Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 35

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Verfassungsprozess in Europa, womit wir die Institutionenlandschaft und auch die Zusammenarbeit sowie die Prozesse neu ordnen, mit welchen wir zu gemeinsamen Lösungen kommen.

Wenn wir das nicht machen, dann ist das nur die Ouvertüre – und dann geht es mit diesem Kontinent wirklich munter bergab. Das ist meine Adresse an die Regierungs-chefs. Es ist nicht eine Schwäche der Europäischen Union, sondern eine Schwäche und ein Versäumnis der Regierungschefs der Euro-Gruppe und der Europäischen Union (Beifall bei den NEOS), der nationalen Regierungen, die da in den letzten Jahren versagt haben.

Insofern sehe ich Ihren Einsatz, aber inhaltlich bin ich hier nicht zu denselben Schlüs­sen gekommen wie Sie. Europa wird hier einen ganz anderen und viel entschlosse­neren Auftrag von den Völkern brauchen; deswegen brauchen wir einen Konvent, der auch die Bevölkerungen mit auf den Weg nimmt, und dann sollten wir auf Basis eines neuen Verfassungsvorschlages tatsächlich in Abstimmungsprozesse in allen National­staaten gehen, in deren Rahmen sich alle europäischen Völker der 28 EU-Staaten noch einmal mit einem Bekenntnis zur Europäischen Union stellen. Lieber marschiere ich mit 25, die ein erneuertes Commitment, ein umfassendes Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa haben, als mit 28, von denen die Hälfte knieweich unterwegs ist. Das wird für die Zukunft nicht reichen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Weninger: Wer sollen die drei sein?!)

10.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster hat sich Herr Bundeskanzler Faymann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


10.23.15

Bundeskanzler Werner Faymann: Werte Frau Präsidentin! Sehr verehrter Herr Vizekanzler! Mitglieder der Regierung! Sehr verehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Natürlich hat die Eurozone eine Währung geschaffen und nicht ausreichend Instrumente vorgesehen. Es lässt sich im Nachhinein immer etwas sagen; aber es muss gesagt werden, dass die Eurozone zwar stark genug war, dass es für die meisten Länder bei Staatsanleihen, bei der Staatsverschuldung und der Schulden­tragfähigkeit ein Vorteil war, in dieser Währung zu sein, dass aber durch die Wirt­schaftskrise eine Spekulation begonnen hat, die davor einiges nicht sichtbar gemacht hat – nämlich sowohl den Einfluss und die Macht der Finanzmärkte, aber auch die Wett­be­werbsfähigkeit, die hinter der Währung steht. Die konnte sich natürlich durch diese gemeinsame Eurozone etwas im Verborgenen halten.

Seit 2008 wissen wir, dass die Finanzmärkte teils sehr bewusst, absichtlich und spekulativ, andererseits aber auch basierend auf gewissen Unterschieden, die es zwischen den Ländern gibt, ihre Politik verändert haben. Es gibt Länder, die seit 2008 bei den Anleihen, die sie begeben, profitiert haben. Dazu gehört Österreich. Österreich gehört zu jenen Ländern, über die wir seit zwei Wochen sagen können, dass wir da mit einer zehnjährigen Staatsanleihe mit 1,14 Prozent und einer fünfjährigen Staatsanleihe mit 0,11 Prozent Verzinsung die Tiefstände der letzten Jahre halten. Es gibt ganz wenige Anleihen, die ein ähnliches Zinsverhältnis gebracht haben.

Es ist aber nicht nur so, weil wir gerade an sich niedrige Zinsen haben – das stimmt –, sondern weil auch die Kluft beim Vertrauen der Finanzmärkte aufgegangen ist (Abg. Stefan: Fehlkonstruktion!) zwischen Ländern, die sie – unter Anführungszeichen – „bestrafen“, weil sie gar kein Geld mehr auf dem Markt bekommen, und Ländern, die höhere Zinsen zahlen, und schließlich Ländern wie Österreich, Deutschland, Nieder­lande, die sogar davon profitieren, weil daher noch weniger Zinsen zu bezahlen sind.

 


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