Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung / Seite 45

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Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Durchschlag zu Wort. – Bitte.

 


16.21.52

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht können sich manche von Ihnen, die in den 1970er-Jahren bereits bewusst Nachrichtensendungen geschaut haben, wie ich beispiels­weise, noch an die Bilder von Menschen erinnern, die in viel zu kleinen und überfüllten Booten über das offene Meer zu flüchten versucht haben. Bilder von gekenterten Booten, Bilder von verzweifelten Menschen, die ohne Hab und Gut in einem fremden Land gestrandet sind – und dennoch froh und dankbar waren, dem Grauen entkom­men zu sein.

Circa 1,6 Millionen Vietnamesen haben damals versucht, dem kommunistischen Terror über das Meer zu entfliehen und sind so als Boatpeople in die Geschichte einge­gangen. Geschätzte 250 000 Menschen sind dabei ertrunken.

Vielleicht erinnern sich auch manche von Ihnen noch an den Namen Cap Anamur, ein Rettungs- und Hospitalschiff, das über eine Privatinitiative gestartet wurde und Tausen­den Menschen das Leben gerettet hat.

Offensichtlich wiederholt sich die Geschichte. Wieder bekommen wir schreckliche Bilder ins Haus geliefert, Bilder von Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen ihr Heimatland verlassen und von verbrecherischen Schleppern auf eine gefährliche Reise geschickt werden.

Ich denke, wir sind uns alle einig bei dem Wunsch, diesem Sterben so schnell wie möglich ein Ende zu setzen. Weniger einig sind wir uns allerdings – und das sieht man auch an der Debatte hier – beim Wie, was der richtige und sinnvollste Weg ist und wie wir möglichst rasch entscheiden können.

Die Entscheidungen, die zu treffen sind, sind einerseits: Wie rettet man die Leben derer, die sich bereits auf den Weg gemacht haben? Wie verteilt man diese Menschen dann gerecht in Europa? Und andererseits: Wie bringt man diejenigen, die Aussicht auf Asyl haben, sicher nach Europa? Wie bringt man diejenigen, die keine ausreichenden Asylgründe haben, dazu, die gefährliche Reise erst gar nicht anzutreten?

Mit der Initiative „Save Lives“, die Innenministerin Hanni Mikl-Leitner im Vorjahr, also in dem Jahr, in dem die EU-28 die meisten jemals gestellten Asylanträge zu bewältigen hatte, gestartet hat und die jetzt unter Punkt 7 in den Zehn-Punkte-Plan aufgenommen wurde, werden diese Punkte unter anderem auch angegangen.

Die schnelle Reaktion des EU-Rates, die Mittel für „Poseidon“ und „Triton“ zu verdrei­fachen, ist ein erster Schritt, um mehr Menschenleben zu retten.

Man kann natürlich darüber unterschiedlicher Meinung sein, ob Frontex die richtige Organisation dafür ist oder ob vielleicht ein besser organisiertes, sagen wir „Cap Anamur II“ besser wäre: Wesentlich ist meiner Meinung nach, dass das Bekenntnis, Leben zu retten, absoluten Vorrang hat – mit welchen Mitteln auch immer, und das wird hier jetzt auch versucht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine Frage von zentraler Bedeutung ist – das ist bereits angesprochen worden – die Frage der Verteilung. Da hat „Dublin“ nach Meinung vieler Expertinnen und Experten sicher seine Mängel. Steffen Angenendt vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit hat so ein Mehrfaktorenmodell ausgearbeitet; das würde einen gerechteren Verteilungsschlüssel sicherstellen. Nach diesem Modell hätte Österreich beispielsweise die Flüchtlingsaufnahmen bereits um 123 Prozent übererfüllt.

 


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