Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 78

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

was die Überhand gewonnen hat und daher immer auf das Kollektiv, auf den Staat als Verantwortungsträger abgestellt wird.

Ich glaube, wir müssen wieder zurück, hin zur Einzelperson, zum Individuum. Das Indi­viduum muss im Zentrum jeder Politik stehen und nicht der Staat als Kollektiv, der a priori die Verantwortung übernehmen muss und soll. Denn was leben wir hier? – Wir leben hier eine Opfermentalität. Der Einzelne wird als primäres Opfer seines Lebens, des Staates, der Gesellschaft gesehen. Im Gegenzug muss ihm der Staat daher alles bieten, denn er ist ja ein armes Opfer.

Das ist ein unsinniger und in Wirklichkeit menschenverachtender Zugang, der hier ge­wählt wird. Wir müssen wieder zurück zum Individuum. Der Einzelne hat eine Verant­wortung, der Einzelne ist der einzelne Mensch und als solcher als Person und über seine Personalität im Leben stehend.

Wenn der Staat dann daherkommt und sich als großer Retter des Einzelnen gebärdet, der nur im Kollektiv überleben kann, dann ist das die falsche Zugangsweise. Es ist ein ständiges „More of the same“ und ein immer weiter Abgleiten in ausufernde sozial­staatliche Auswüchse, die wir alle zuletzt bezahlen müssen und die mit ein Grund dafür sind, warum so viele Leute jetzt zu uns kommen wollen.

Das heißt, wir müssen auch grundsätzlich über die Definition der Armut nachdenken. Wir haben jetzt diese Armutsdefinition, die besagt: Wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens verdient, ist arm. Darin steckt überhaupt nicht, was Armut sonst noch bedeuten könnte, denn auch ein sehr reicher Mensch kann arm sein, wenn er unglücklich ist, wenn er nicht gesund ist, et cetera. Das nur über das Materielle, nur über das Geld, nur über die Mindestsicherung und nur über die Zuwendung per Geld zu definieren, ist aus meiner Sicht völliger Unsinn, weil darin letztendlich eine Men­schenverachtung steckt. Darüber sollten wir bitte nachdenken und einmal wirklich ins Fundament hineingehen: Was bedeutet uns der Mensch in der Politik? (Präsident Ho­fer übernimmt den Vorsitz.)

Daher denke ich, dass es die Aufgabe der Politik sein muss, die Leistung als Wert in den Vordergrund zu stellen und die Verantwortung des Einzelnen als Ziel wieder als et­was wirklich Erstrebenswertes und Wichtiges darzustellen und erst danach nachzu­denken, was der Staat für den Einzelnen und fürs Kollektiv tun kann. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.

 


12.59.25

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Kollege Franz, ich glaube, Sie haben das Prinzip der Mindestsicherung nicht verstanden, denn da geht es immer um die Verantwortung des Einzelnen, des Betroffenen. Da geht es nicht um die Ar­beits- und Leistungsbereitschaft, und ohne Arbeitsbereitschaft, sofern jemand arbeits­fähig ist, gibt es genau null Euro Mindestsicherung.

Das ist ja kein Faulbett (Zwischenrufe der Abgeordneten Rädler und Belakowitsch-Jenewein) – da können Sie noch so viel schreien –, sondern ein Sprungbrett, und wenn Sie sich die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ideologiefrei und vorurteilsfrei ansehen – was sie ist, wie sie ausgestaltet ist, und was das heute bedeutet –, dann müssen Sie zugestehen, dass diese Bedarfsorientierte Mindestsicherung eine Erfolgs­geschichte ist (Abg. Rädler: Na geh! Hör auf!), dass das ein sozialpolitischer Meilen­stein ist und dass wir stolz darauf sein können, dass wir dieses System in Österreich etabliert haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Auf die Umver­teilung sind wir stolz?! – Genau!)

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite