17.26

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Vizekanzler! Für die Zuseher zu Hause vielleicht eines vor­weg, weil das von den Regierungsparteien hier so breit diskutiert wird: Die Abschaffung der kalten Progression und die Valorisierung der Sozialleistungen werden heute nicht beschlossen. Heute sind das nur Ankündigungen, das wird maximal im Oktober be­schlossen, wenn es die Regierung da noch gibt.

Heute werden nur Einmalzahlungen und auch Lohnnebenkostensenkungen für die Un­ternehmen von 0,3 Prozent, 0,2 Prozent für den Familienlastenausgleichsfonds, 0,1 Pro­zent für die Unfallversicherungsanstalt beschlossen. Das klingt vielleicht nicht sehr viel, ist aber so, dass es bei der AUVA, bei der Unfallversicherungsanstalt, pro Jahr einen Beitragsentfall von 125 Millionen Euro gibt. Während private Haushalte, Arbeitnehmer, Pensionistinnen und Pensionisten mit Einmalzahlungen abgespeist werden, gibt es bei den Unternehmen eine langfristige Entlastung.

Wie gesagt, das hört sich nicht viel an. 0,1 Prozent sind 125 Millionen Euro – nur damit wir wissen, wovon wir reden. Die AUVA betreibt sieben Unfallkrankenhäuser und vier Rehazentren auf höchstem Niveau. Es wurde ja schon mit der FPÖ damals 2018 eine Beitragssenkung beschlossen. Damals sind 110 Millionen Euro aus der AUVA heraus­genommen worden, jetzt in Summe 235 Millionen Euro. Bei einem Budget von 1,2 Mil­liarden ist das ganz ordentlich.

Jetzt debattieren wir seit einigen Jahren über eine Pflegereform: wie wichtig eine richtige Pflegereform ist, wie wichtig es ist, die Gesundheits- und Pflegeberufe aufzuwerten. Ich meine, wir haben einen eklatanten Personalnotstand in unserem System, und jetzt gera­de fahren Spitäler in ganz Österreich die Kapazitäten herunter, weil Überstunden abge­baut werden müssen, weil Urlaube abgebaut werden müssen. Und was macht die Regierung? – Sie nimmt 125 Millionen Euro aus dem Gesundheitssystem heraus. Jetzt frage ich mich: Was habt ihr von der Pandemie gelernt? Wie geht es euch dabei? Was ist da nicht verstanden worden? (Beifall bei der SPÖ.)

Wir kämpfen da um jeden Euro. Während die großen Konzerne mit der KöSt-Senkung bevorzugt werden, kämpfen wir bei der Pflege um jeden Euro.

Wenn es wenigstens wirklich etwas bringen würde, nämlich dass man vielleicht Klein- und Mittelbetriebe entlasten würde, wo die meisten Lehrlinge ausgebildet werden, wo die meisten Beschäftigten sind! Wir haben uns das angeschaut: Ich habe einen Freund, der eine kleine Tischlerei mit fünf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hat, der selbst­ständig ist, und da haben wir uns das angeschaut, haben uns das einmal ausgerechnet. Was glaubt ihr, hat der von diesen 0,1 Prozent Beitragssenkung bei fünf Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmern an Entlastung zu erwarten? – 15 Euro pro Monat! 180 Euro pro Jahr! Der hat mehr in der Kaffeekassa liegen, als er da an Entlastung hat.

Jetzt fragt man sich natürlich: Wer kriegt denn diese 125 Millionen Euro? – Und es sind immer dieselben Verdächtigen: Es sind die Großkonzerne (eine Tafel auf das Rednerpult stellend, auf der der Schriftzug „125 Millionen EUR für die Profiteure der Beitragssen­kung.“ und die Logos von Großkonzernen zu sehen sind), zu denen ja die ÖVP einen sehr guten Kontakt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Pikanterie am Rande (Abg. Zarits: ... Gewerkschaften!): Da wird kein einziger Ar­beitsplatz geschaffen; und durch die KöSt-Senkung wird auch kein einziger Arbeitsplatz geschaffen, das wisst ihr ganz genau! Eine weitere Pikanterie am Rande: Der deutsche Rewe-Konzern kriegt das meiste von den 125 Millionen Euro. Schönen Gruß an die Ak­tionäre in Deutschland und ein Dankeschön an die ÖVP! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist nur ein Auszug aus der Liste der Hauptprofiteure. Wir schmeißen den Konzernen, die derzeit Übergewinne – bei denen ihr nicht bereit seid, sie abzuschöpfen – machen, die Zufallsgewinne machen und Rekorddividenden auszahlen, nun noch 125 Millionen Euro aus dem Gesundheitssystem nach. (Abg. Steinacker: ... schon Private, oder?) Und jetzt kommt der Überhammer, nämlich: Damit die AUVA diese Beitragssenkung nicht alleine stemmen muss, geht man her und nimmt der ÖGK, der Krankenversicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, noch 70 Millionen Euro weg. Als ÖVP-Wirt­schaftsbundfunktionär würde ich mich genieren, wenn ich mir die Beitragssenkung von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern finanzieren lasse. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist wirklich Umverteilung von unten nach oben, das ist die Treffsicherheit der ÖVP – die waren schon immer gut, wenn sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ins Börsel greifen können. Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich braucht ein echtes Preissenkungspaket statt Einmalzahlungen, die verpuffen bevor sie bei den Menschen ankommen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Maßnahmen­paket zuzuleiten, welches die Preise nachhaltig senkt und für die Zeit der Teuerungs­krise – statt Einmalzahlungen – dauerhafte Hilfe für die Menschen in Österreich garan­tiert. Zu diesen Maßnahmen zählen insbesondere:

