Kampf gegen Korruption: Das Ende der Freunderlwirtschaft?
Details
Thema
Das Ibiza-Video und die Chat-Affäre haben ein Bild gezeichnet, das viele Österreicherinnen und Österreicher schockiert hat. Im weltweiten Korruptions-Index von Transparency International kam Österreich zuletzt nur auf Platz 22 und lag hinter fast allen west- und mitteleuropäischen Ländern. Mit neuen Gesetzen will die Bundesregierung der Korruption den Kampf ansagen.
Ist das „strengste Antikorruptionsgesetz der Welt“, wie Verfassungsministerin Karoline Edtstadler die Strafrechtsreform bezeichnet, tatsächlich bahnbrechend oder nur ein erster, längst überfälliger Schritt?
Teilnehmer:innen der Diskussion
Abgeordnete:
- Corinna Scharzenberger (ÖVP)
- Selma Yildirim (SPÖ)
- Harald Stefan (FPÖ)
- Nina Tomaselli (Grüne)
- Johannes Margreiter (NEOS)
Eingeladene Fachleute:
- Bettina Knötzl, Transparency International Austria
- Volkert Sackmann, Strafverteidiger
Links
Transkript
Anmoderation: In dieser Folge von Politik am Ring, der Diskussionssendung des Parlaments, diskutiert Moderator Gerald Groß mit den Abgeordneten Corinna Scharzenberger von der ÖVP, Selma Yildirim von der SPÖ, Harald Stefan von der FPÖ, Nina Tomaselli von den GRÜNEN und Johannes Margreiter von NEOS darüber, wie Österreich den Kampf gegen die Korruption schaffen kann. Zu Gast sind Bettina Knötzl von Transparency International Austria und Volkert Sackmann, Rechtsanwalt und Strafverteidiger. Das Gespräch haben wir am 20. Februar 2023 im Plenarium des Österreichischen Parlaments aufgezeichnet.
*****
Gerald GROẞ (Moderator): Einen wunderschönen guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlich willkommen, ich begrüße Sie bei einer weiteren Ausgabe von „Politik am Ring“. Wir melden uns heute zum zweiten Mal in diesem Jahr und zum zweiten Mal melden wir uns aus dem sogenannten Plenarium hier im neu renovierten Parlament. Wir sitzen hoch über dem Plenarsaal, da, wo üblicherweise auch die Demokratiewerkstatt ihr Zuhause hat. Es geht heute um ein spannendes Thema, das wohl auch für hitzige Diskussionen hier sorgen wird, es geht um die Korruption und es geht vor allem um den Kampf gegen die Korruption. In der jüngeren Vergangenheit haben ja vor allem das Ibizavideo und die Chataffäre ein Bild gezeichnet, das viele Österreicherinnen und Österreicher schockiert hat und den Bundespräsidenten zu seiner berühmten Wortmeldung veranlasst hat: „So sind wir nicht.“ Aber im weltweiten Korruptionsindex von Transparency International liegt Österreich hinter fast allen west- und mitteleuropäischen Ländern inzwischen auf Platz 22. Mit neuen Gesetzen will die Regierung gegensteuern und der Korruption den Kampf ansagen. Aber ist das strengste Antikorruptionsgesetz der Welt, wie Verfassungsministerin Karoline Edtstadler die Strafrechtsreform bezeichnet hat, tatsächlich bahnbrechend oder nur ein erster, längst überfälliger Schritt? Darüber wollen wir heute diskutieren, und zwar mit Harald Stefan von der FPÖ, mit Nina Tomaselli von den Grünen, mit Corinna Scharzenberger von der ÖVP, mit Selma Yildirim von der SPÖ und mit Johannes Margreiter von den NEOS – Ihnen allen ein herzliches Willkommen! Ich begrüße des Weiteren Bettina Knötzl von Transparency International Austria – ebenfalls herzlich willkommen – und Volkert Sackmann, Rechtsanwalt und Strafverteidiger – danke, dass Sie da sind. Dass Korruption weiß Gott keine Erfindung unserer Zeit ist, ist, denke ich, klar, das zeigt ja schon das Wort selber, das aus dem Lateinischen kommt und Verdorbenheit aber auch Bestechlichkeit bedeutet. Übrigens: Im 18. Jahrhundert wurde Korruption systematisch praktiziert, Preußens König Friedrich II. bestach Minister am Hof von Kaiserin Maria Theresia und ging davon aus, dass diese ihrerseits seine Minister bestach. In den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wurde Österreich vom AKH-Skandal erschüttert und auch die späteren Begriffe wie Noricum, Buwog, Eurofighter, Hypo Alpe-Adria stehen für einschlägige Skandale, und seit 2019 gilt das wohl auch für die spanische Insel Ibiza.
