18.40

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kaum ein Plenartag vergeht, ohne dass wir über Bildungspolitik reden. – Gut so, würde ich sa­gen, war doch gerade die letzte Legislaturperiode durchaus ein bisschen ein Negativ­beispiel aus dem Bilderbuch, wie Bildungspolitik eben nicht gemacht werden sollte. (Abg. Bösch: Nein, davor war das! – Abg. Belakowitsch: Da verwechseln Sie etwas!) Dieser Pfad wird anscheinend leider fortgesetzt.

Einzelne Maßnahmen sind durchaus begrüßenswert, beispielsweise das Bekenntnis zu grundsätzlich mehr Unterstützungspersonal, Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganz­tagesschulen. Leider ist das im Regierungsprogramm oftmals wenig mit Zahlen, Fakten und vor allem Budget untermalt, was es für uns schon ein bisschen schwierig macht, denn so haben wir halt das Gefühl, dass das alles wieder auf die lange Bank gescho­ben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, ein Phänomen, das auch im Jahr 2020 auf jeden Fall noch Realität ist, ist, dass Bildung in Österreich vererbt wird. Jahr für Jahr zeigt uns die Studie „Bildung auf einen Blick“, dass in Österreich Bildung vererbt wird und der sozioökonomische Status eines Haushaltes nach wie vor sehr stark mit der Bildung zusammenhängt. Expertin­nen und Experten belegen jedes Jahr: Soziale Gerechtigkeit ist ganz eng verbunden mit gezielter Förderung und Chancengerechtigkeit in der Bildung – vom Kindergarten über die Schule bis zur Ausbildung, bis zu den Universitäten und Hochschulen. Ich glaube, das ist ein Faktum, das eigentlich in allen Köpfen wirklich verankert sein müsste.

Ich muss leider sagen, dass in diesem Regierungsprogramm die große Vision eines chancengerechten Bildungssystems fehlt. Diese wäre wirklich dringend notwendig, um den sozioökonomischen Status endlich von Bildung zu entkoppeln, damit wirklich allen Kindern alle Chancen eingeräumt werden und Tür und Tor offenstehen, um das ma­chen zu können, was sie machen möchten, das, wofür sie Talent haben, und für die Kinder die bestmögliche Förderung gewährleistet werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Pilotprojekt, über das wir jetzt reden, für bessere Unterstützung von Schulen mit großen Herausforderungen, der Chancenindex, ist zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber es ist unverständlich, dass man das nicht auf ganz Österreich ausrollt, sondern nur einzelne, wenige Schulen vom Chancenindex profitieren sollen, wo doch die Probleme und Ableitungen klar auf dem Tisch liegen. Wir wissen ganz konkret aus Berechnungen und Standardtestungen, dass über 510 Schulen sofort Unterstützung durch die Ausrollung des Chancenindex benötigen würden. Deshalb sagen wir als SPÖ, wir wollen jetzt eine rasche, flächendeckende, wirksame Einführung des Chan­cenindex – nicht zögerlich oder, wie wir in Oberösterreich auch sagen, zizerlweis, son­dern eine flächendeckende Umsetzung in ganz Österreich.

Die Maßnahmen, die hier für einige wenige Schulen gesetzt werden, zeigen, Kinder und Zukunft haben anscheinend nicht Priorität Nummer eins in diesem Regierungspro­gramm, und das ist sehr schade.

Als Sozialdemokratie kämpfen wir für ein Bildungssystem, das durchlässig ist, Chan­cen ermöglicht, Talente fördert, für eine Bildung, die für alle leistbar ist, nicht spaltet und nicht segregiert, deshalb bringe ich nun folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Chancengerechtigkeit im Bildungssystem“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung möge dem Nationalrat unverzüglich ein überarbeitetes Gesamtpaket für mehr Chancengerechtigkeit im Bil­dungssystem vorlegen. Hierfür soll das vorgesehene Pilotprojekt für Brennpunktschu­len zu einem österreichweiten Chancenindex erweitert werden. Je größer die Probleme an einer Schule, desto mehr LehrerInnen sollen in Zukunft zum Einsatz kommen. Das löst einen Bedarf an mehr als 500 Schulen von ca. 5.000 zusätzlichen LehrerInnen aus. Außerdem soll dieses Gesamtpaket auch einen geeigneten Stufenplan zum Aus­bau des Kinderbetreuungsangebots sowie ganztägiger Schulplätze beinhalten, um so endlich den Eltern einen Rechtsanspruch für qualitativ hochwertige und ganztägige Kinderbetreuung zu garantieren. Auch der Plan für mehr Unterstützungspersonal ist zu konkretisieren: hierfür sollen mindestens 80 Mio. Euro investiert werden. Der Bundes­minister für Finanzen wird aufgefordert die zur Umsetzung erforderlichen zusätzli­chen Budgetmitteln im Rahmen Budgets (BFG 2020) und des Bundesfinanzrahmens (BFRG 2020-2023) bereit zu stellen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.44

