslos.

Als Künstler ist es heute fast unmöglich geworden, ein Anstellungsverhältnis zu be­kommen, und da ich nichts anderes studiert habe und inzwischen etwas älter gewor­den bin, bekomme ich nur Jobs, die nicht das zahlen, was die Regierung unter gesi­chertem Lebensunterhalt versteht.

Trotz all der 24 Jahre Aufenthaltszeit in Österreich, mit der Matura und dem Studien­abschluss, und all der Jahre, in denen ich als Angestellter gearbeitet habe, darf ich nicht Österreicher werden, weil ich kein für die Regierung gesichertes Einkommen ge­habt habe.

Eine Mitarbeiterin der MA 35 sagte mir ins Gesicht, ich sei – Zitat – beruflich nicht in­tegriert. Dass ich mehr als drei Jahre gearbeitet habe, hat sie nicht interessiert, denn beruflich integriert ist skurrilerweise nur der, der in den letzten drei Jahren gearbeitet hat. – Zitatende.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kollegen und Kolleginnen von den Regierungs­fraktionen werden jetzt sagen: Nein, das Gesetz haben wir ohnehin geändert, das ha­ben wir ohnehin repariert! – Tatsache ist, dass AlleinerzieherInnen – meistens mit klei­nem „i“ –, Familien mit einem geringen Einkommen, auch wenn sie seit Jahren und Jahrzehnten hier leben, und last but not least 70 Prozent der österreichischen Arbei­terinnen – mit kleinem „i“ – an diesen Einkommensgrenzen scheitern, die noch immer in unserem Staatsbürgerschaftsgesetz stehen.

70 Prozent der österreichischen Arbeiterinnen würden die österreichische Staatsbür­gerschaft heute nicht bekommen, wären sie nicht gebürtige Österreicherinnen, weil sie nach diesem Gesetz schlicht und ergreifend zu wenig verdienen, und das haben Sie noch immer nicht geändert, sehr geehrten Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, die Sie ständig von Integration sprechen. Und hier liegt ganz konkret der Fall von jeman­dem vor, der für die Integration, die Sie meinen, sehr viel gemacht hat, der aber nach Jahrzehnten noch immer nicht gleichberechtigter Bürger des Landes sein darf, in dem er nun seit 24 Jahren lebt.

Es liegt in unserer Hand, das zu ändern. Tun wir das gemeinsam! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Weninger zu Wort. – Bitte.

 


20.36.15

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Der von Kolle­gin Korun geschilderte Fall ist ein Paradebeispiel dafür, dass Grenzwerte, Richtlinien menschliche Härtefälle verursachen können. Ich habe deshalb Sympathie, in diesem Bereich notwendige Änderungen herbeizuführen. Tatsache ist jedoch, dass zwei Ta­gesordnungspunkte später ein konträrer Antrag der FPÖ zur Beratung vorliegt und es deshalb notwendig ist, die Frage der Grundlagen zur Erreichung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu denen auch ein gesicherter Lebensunterhalt zählen muss, in­tensiv zu diskutieren.

 


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