*****
Es folgt eine Videoeinspielung:
Alma Zadić (Justizministerin, Die Grünen): Das Ibizavideo und die darin bekannt gewordenen Sachen und Sachverhalte haben ein Sittenbild der österreichischen Politik offenbart, das viele Menschen völlig zu Recht abgestoßen hat.
Sprecher: Der 17. Mai 2019 hat das Vertrauen in die heimische Politik erschüttert. An diesem Tag sehen Millionen Österreicherinnen und Österreicher, wie zwei FPÖ-Politiker potenziellen Unterstützern Gesetzesänderungen und andere Vorteile versprechen. Fast vier Jahre, eine Chataffäre rund um Thomas Schmid und Sebastian Kurz sowie einen ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss später soll ein strengeres Antikorruptionsgesetz Ibiza künftig unmöglich machen.
Alma Zadić: Der Mandatskauf wird jetzt strafbar. Wir haben gesehen, dass es Personen und Gruppen gibt, die versuchen, durch gekaufte Mandate ungerechtfertigt Einfluss auf die Politik zu erhalten und sich zu erkaufen. Kandidaten und Kandidatinnen, die für ein Amt kandidieren und dann Vorteile versprechen, sind jetzt auch von der Bestechung oder Bestechlichkeit mitumfasst.
Karoline Edtstadler (Verfassungsministerin, ÖVP): Mit dieser Verschärfung des Korruptionsstrafrechtes schließen wir hier eine Lücke und schaffen das strengste Antikorruptionsgesetz der Welt.
Sprecher: Für die SPÖ lässt das Gesetz aber zu wünschen übrig, es bringe nichts, wenn nicht der Wille zur Aufklärung bestünde. Für NEOS geht es nicht weit genug, und die FPÖ ist der Ansicht, dass die Verschärfungen ohnehin nur die ÖVP treffen würden. Bis dato ist Österreich jedenfalls alles andere als Weltspitze, denn im sogenannten Korruptionswahrnehmungsindex ist Österreich im Vergleich zum Vorjahr noch weiter abgerutscht. Die Liste wird von Dänemark, Finnland und Neuseeland als die am wenigsten korrupten Staaten der Welt angeführt. Dann folgen die meisten mittel- und westeuropäischen Länder, und dann erst Österreich: auf dem 22. Platz. Am Ende des Rankings stehen der Südsudan, Syrien und Somalia, die als korrupteste Länder der Welt wahrgenommen werden. Dass Österreich hinter den meisten anderen mittel- und westeuropäischen Staaten liegt, überrascht nicht.
Passant eins: Überraschen tut es mich eigentlich nicht, weil wir sind aus Kärnten zum Beispiel und wir sind es gewohnt, sei es jetzt die Hypo oder was - - Ich denke, es ist momentan sehr schwierig, in der Politik ehrliche, gerade Politiker zu finden, die sich da nicht verleiten lassen, da irgendwie korrupt zu sein oder zumindest in diese Richtung sich zu bewegen.
Passantin zwei: Es ist zu viel passiert in den letzten Jahren und leider hat es die jetzige Regierung auch nicht geschafft, ein bisschen aufzuräumen. Man sieht ja, was passiert mit Kurz und so weiter, und Grasser/Buwog ist noch immer nicht wirklich geklärt.
Passantin drei: Ich glaube einfach, dass in Österreich diese Freunderlwirtschaft vielleicht ein bisschen sehr groß ist.
Passantin vier: Ich hätte es eigentlich auch gar nicht so eingeschätzt quasi vor dem ganzen Ibizaskandal und der ganzen ÖVP-Schredderaffäre und was weiß ich, was es noch alles gab, aber wenn dann halt immer mehr so ans Licht kommt, ja, wenn halt die Leute mehr Macht wollen oder Leute schnell viel Einfluss haben wollen und sich ein bisschen kaufen lassen in gewisser Hinsicht, ist das dann - -; ja.
Sprecher: Noch im März sollen die strengeren Gesetze im Parlament beschlossen werden. Expertinnen und Experten fordern im Kampf gegen Korruption aber auch genügend Personal und Mittel für die Strafverfolgungsbehörden.
