Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 176

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

17.43.59

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (PILZ): Frau Präsidentin! Den Herrn Bundeskanzler hätte ich ja gerne noch begrüßt, wenn er noch 2 Minuten Zeit hätte. (Bundeskanzler Kurz verlässt den Sitzungssaal.) Ohne dass ich die Debatte über die Dringliche An­frage fortsetzen wollte, würde ich ihm eines schon gerne mit auf den Weg zum Ball­hausplatz geben: Er ist ja einer, der schnell wie kaum ein anderer Grenzen überschrei­tet, und besonders leichtfüßig ist er dann, wenn es darum geht, die Grenze von verbaler Geschmeidigkeit hin zur Demagogie zu überschreiten. Das hier war heute ein gelungenes Beispiel dafür. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Zum Thema, das hier jetzt in der Fortsetzung der Tagesordnung besprochen wird, einige Worte: Die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen ist eine gute Sache. Wir sind dafür, dass man das macht, insbesondere nachdem auf­grund der Kritik, die wir in der Ausschusssitzung angebracht haben, jetzt im § 6 ein Absatz 5 eingefügt wird, der den Konsultationsmechanismus, der vorher gefehlt hat, auch im Gesetz festschreibt.

Das ist gut und richtig. Ich glaube allerdings, dass im Zuge der parlamentarischen Debatte darüber der Hinweis notwendig ist – er findet sich nämlich nicht in den Erläuterungen –, dass auch der Betroffene die Möglichkeit hat, selbst eine Europäische Ermittlungsanordnung zu beantragen, wenn das von der Behörde nicht gemacht wird. Diese Festschreibung im Stenographischen Protokoll ist, glaube ich, wichtig, weil man ansonsten leicht den Gesetzestext missinterpretieren könnte.

Viel spannender ist die Novellierung des Verwaltungsstrafgesetzes. Wir werden dieser Novellierung aus mancherlei Gründen nicht zustimmen. Auch wenn es vielleicht für einige der Abgeordneten nach einem bemühten Vortrag klingt, wenn man sachlich bleibt, möchte ich Ihnen die drei Gründe, warum wir dieser Novellierung des Verwal­tungs­strafgesetzes nicht zustimmen können, nahebringen.

Erstens: Sie wissen, dass im Verwaltungsstrafgesetz die Unschuldsvermutung nicht gilt. Der Bevölkerung ist das kaum klar, aber im Verwaltungsstrafrecht gilt bisher aus­nahmslos die Schuldvermutung. Das heißt, die objektive Tatbestandsmäßigkeit eines Verstoßes gegen eine Verwaltungsstrafnorm reicht für die Bestrafung aus. Seit vielen Jahren, spätestens seit wir die MRK in Österreich als Verfassungsgesetz akzeptiert und angenommen haben, wird die Debatte geführt, ob nicht auch im Verwaltungs­strafverfahren die Unschuldsvermutung gelten sollte. Wenn jetzt in dieser Novelle im Absatz 1a des § 5 ein erster Anfang gesetzt wird, um die Unschuldsvermutung ins Verwaltungsstrafrecht zu bringen, dann begrüßen wir das – aber das ist, bitte, ohne Courage und ohne Herz!

Es wird nämlich jetzt festgeschrieben, dass nur bei Verwaltungsstrafen über 50 000 Euro die Unschuldsvermutung gelten soll, für alles, was darunterliegt, soll es weiter bei der Schuldvermutung bleiben. Man kann das ganz leicht übersetzen: Die Großen können sich auf die Unschuldsvermutung berufen, ihnen muss der Vorsatz im Verwaltungs­straf­verfahren nachgewiesen werden; für die Kleinen hingegen gilt weiter die Schuld­ver­mutung.

Wenn man das nüchtern betrachtet hätte und der Stimme des Herzens und auch der sachlichen Argumentation in der europäischen Verwaltungsrechtslehre gefolgt wäre, dann hätte man nicht 50 000 Euro hineingeschrieben, sondern man hätte 500 Euro oder 1 000 Euro hineingeschrieben. Man hätte damit die Mehrzahl der Bagatellfälle erledigt und nicht wieder ein soziales Missverhältnis eingeführt.

Weiters gibt es eine zweite Lässlichkeit in dieser Regierungsvorlage, die schlechter­dings unverständlich ist. Wenn Sie die Regierungsvorlage hernehmen, dann finden Sie


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite