Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 175

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fungskriterien zur Anwendung kommen, dass die Person zum Beispiel einem Richter vorgeführt werden muss. Genau das wird in Österreich nur sehr flapsig eingehalten.

Sie sehen, wir haben da ein ganz massives menschenrechtliches Problem, und das schon seit Jahren. Ja, Sie haben vollkommen recht, der Antrag ist, wie gesagt, nicht der beste, den wir hier jemals diskutiert haben, aber er schafft Bewusstsein. Und der Herr Justizminister hat ja ein Bekenntnis abgegeben, dass er etwas ändern will – jetzt muss man es halt auch einmal tun. Es ist mir schon klar, dass das auch etwas mit bud­getären Mitteln zu tun hat, aber es ist ein massives menschenrechtliches Problem, dass wir in Österreich in diesem Bereich nicht schon längst etwas getan haben, um diesen Menschen, diesen kranken Menschen – denn das sind sie ja in der Regel – auch wirklich die Hilfe zu geben, die sie benötigen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abge­ordneten der Grünen.)

17.51


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


17.52.02

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Themen Strafvollzug und Strafvollzugsreform sind zu wichtig und auch zu ernst, um sie zum Gegenstand bil­liger politischer Polemik zu machen. Ich möchte mich daher nur auf einige grundsätz­liche Bemerkungen beschränken.

Ich kann nur bestätigen, was auch Herr Kollege Steinhauser schon gesagt hat: Es be­stehen massive Mängel, auch unter dem Aspekt der Menschenrechtssituation. Wir wis­sen alle, dass wir da auch unter internationaler Kontrolle stehen – so wie jeder andere Staat auch, der sich der EMRK verpflichtet fühlt. Wir wissen aber auch, dass der öster­reichische Strafvollzug in früheren Zeiten europaweit an der Spitze lag. Jetzt ist das nicht mehr so, einfach deshalb, weil man sich mit diesem Themenbereich zu lange Zeit zu wenig beschäftigt hat. Man hat das verdrängt, das war ein unangenehmes Thema, man konnte damit nicht wirklich Stimmen gewinnen, es war nicht populär. Insofern bin ich dankbar für den Antrag, weil damit das Thema Strafvollzugsreform wieder stärker in das allgemeine Bewusstsein gerückt wird, und das brauchen wir.

Ich habe ja von Anfang an gesagt, dass die notwendigen Reformen die Möglichkeiten meines Ressorts übersteigen. Wir müssen wirklich tiefgreifende Änderungen vorneh­men. Wir haben in einigen Bereichen, das sei nicht verschwiegen, schon auch einiges erreicht, gerade im Bereich der Untersuchungshaft bei Jugendlichen. Die Sozialnetz­konferenzen funktionieren, die Wohngruppen in Wien funktionieren, und es ist auch völlig falsch, dass dieses Jugendhaftkompetenzzentrum in Gerasdorf nur als eine Ein­richtung für Untersuchungshäftlinge gedacht war – überhaupt nicht! Worum geht es denn dort? – Wenn man gesehen hat, wie veraltet dort die Arbeitsmöglichkeiten und Werkstätten sind, dann ist jedem klar, dass da etwas geschehen muss, denn das Wichtigste im Strafvollzug ist es, eine sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit anzubieten, damit auch die Wiedereingliederung in die Gesellschaft größtmögliche Chancen hat. Und daran arbeiten wir, das ist der Hauptzweck der Ausbauten, die wir in Gerasdorf vorhaben.

Aber lassen Sie mich zum eigentlichen Problem zurückkommen, denn das ist ja auch der Grund, weshalb ich Ihre Unterstützung brauche und auch für den Antrag dankbar bin: Wir leben in Zeiten, in denen es Staaten in Europa gibt, die offenbar reich genug sind, um ihre Häftlinge in andere Länder exportieren zu können. Ich sage Ihnen ganz offen, das ist eine Entwicklung, die mich eher bedrückt.

 


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