Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll154. Sitzung / Seite 110

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Berlakovich gelangt zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.54.51

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Damen und Herren Staatssekretäre! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Damen und Herren Volksanwälte! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Europäische Kommission hat eine Studie in Auftrag gegeben, die die Situation der europäischen Minderheiten beziehungsweise Volksgruppen beleuchten soll. Das Ergebnis liegt vor, und das Ergebnis ist dramatisch, denn die Studie kommt zu dem Resultat, dass 80 Prozent der europäischen Volksgruppen – 80 Prozent einer einzigartigen sprach­lichen und kulturellen Vielfalt in Europa – gefährdet sind.

Die Zahlen sind dramatisch, die Situation der österreichischen Volksgruppen ist aber auch deckungsgleich mit der in ganz Europa. Auch bei uns sind die Volksgruppen gefährdet, und man muss das offen ansprechen. Es gibt eine solide gesetzliche Ausstattung, seinerzeit eine Staatszielbestimmung im Verfassungsrang, die besagt, dass die Republik – Bund, Länder und Gemeinden – sich zu ihrer gewachsenen kulturellen und sprachlichen Vielfalt, eben zu den autochthonen Volksgruppen bekennt und dass diese Kultur und die Sprache zu erhalten und zu sichern sind. Darüber hinaus gibt es weitere Gesetze, die das absichern sollen.

Aber: Es gibt keine heile Welt, und die Realität ist eine andere – denn es gibt eine schleichende Assimilation und es passiert, dass die Sprache der Volksgruppen im Alltag nicht mehr verwendet wird. Das betrifft die burgenländischen Kroaten, die Kärntner Slowenen, die Ungarn, die Tschechen, die Slowaken, aber auch die Roma. Und das können und dürfen wir nicht akzeptieren, denn die Einzigartigkeit Europas und auch Österreichs liegt eben in ihrer Vielfalt der Kulturen und der Vielfalt der Sprachen, der Bräuche, der Traditionen. Geht das verloren, dann geht auch ein wesentliches Stück der österreichischen Identität verloren – und dies, obwohl es doch ein friedliches Zusammenleben dieser Volksgruppen gibt! Daher müssen wir da mit aller Kraft gegensteuern.

Ein entscheidender Bereich in diesem Zusammenhang ist der Bildungsbereich, weil vor allem die Vermittlung der Volksgruppensprachen von zentraler Bedeutung ist. Die Volks­gruppensprachen, die im Alltagsleben verwendet werden, sind ein zentraler Bestandteil der Kommunikation. Geschieht das nicht mehr, dann gehen sie eben verloren.

Auch da haben wir Gesetze, aber es haben sich die Lebenssituationen geändert: Die Volksgruppen in ihren autochthonen Gebieten sind nicht mehr auf Dörfer beschränkt, auf Regionen beschränkt. Es sind gesellschaftliche, private Änderungen eingetreten, sodass wir heute Volksgruppenangehörige in ganz Österreich finden, insbesondere in Wien, in Graz und in anderen Gebieten. Und darauf muss eben auch im Hinblick auf die gesetzliche Lage reagiert werden. Derzeit ist es nämlich so, dass die Volksgruppen nur in ihren autochthonen Siedlungsgebieten die Sprache und Kultur verwenden können und erlernen können. Das ist ein Umstand, der nicht befriedigend ist. Daher brauchen wir da eine Modernisierung im Bildungsbereich.

Deshalb waren ja die Volksgruppen beim Thema der Bildungsreform auch so sehr sensibilisiert. Alle sechs anerkannten Volksgruppen haben gefragt: Inwieweit kommen die österreichischen Volksgruppen darin vor? Und die Auskunft der seinerzeitigen Bildungsministerin war, dass sich der Status quo nicht verschlechtert. Das ist gut, aber das ist zu wenig, denn die österreichischen Volksgruppen brauchen eine Perspektive. Die Linie war ja immer, dass die Angehörigen der österreichischen Volksgruppen vom


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