Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll83. Sitzung / Seite 214

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man das beim Strafrecht auch nur moderat anheben und nicht gleich die Wertgrenzen explodieren lassen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Viele Universitätsprofessoren haben in einer Enquete, die vor zwei Wochen stattgefunden hat, Unschärfen und Missstände in die­sem Gesetz aufgezeigt. Der einzig richtige Weg für uns ist daher: Diese Reform nicht auf Biegen und Brechen durchdrücken, sondern überarbeiten, Kritiken einarbeiten und im Herbst hier einstimmig beschließen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.40


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Mag. Becher. – Bitte.

 


15.40.51

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der gegenständliche Entwurf ist eine vergleichsweise weitreichende Reform dieses 200 Jahre alten Gesetzestextes. Konkret geschieht das durch eine Modernisierung der Sprache, die, glaube ich, sehr notwendig und wichtig ist, und eine Verbesserung der Übersichtlichkeit der Rechtsordnung, da die Bestim­mungen großteils aus 1811 stammen; so ist auch der gesellschaftlichen Entwicklung in erbrechtlichen Fragen Rechnung getragen, die kontinuierliche Rechtsentwicklung wurde besonders beachtet und die aktuelle Rechtsprechung in diesen Entwurf einge­arbeitet.

Das Ziel der Testierfreiheit ist stark verankert. Verschiedene Maßnahmen sollen die Freiheit des letztwillig Verfügenden, über seine Verlassenschaft zu bestimmen, stär­ken. Die Anordnung der Pflichtteilsstundung und Pflichtteilsminderung sowie die Enter­bungs- und Erbunwürdigkeitsgründe werden ermöglicht beziehungsweise moderat ausgedehnt.

Das sind sehr, sehr wünschenswerte Reformen, die der Lebensrealität der Menschen Rechnung tragen. Berücksichtigt werden dabei die gestiegene Lebenserwartung der Menschen, die Verringerung der Bedeutung des Erbes als materielle Absicherung, und auch der gesellschaftliche Wertewandel wird nachvollzogen, indem etwa Homosexu­alität nicht mehr als Enterbungsgrund herangezogen werden kann, das entfällt also.

Ein völlig neuer Aspekt ist die Berücksichtigung der Pflegeleistung bei der Aufteilung des Erbes. Diesen Aspekt halte ich persönlich für nicht ganz unproblematisch. In Österreich werden zirka 320 000 Personen zu Hause von zumindest einem Ange­hörigen gepflegt, rund drei Viertel – das kann man im Pflegebericht nachlesen – der pflegenden Angehörigen sind weiblich, und mit dem neuen Erbrecht, so denke ich, wird diese Rollenverteilung durch die Berücksichtigung der Pflege noch mehr verstärkt.

Die Berücksichtigung der geleisteten Pflege im Verlassenschaftsverfahren – das ist auch in den Erläuterungen zu lesen – soll neben einer monetären Anerkennung natür­lich auch als Ausdruck der Hochschätzung für eine sehr aufopfernde und umfang­reiche Pflege der Angehörigen verstanden werden. Tatsächlich erachte ich aber diese Vermengung zwischen Erbschaftsangelegenheiten und Pflegschaftsangelegenheiten für nicht unproblematisch, denn es ist mit dem heurigen Jahr ein neues Pflegepaket in Kraft getreten, das sehr genau auch die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für pflegebedürftige Menschen aufzeigt. Die erbrechtlichen Aspekte schaffen eine neue zivilrechtliche Sphäre, die noch auf keiner ständigen Judikatur fußt.

Die getroffenen Einschränkungen für Erbberechtigte – in den letzten drei Jahren, nahe Angehörige – scheinen sehr zweckmäßig, aber die Auffassung der betroffenen Ver­wandtschaft muss sich nicht immer decken, und ich befürchte, dass es da zum Teil


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