Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll136. Sitzung / Seite 72

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bewältigt haben. Wir haben heute durch das Nord-Süd-Gefälle natürlich auch eine Ent­wicklung, dass Länder wie Griechenland, Spanien, Portugal und auch Italien systemi­sche Verarmung und eine Schuldenfalle erleben, während die Nettozahler südeuropäi­schen Ländern, die den Kriterien nicht entsprechen können, letztlich immer wieder mit Rettungsschirmen zur Seite stehen müssen. Das wird so auf Dauer nicht funktionieren, und da sind wir noch lange nicht beim Ende des Problems angekommen.

Wenn jetzt Großbritannien den Austritt vollzieht und infolgedessen nicht mehr jährlich einen Nettobeitrag in Höhe von 5,4 Milliarden € zahlen wird, dann wird auch die Frage zu stellen sein: Wer wird diesen Ausfall zahlen – oder wird die Europäische Union end­lich einmal entsprechend bei sich selbst ansetzen und nicht die Beiträge bei den an­deren Nettobeitragszahlern erhöhen? Das ist auch etwas, das man offen debattieren muss. (Abg. Matznetter: Könnten Sie ein bisschen lauter reden?) Natürlich ist es kein Wunder, dass bei den Nettozahlern immer mehr Frustration auftritt. Und es ist absto­ßend, wenn man rituelle Wählerbeschimpfung erlebt, wie sie nach dem Brexit stattge­funden hat, indem man die Wähler in Großbritannien beleidigt hat. Das ist ungehörig und auch schäbig, wie man das teilweise auch in der veröffentlichten Meinung wahr­nehmen musste. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Wähler ist der Souverän und hat letztlich auch die Entscheidung getroffen. Das ist zu respektieren und zu akzeptieren. Es war in Wirklichkeit die Mittelschicht, die dort mit Mehrheit die Entscheidung getroffen hat. Die überwiegende Mehrheit der Jungen ist nämlich gar nicht zur Abstimmung gegangen – weil das auch immer falsch dargestellt worden ist –, und bei den ab 45-Jährigen war eine klare Mehrheit für den Austritt. Es war in der Regel die Mittelschicht, die sich mehrheitlich für den Austritt ausgesprochen hat. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.)

Zum Abschluss: EU-kritisch ist nicht EU-feindlich und schon gar nicht antieuropäisch, und wenn aus diesem demokratischen Weckruf des Brexit nicht die richtigen Lektionen gelernt werden, dann muss man befürchten, dass weitere Länder folgen. Ich hoffe, man lernt daraus. Wir werden alles unternehmen (ironische Heiterkeit des Abg. Öllinger), da­mit man endlich aufwacht und die richtigen bürgernahen Reformen in der Europäischen Union endlich umzusetzen und ernst zu nehmen beginnt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wittmann: Sehr kleinlaut war das, sehr kleinlaut!)

11.26


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Mag. Schieder zu Wort. – Bitte.

 


11.26.33

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen vor den Fernseh­geräten und auch hier im Plenum! Besonders begrüßen darf ich auch im Namen mei­ner Kollegin Marianne Gusenbauer-Jäger die Schülerinnen und Schüler und deren Leh­rer der Neuen Mittelschule Pregarten in Oberösterreich, die heute extra nach Wien ge­kommen sind. (Allgemeiner Beifall.)

Wir alle oder zumindest viele Proeuropäer waren der Meinung, dass es hoch an der Zeit ist, dass Großbritannien sein Verhältnis zur Europäischen Union klärt, denn es wä­re auch nicht unendlich verlängerbar gewesen, dass sich Großbritannien auf dem Rü­cken der anderen europäischen Länder immer wieder Privilegien herausschneidet, die dann alle anderen, wie zum Beispiel auch wir als Nettozahlerland, zu tragen hatten. Daher war das an sich einmal ein Moment, von dem man erwartet hat, dass sich durch diese europapolitische Diskussion vielleicht etwas bewegen könnte. Was wir aber er­lebt haben, war das genaue Gegenteil. Wir haben eine Brexit-Kampagne erlebt, die


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