1. Die Rücknahme der Erhöhung der Richtwert- und Kategoriemieten und Einfrieren die­ser Mieten bis ins Jahr 2025

2. Die – für die Zeit der Krise befristete – Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Strom, Gas, Sprit und Lebensmittel des täglichen Bedarfs, begleitet von einer umfassenden Preiskontrolle mit harten Sanktionen

3. Einen Preisdeckel für Energie (z.B.: für Strom und Spritpreise) nach dem Vorbild an­derer EU-Länder wie Frankreich, Portugal, Spanien, Slowenien oder Kroatien

4. Eine vorgezogene Pensions- und Pflegegeldanpassung um 6 Prozent ab Juli 2022

5. Eine sofortige Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des Letzteinkommens und die Verdreifachung des Familienzuschlages

6. Eine Abschöpfung der Übergewinne von Energiekonzernen nach dem Vorbild anderer EU-Länder und dem Vorschlag der EU-Kommission zur Finanzierung der Anti-Teue­rungsmaßnahme sowie der Energiewende.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Bravo!)

17.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Rainer Wimmer

Genossinnen und Genossen

Betreffend: Österreich braucht ein echtes Preissenkungspaket statt Einmalzahlungen, die verpuffen bevor sie bei den Menschen ankommen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über den An­trag 2662/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Allgemei­ne Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bau­ern-Sozialversicherungsgesetz, das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das COVID-19-Gesetz-Armut, das Pen­sionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden sowie das Bun­desgesetz über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkos­ten (Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G) und das Bundes­gesetz über den Teuerungsausgleich für Bezieherinnen und Bezieher von Förderungen nach dem Studienförderungsgesetz erlassen werden (Teuerungs-Entlastungspaket) (1563 d.B.)

Das Anti-Teuerungspaket der Bundesregierung ist eine klare Themenverfehlung. Ein­malzahlungen sind bei permanent hohen Inflationsraten keine adäquate Antwort für die Menschen in Österreich.

Das Paket der Regierung senkt keinen einzigen Preis. Die Mieten bleiben hoch oder steigen weiter, die Energiepreise bleiben hoch oder steigen weiter, die Lebensmittelprei­se werden definitiv weiter steigen. Selbst die kleinsten, strukturellen Maßnahmen, die nachhaltig und dauerhaft wirken könnten, etwa eine Erhöhung des Kilometergeldes bei­spielsweise für mobile Pflegerinnen am Land werden von der Regierung nicht angegan­gen.

Einstweilen schaut die Regierung dabei zu, wie es großen Energiekonzernen auf Kosten der Menschen in Österreich Milliarden in die Kassen spült. Dabei geht es keineswegs nur um die Stromversorger. Die großen Mineralölkonzerne konnten im ersten Quar­tal 2022 ihre Gewinne verdoppeln. In Österreich werden alleine der Verbund und die OMV im laufenden Jahr Übergewinne in der Höhe von 4 bis 6 Milliarden Euro machen. Dabei sind die Gewinne von anderen großen Unternehmen, die ebenfalls am österreichi­schen Markt tätig sind, noch gar nicht berücksichtigt.

Nachdem diese Krise viele andere Länder in Europa genauso trifft, macht der Vergleich sicher:

Andere Länder deckeln die Energiepreise, etwa bei Strom oder an den Tankstellen, sen­ken die betreffenden Steuern auf Energie und Lebensmittel und schöpfen die Überge­winne der großen Energiekonzerne ab, um das Geld an die Bevölkerung zurückzugeben. Die österreichische Bundesregierung „beobachtet“ stattdessen – das neue Lieblingswort der Regierung. Sie beobachtet, wie große Energiekonzerne Übergewinne in Milliarden­höhe machen, während sich 35% der Haushalte mit ihrem Einkommen die laufenden Konsumausgaben – also etwa den täglichen Einkauf – nicht mehr leisten können und die Inflation völlig ungehindert weiter steigt.

Andere Länder in Europa zeigen, wie es gehen könnte. Die Bekämpfung der Inflation und das Schnüren eines echten Maßnahmenpakets gegen die Teuerung scheitert also nicht an den Möglichkeiten, es scheitert am politischen Willen und am offensichtlichen Unvermögen der handelnden Personen in der Bundesregierung.

Die Einmalzahlungen des Regierungspakets verpuffen, ehe sie am Konto der Menschen ankommen. Es braucht ein echtes Preissenkungspaket und zwar sofort.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Maßnahmenpa­ket zuzuleiten, welches die Preise nachhaltig senkt und für die Zeit der Teuerungskrise – statt Einmalzahlungen – dauerhafte Hilfe für die Menschen in Österreich garantiert. Zu diesen Maßnahmen zählen insbesondere:

1. Die Rücknahme der Erhöhung der Richtwert- und Kategoriemieten und Einfrieren die­ser Mieten bis ins Jahr 2025

2. Die – für die Zeit der Krise befristete – Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Strom, Gas, Sprit und Lebensmittel des täglichen Bedarfs, begleitet von einer umfassenden Preiskontrolle mit harten Sanktionen

3. Einen Preisdeckel für Energie (z.B.: für Strom und Spritpreise) nach dem Vorbild an­derer EU-Länder wie Frankreich, Portugal, Spanien, Slowenien oder Kroatien

4. Eine vorgezogene Pensions- und Pflegegeldanpassung um 6 Prozent ab Juli 2022

5. Eine sofortige Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des Letzteinkommens und die Verdreifachung des Familienzuschlages

6. Eine Abschöpfung der Übergewinne von Energiekonzernen nach dem Vorbild anderer EU-Länder und dem Vorschlag der EU-Kommission zur Finanzierung der Anti-Teue­rungsmaßnahme sowie der Energiewende.“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Joachim Schnabel. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Leichtfried: Ein guter Antrag!)