Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 70

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Ernennt man nun den Verfassungsgerichtshof zum Rechtsgutachter im parlamentari­schen Prozess, stellt sich auch die Frage, welche Konsequenz eine vorab durch ihn erfolgte allgemeine Rechtsbegutachtung für später anhängige Verfahren zur Prüfung von Staatsverträgen auf ihre Rechtmäßigkeit hat.

Stellen Sie sich vor, einem Staatsvertrag wird vom Verfassungsgerichtshof vorab ein so­genannter Persilschein ausgestellt. Kann dieser Staatsvertrag in der Folge noch einer nachprüfenden Rechtmäßigkeitskontrolle unterzogen werden? Wenn ja, welche Chan­ce hat man in einem solchen Verfahren? Das heißt: Ist es wirklich realistisch, dass der Verfassungsgerichtshof von seiner vorab getroffenen Entscheidung noch abweicht?

Sie sehen also, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es stellen sich viele Fragen, viele Fragen sind offen. Daher ist es zu begrüßen, dass ein Gutachten zu diesem The­ma eingeholt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.29


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Steinacker. – Bitte.

 


12.30.15

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Nicht dem Menschen untertan, sondern dem Recht – unter diesem Leitmotiv hat Hans Kelsen die österreichische Bundesverfassung 1920 erarbeitet. Der Verfassungsgerichtshof ist der Hüter unserer Verfassung und seine wichtigste Aufgabe ist die Prüfung von Gesetzen, Verordnungen und natürlich auch jetzt schon von Staatsverträgen auf ihre Verfas­sungsmäßigkeit. Er kann dann natürlich auch entsprechende Feststellungen machen sowie Gesetze und Verordnungen im Falle von Rechtswidrigkeit aufheben.

Der große Unterschied ist aber – einige haben ja schon darauf hingewiesen –, dass er die Rechtmäßigkeit nicht in Bezug auf die gesamte Verfassung prüft, sondern es müs­sen substanziierte Vorbringen sein. Ich glaube, das ist auch richtig und das ist auch Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes.

Wie Beatrix Karl soeben gesagt hat, ist die nachprüfende Gesetzeskontrolle selbstver­ständlich das im System momentan für uns in der gesamten Betrachtung von Verfas­sung und Gesetzgebung sehr genau ziselierte Instrumentarium.

Beim Antrag der FPÖ – und Harald Stefan hat es ja selbst gesagt – gibt es natürlich einiges, was man diskutieren muss, würde man ihm grundsätzlich und so wie er vor­liegt nahetreten. Die 20 Abgeordneten, das sind 11 Prozent der Mitglieder des Natio­nalrates, wären viel zu wenig, um wirklich eine Prüfung der Staatsverträge zu rechtferti­gen. Denn das würde ja bedeuten, dass die Umsetzung für Monate, wenn nicht für Jahre, verhindert werden würde.

Also die Handlungsfähigkeit der Republik im Hinblick auf Staatsverträge, die ja schon vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes und von den Verfassungsexperten des Völkerrechtsbüros entsprechend grundlegend und sauber geprüft worden sind, in Misskredit zu bringen und in Frage zu stellen, finde ich grundsätzlich falsch. Noch dazu ist kein einziger Staatsvertrag vom Verfassungsgerichtshof bei der nachprüfenden Nor­menkontrolle für verfassungswidrig erklärt worden.

Daher glaube ich – unser Entschließungsantrag ist ja auch ein wohl überlegter –: Wenn es um die Kompetenzverschiebung geht, dann muss man genau hinschauen, was da genau geändert werden soll. Man kann den Argumenten von Josef Cap und auch de­nen von der FPÖ natürlich schon zuhören und man kann darüber diskutieren, aber mir erscheint da ganz einfach eine Beleuchtung auf wissenschaftlicher Ebene notwendig,


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