Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll123. Sitzung / Seite 191

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Das heißt, die österreichischen Richterinnen und Richter sagen, die Bundesregierung versucht hier, mit einfacher Mehrheit Notstandsverordnungsrecht einzuführen, und be­hauptet, damit primäres und sekundäres EU-Recht aushebeln zu können. Abgesehen davon, dass sie das nicht darf, weil das rechtlich gar nicht geht, kann die Regierung auch primäres EU-Recht nicht aufheben. Deshalb ist das, was die Bundesregierung hier tut, rechtswidrig, aber nichtsdestoweniger irrelevant.

Sehr geehrte Damen und Herren, klarer kann man es nicht sagen, glaube ich. Da hier mehrere ÖVP- und SPÖ-Kollegen vom Rechtsstaat gesprochen haben und davon, dass sie diesen hochhalten und respektieren würden: Wenn Sie das tun, hätten Sie die 50 Stellungnahmen, die zum Großteil extrem kritisch waren – in mehreren Stellung­nahmen steht, das ist unionsrechtswidrig, das ist verfassungsrechtswidrig, das ist grundrechtswidrig –, beachten müssen, wenn Sie wirklich auf den Rechtsstaat achten, wenn dieser Bundesregierung der Rechtsstaat ein Anliegen ist, hätten Sie diese Regie­rungsvorlage beziehungsweise diesen Abänderungsantrag in gesamtändernder Form nicht einbringen dürfen! Wenn Ihnen der Rechtsstaat wirklich etwas bedeutet, dann dürfen Sie dem Regierungsantrag, dem Abänderungsantrag auch nicht zustimmen.

Aber damit niemand nachher sagen kann, er oder sie hätte nicht gewusst, wozu er oder sie zustimmt, haben wir eine namentliche Abstimmung beantragt. Das heißt, alle frei gewählten Mandatarinnen und Mandatare, alle Mandatarinnen und Mandatare, die auf die Verfassung vereidigt sind – und das sind wir alle 183 –, haben die Möglichkeit, auf ihr Gewissen zu hören und ernst zu nehmen, was SPÖ und ÖVP gesagt haben, nämlich: Rechtsstaat ernst nehmen, Rechtsstaat hochhalten. Alle diese Abgeordneten werden dem vorliegenden Entwurf widersprechen müssen.

Ich möchte mit zwei Zitaten abschließen. In der Stellungnahme von Amnesty Inter­national heißt es wortwörtlich: „Durch die beabsichtigte Gesetzgebung wird massiv und unverhältnismäßig in grundlegende Rechte von Asylsuchenden eingegriffen. Die mit diesem Entwurf geplanten Änderungen ermöglichen die Aussetzung von EU-Vor­schriften und bedeuten de facto die Abschaffung des Asylrechts. Der (…) Entwurf plant, umgehend einen Notstand zu konstruieren, der in der Realität so nicht existiert.“

Die Stellungnahme des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte: „Ein Notver­ordnungsrecht der Bundesregierung, wenn auch im Einvernehmen mit dem Hauptaus­schuss des Nationalrats, in einem grundrechtlich sensiblen Bereich, in dem es um das Recht auf Asyl bzw. um das Recht auf internationalen Schutz geht, ist aus demokratie­politischer und rechtsstaatlicher Sicht höchst bedenklich.“

Sehr geehrte Damen und Herren, nehmen Sie bitte Ihr Mandat ernst, nehmen Sie die österreichische Verfassung ernst! Stimmen Sie dieser Vorlage nicht zu, denn sonst höhlen Sie damit das Asylrecht aus, und Sie schaffen das Asylrecht faktisch ab! Überlegen Sie sich das bitte noch einmal! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

15.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


15.27.58

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Besucher! Frau Kollegin Korun, wie passt das zusam­men, dass Sie sagen: Wir haben die strengsten Auslegungen des Asylgesetzes!, aber in Wirklichkeit haben wir von ganz Europa die meisten Asylanträge, die wir jetzt haben, in Österreich? (Abg. Korun: Das hat mein Vorredner gesagt!) – Das passt nicht zusam­men. Das passt überhaupt nicht zusammen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

 


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