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid, Genossinnen und Genossen

betreffend Chancengerechtigkeit im Bildungssystem

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Mag. Bea­te Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufzeigen von Miss­ständen in der österreichischen Bildungspolitik

Dass wir uns bei PISA regelmäßig im Mittelfeld befinden, ist für ein reiches Land wie Österreich – will es das auch in Zukunft bleiben – nicht akzeptabel. Besonders die ho­he Anzahl an RisikoschülerInnen, also jene, die besonders schlecht abgeschnitten ha­ben, sollte alle Alarmglocken schrillen lassen. In Österreich gehört im Lesen, der Ma­thematik und der Naturwissenschaft mehr als jedeR fünfte SchülerIn dazu. Die ös­terreichische Lese-Risikogruppe ist rund doppelt so groß, wie jene der führenden Län­der.

Wer zu dieser Gruppe gehört, hängt stark von der Herkunft ab. Noch immer ist in Ös­terreich der Bildungshintergrund der Eltern besonders stark entscheidend für den Bil­dungserfolg der Kinder – sowohl bei Kindern mit Migrationshintergrund, als auch bei jenen mit deutscher Muttersprache. Das dürfen wir nicht akzeptieren, sondern müssen gegensteuern.

In weiten Teilen ist das neue Regierungsprogramm eine Fortführung von türkis-blauer Bildungspolitik. Schwarze Pädagogik der Vergangenheit siegt: Es geht nicht darum, was unser Bildungssystem für die Kinder leistet, sondern um Druck, Aussortieren und Strafen. Obwohl ExpertInnen bestätigen, dass hierdurch weder die Chancengerechtig­keit im Bildungssystem, noch die Bildungsergebnisse verbessert werden.

Auch im Kampf gegen Kinderarmut finden sich im Regierungsprogramm nur kleine Ak­zente. Einzelne Maßnahmen, die durchaus begrüßenswert sind – etwa das Bekenntnis zu mehr Unterstützungspersonal, den Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganzta­gesschulen – sind zwar begrüßenswert, aber nur wenig verbindlich. Wie viel zusätzli­che Stellen für Unterstützungspersonal an den Schulen geschaffen werden soll, wurde nicht festgehalten. Schon gar nicht wurde vom Finanzministerium dafür zusätzliches Budget in Aussicht gestellt. Angekündigt wurde hingegen lediglich die „langfristige Ab­sicherung der Finanzierung über den FAG und gesetzliche Vorgaben über den Bund“. Damit droht die Umsetzung dieses wichtigen Vorhabens auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben zu werden. Auch beim Ausbau der Kinderbetreuung oder der Ganzta­gesschulen fehlen konkrete Zielvorgaben und budgetäre Zusagen. Für die Eltern wird leider kein Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Kinderbetreuungsplatz vom ersten Geburtstag bis zum Ende der Schulpflicht geschaffen. Das Pilotprojekt für bessere Un­terstützung von Schulen mit großen Herausforderungen ist zwar ein erster Schritt, es ist allerdings völlig unverständlich, warum hierfür nur einzelne wenige Schulen profitie­ren sollen, wo doch die Probleme und Ableitungen klar am Tisch liegen.

Zudem wurden budgetär große Brocken – Steuersenkungen für SpitzenverdienerInnen und Großkonzerne – die über zwei Milliarden kosten werden – relativ genau festgehal­ten. Gegenfinanzierung dieser Maßnahmen gibt es keine. Damit drohen sämtliche bil­dungspolitisch begrüßenswerte Projekte, wie etwa mehr Unterstützungspersonal, der Ausbau der Kinderbetreuung oder der Ganztagesschulen auf Grund mangelnden Bud­gets lose Ankündigungen zu bleiben, ohne jemals umgesetzt zu werden.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichnenden Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung möge dem Nationalrat unverzüglich ein überarbeitetes Gesamtpaket für mehr Chancengerechtigkeit im Bil­dungssystem vorlegen. Hierfür soll das vorgesehene Pilotprojekt für Brennpunktschu­len zu einem österreichweiten Chancenindex erweitert werden. Je größer die Probleme an einer Schule, desto mehr LehrerInnen sollen in Zukunft zum Einsatz kommen. Das löst einen Bedarf an mehr als 500 Schulen von ca. 5.000 zusätzlichen LehrerInnen aus. Außerdem soll dieses Gesamtpaket auch einen geeigneten Stufenplan zum Aus­bau des Kinderbetreuungsangebots sowie ganztägiger Schulplätze beinhalten, um so endlich den Eltern einen Rechtsanspruch für qualitativ hochwertige und ganztägige Kinderbetreuung zu garantieren. Auch der Plan für mehr Unterstützungspersonal ist zu konkretisieren: hierfür sollen mindestens 80 Mio. Euro investiert werden. Der Bundes­minister für Finanzen wird aufgefordert die zur Umsetzung erforderlichen zusätzli­chen Budgetmitteln im Rahmen Budgets (BFG 2020) und des Bundesfinanzrahmens (BFRG 2020-2023) bereit zu stellen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte.