Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll85. Sitzung / Seite 156

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der Fall, können diverse Instrumentarien zum Einsatz kommen – vom amikalen Gespräch bis hin zur Vertragskündigung.

TestpatientInnen sind nicht ausdrücklich erlaubt, aber auch nicht verboten. Der VwGH hat sich zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes solcher Testpersonen zumindest soweit kritisch geäußert, als diese TestpatientInnen nicht zum Missbrauch verleiten oder provozieren dürfen. Im Zusammenhang mit einer Apotheke wurde eine Testkäuferin vom VwGH als zulässig qualifiziert, „wenn der Täter die strafbare Handlung auch ohne Intervention des verdeckten Ermittlers begangen hätte“. – Nachträglich stellt sich u. U. also auch die Beweisfrage. Es steht dann Aussage gegen Aussage. Wie sollen ÄrztInnen im Fall einer ScheinpatientIn nachträglich beweisen, dass sie zur miss­bräuchlichen Krankschreibung verleitet wurden? Sollen ÄrztInnen ihren PatientInnen künftig mit dem Tonbandgerät in der Hand begegnen, um für den Bespitzelungs-Fall gewappnet zu sein? 

Unklar ist auch, wer entscheidet auf welcher Grundlage, wann ein „begründeter Ver­dacht“ besteht und wie es zu diesem begründeten Verdacht kommen kann. Ein breites Spektrum an berechtigten und unberechtigten Verdächtigungen ist denkbar: Anonyme Anzeige durch den unzufriedenen Patienten, den feindlich gesinnten Nachbarn, den Konkurrenten, die Sozialversicherungsträger selbst etc. Ebenso unklar ist, wer den Stichprobenplan für die Kontrollbesuche bei bis dahin unbescholtenen ÄrztInnen nach welchen Prinzipien erstellen soll.

Wenn die Testbesuche den Verdacht aus der Sicht der Sozialversicherung bestätigen oder ein Fehlverhalten erbringen, kann ein Vertragsentzugsverfahren eingeleitet werden. Schon ein einmaliges Fehlverhalten kann zur Kündigung des Kassenvertrages führen. Für die VertragspartnerIn der Kassen geht es also um nicht weniger als um ihre berufliche Existenz, gerade deshalb wäre ein geordnetes Verfahren mit klaren Spielregeln auf beiden Seiten zu gewährleisten. Beispielsweise sollte dem Verdäch­tigen das Recht zugestanden werden, zum Vorwurf Stellung zu beziehen und persön­liche Schutzinteressen wahrnehmen zu dürfen – jedenfalls bevor es zu Kontroll­besuchen kommen kann. Ein Willkür-System wie es dieser Gesetzesentwurf vorsieht, nimmt totalitäre Züge an und steht zudem modernen Formen der Konfliktregelung wie Mediation und Schlichtung vor Einleitung eines Vertragsentzugs- oder Strafverfahrens diametral entgegen. Um den sozialen Missbrauch im sensiblen Bereich der Arzt-PatientIn-Beziehung zu begegnen, sollte es zum Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen ÄrztInnen und ihren PatientInnen nicht nur selbstverständlich sein, dass jeweils das gelindere Mittel anzuwenden ist. Es ist auch ein Gebot der Fairness, ein geordnetes und transparentes Verfahren zur Verdachtsabklärung vorzusehen, bei dem die Verdächtigen in geeigneter Form vom Vorwurf informiert werden und dazu Stellung beziehen können.

Der Einsatz von „Mystery Shopper“ und Generalverdächtigungen sind jedenfalls schäd­liche, untaugliche und unausgereifte Mittel, um einen Missbrauchsverdacht aufzuklä­ren. Die diesbezüglichen Regelungen des vorliegenden Gesetzesentwurfes sind daher zu streichen.

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Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Bacher. – Bitte.

 


15.43.52

Abgeordneter Walter Bacher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Sozialleistungen sind wichtig, und Gott sei Dank haben wir in Österreich ein sehr gutes Sozialnetz. Damit Sozialleistungen in Anspruch genom­men


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