Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 137

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noch die Möglichkeit haben, etwas anzuprangern. Wenn sie jetzt auch noch ihrer Im­munität beraubt werden und nicht mehr die Möglichkeit haben, ihre Meinung frei zu äu­ßern, werden wir von dem, was in der Türkei passiert, gar nichts mehr mitbekommen. Dementsprechend ist das, was da in den letzten Wochen passiert ist, besonders ver­störend.

Ich glaube, dass wir ganz massiv bei den IPA-Geldern ansetzen müssen. Schauen wir uns an, wie viel in den letzten Jahren an die Türkei ausgezahlt wurde: Von 2007 bis 2020 werden es knapp 10 Milliarden Euro an Förderungen im Bereich der Umwelt und des Verkehrs, aber auch im Bereich der Demokratisierung sein. Wir sehen, dass wir Geld ausgegeben haben, um die Türkei weiter zu demokratisieren und für Grund- und Freiheitsrechte – das Ergebnis war jedoch das genaue Gegenteil. Das heißt, dass Geld auch verwendet wurde, um Grund- und Freiheitsrechte einzuschränken. Da müssen wir also ganz massiv ansetzen. Deswegen – und das ist vielleicht ein Kritikpunkt, den auch die Freiheitlichen schon geäußert haben – finde ich den Antrag der Grünen auch ein wenig zu zögerlich.

Also es gab die Kritik, dass die Europäische Kommission zu zögerlich ist und dass das ein bisschen Appeasement ist. Aber das, finde ich, trifft in diesem Zusammenhang auch ein wenig zu, denn da auch wieder nur Teile der IPA-Fördergelder auszusetzen oder die Beitrittsverhandlungen nur einmal formell auszusetzen, ist mir persönlich auch zu wenig.

Wir haben die gemeinsame Pressekonferenz bereits vorgestern gehabt. Wir können schon darüber diskutieren, wo der größte Hebel ist, und darüber, was Erdoğan mehr beeindruckt: wenn wir mehr Gelder einfrieren oder weniger.

Mir persönlich ist es aber mittlerweile ziemlich egal, was Erdoğan beeindruckt, weil da eine Grenze überschritten ist, was so nicht hinzunehmen ist. Die einzig richtige Antwort ist: kein Cent mehr in die Türkei, ganz klar reagieren, was die Beitrittsverhandlungen betrifft, nämlich klar sagen, hier gibt es keine Chance auf einen Beitritt – und das müs­sen sowohl die Europäische Kommission als auch wir im österreichischen Parlament in dem Zusammenhang ganz klar äußern.

Wenn wir, die Europäische Union, bei diesen massiven Verletzungen der Grund- und Freiheitsrechte, bei diesen massiven Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit und der De­mokratie nicht ganz klar sind und nicht ganz klar sagen, was unsere Wertvorstellungen sind, wie wir Grund- und Freiheitsrechte verstehen, dann müssen wir uns im Endeffekt auch eingestehen, dass es die Europäische Union nicht mehr brauchen wird – wenn wir so etwas akzeptieren und weiterhin Gelder an die Türkei überweisen.

Dementsprechend glaube ich, dass es klar sein muss, dass wir – und da würden wir weiter gehen – die Heranführungshilfen komplett aussetzen müssen. Es kann keinen Cent mehr geben, denn wir wissen nie genau, wo die finanzielle Hilfe ankommt und wie Erdoğan diese Gelder verwendet. Es kann nicht sein, dass die Europäische Union auch nur einen einzigen Cent dafür ausgibt, dass Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Men­schenrechte unterdrückt werden. Deswegen muss ganz klar sein, dass es hier keinen Cent gibt. Das ist das einzige deutliche Zeichen, dass wir, die Europäische Union, hier setzen können. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

16.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Lugar. – Bitte.

 


16.14.59

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mei­ne sehr geehrten Fernsehzuschauer! Wir sprechen heute über die Türkei, und da muss man einmal einiges über dieses Land erzählen. Es geht nicht nur darum, dass jetzt die


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