Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung / Seite 89

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


13.10.50

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Damen und Herren auf der Ministerbank! Geschätzte Gäste auf der Besucher­galerie! Vor allem möchte ich die jungen Gäste auf der Besuchergalerie begrüßen, die heute unserer Debatte zuhören.

Ich möchte … (Ruf bei der ÖVP: Lauter!) – Bin ich nicht laut genug? Entschuldigung, meine Stimme ist in keinem guten Zustand; ich bin gesundheitlich etwas ange­schla­gen.

Ich möchte mit etwas beginnen, das mir am Herzen liegt, denn ich beobachte unsere Debatte seit neun Uhr in der Früh, und ich fürchte, dass wir als österreichischer Natio­nalrat insgesamt kein sehr gutes Bild für alle Menschen abgeben, die uns zuhören und zuschauen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Jetzt kommen schon die ersten Zwischen­rufe (Abg. Schönegger: Das ist im Parlament so!), das ist leider so, aber ich möchte alle bitten, zu versuchen, wertschätzend miteinander umzugehen.

Wir haben unterschiedliche Meinungen. Wir finden, dass unterschiedliche Vorschläge zu einer guten Lösung führen, aber ich fürchte, die Art, wie wir miteinander umgehen, ist vor allem für die jungen Menschen, die zum Beispiel zur Stunde auf der Besucher­galerie sitzen und uns zuschauen, kein sehr gutes Vorbild. Deshalb möchte ich alle, wirklich alle, mich selber auch angesprochen fühlend, bitten, diese Wertschätzung allen entgegenzubringen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Scherak.)

Ich schaue noch einmal kurz auf die Regierungsbank, ob ich jemanden übersehe; das scheint nicht der Fall zu sein. Auf unserer Tagesordnung steht nämlich „EU-Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers“, und ich finde es schon irritierend, bei aller Wertschätzung, dass weder der Herr Kanzler noch der Herr Vizekanzler da sind; und das seit einigen Minuten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.) Ich finde, es ist nicht sehr wertschätzend, mit dem Parlament so umzugehen, eine Erklärung abzugeben und dann einfach nicht mehr da zu sein, auch wenn einem die Debatte teilweise oder oft nicht gelingt.

Worüber sprechen wir hier? – Wir sprechen über einen EU-Ratsgipfel, in dessen Rahmen die Regierungschefs und Regierungschefinnen der EU-Mitgliedstaaten mor­gen und übermorgen zusammenkommen werden, um bei der Flüchtlingsfrage, bei der Menschenrechtsfrage gemeinsame Lösungen zu finden. Da ist es leider sehr irritie­rend, dass etwas passiert, das eigentlich den demokratischen Werten, die wir alle hochhalten und die gerade in Zeiten wie diesen sehr bemüht werden, zuwiderläuft.

Es ist ja vorgesehen, dass wir uns vor jedem EU-Ratsgipfel im Parlament treffen, um als Abgeordnete des österreichischen Nationalrates eine gemeinsame Linie zu finden, um die Bundesregierung gegebenenfalls mit einem politischen Auftrag auszustatten, damit sie diese oder jene Linie vertritt. Das war nicht möglich, weil im EU-Unteraus­schuss, der gestern Abend stattgefunden hat, keine Dokumente vorhanden waren, die eigentlich vorbereitete Schlussfolgerungen sind. Wie sollen wir – noch einmal erin­nernd an die demokratischen Werte, die wir alle miteinander teilen – gemeinsame Ent­scheidungen fällen, wenn die Dokumente gar nicht da sind?

Das ist leider Teil des Problems, das morgen und übermorgen bei diesem EU-Gipfel behandelt wird, dieser Deal, den die EU mit der türkischen Regierung zu finden ver­sucht, nämlich Geld und Visaliberalisierung gegen Zurückhaltung von Flüchtlingen und Schutzsuchenden, gegen Verhinderung von Asylantragstellung in der EU.

 


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