*****
GROẞ: Und genau darüber wollen wir heute reden. Und wie ich finde, kann man so eine Sendung gar nicht beginnen oder kann man in so einer Sendung nicht diskutieren, ohne natürlich auch Rudolf Kirchschläger zu zitieren, den früheren österreichischen Bundespräsidenten, der in seiner berühmten Rede zur Eröffnung der Landwirtschaftsmesse in Wels im Sommer 1980 – damals unter dem Eindruck des AKH-Skandals – Folgendes gesagt hat: „Beginnen wir also überall mit dem Trockenlegen der Sümpfe und nehmen wir – wir sind auf einer Landwirtschaftsmesse – auch gleich die sauren Wiesen dazu!“, hat er noch hinzugefügt. Frau Scharzenberger, ich möchte mit Ihnen als ÖVP-Vertreterin anfangen und Sie fragen – gleich aufbauend auf dieses Zitat –: Was glauben Sie, was würde Rudolf Kirchschläger heute sagen?
Corinna SCHARZENBERGER (ÖVP, Mitglied Justizausschuss): Zunächst einmal glaube ich, dass das effektivste Mittel zur Korruptionsbekämpfung ein gut funktionierender und starker Rechtsstaat ist. Und ich glaube, dass wir auf einem sehr guten Weg sind, mit verschiedensten Maßnahmen, die wir aktuell setzen, auch schon gesetzt haben, das Vertrauen der Bevölkerung wieder zurückzugewinnen; das Vertrauen in die Politik ist ja sehr stark gesunken – auch in Institutionen und auch in die Medien übrigens –, nicht nur in Österreich, auch in anderen Ländern. Auf die verschiedensten Maßnahmen, was wir machen, können wir vielleicht später noch konkreter eingehen, aber ich glaube, dass wir sehr deutlich zeigen, dass wir auf einem sehr guten Weg sind, um Korruption erfolgreich zu bekämpfen.
GROẞ: Das hat man ja früher auch geglaubt – da möchte ich noch anknüpfen. Und ich möchte vielleicht den folgenden Satz auch noch zitieren, den Kirchschläger damals in dieser Rede gesagt hat, der fällt nämlich immer ein bisschen unter den Tisch. Er hat gemeint: Das – was er gesagt hat, nämlich dieses Trockenlegen der Sümpfe und der sauren Wiesen gleich dazu – scheint mir „die beste Voraussetzung dafür, daß schon Versuche zu ähnlichem Tun [...]“ – wie man es etwa im AKH-Skandal erlebt hat – „in Hinkunft am trockenen Boden der Ehrlichkeit, der Unbestechlichkeit, am Hindernis einer allgemeinen Grundeinstellung des ganzen Volkes scheitern“. Warum ist der Boden denn offensichtlich nie ausgetrocknet? Warum hat man das nicht geschafft, den Boden trocken zu kriegen?
SCHARZENBERGER: Ich glaube, dass wir, auch wenn wir noch so viele strafrechtliche Maßnahmen schaffen – und wir wissen in dieser Runde alle, dass wir nie alle Lebensrealitäten abbilden können –, es immer noch jemanden gibt, der sich über diese Gesetze hinwegsetzen wird. Aber wichtig ist, dass wir zeigen, dass wir das ernst meinen und dass wir aus der Vergangenheit unsere Lehren auch ziehen – mit starken Maßnahmen, um Korruption so gut es geht in Zukunft zu verhindern.
GROẞ: Frau Tomaselli, die Grünen sind ja vor Jahrzehnten angetreten, um nicht nur die Umwelt zu retten, sondern – zunächst einmal aus der Opposition heraus – auch für politische Sauberkeit einzutreten und sich stark zu machen. Aber jetzt einmal Hand aufs Herz: Wie glaubwürdig sind Sie denn, seit bekannt geworden ist, dass Sie schon bei den Regierungsverhandlungen einen Sideletter ausverhandelt und unterzeichnet haben, in dem die Topjobs der Republik zwischen Türkis und Grün aufgeteilt wurden?
Nina TOMASELLI (Grüne, Sprecherin für Finanzen und Kontrolle): Sie haben es richtigerweise gesagt: Uns Grüne gibt es jetzt bald 40 Jahre. Und ja, wir stehen da auf zwei Füßen, der eine Fuß ist saubere Umwelt, der andere ist mindestens genauso wichtig: saubere Politik. Wir haben genau diese zwei Themenfelder lange Zeit über die Oppositionsarbeit gut vorangetrieben und können jetzt aber in der Regierung auch noch zeigen, dass wir vor allem in der Umsetzungsphase starke Fortschritte bringen. Darauf, möchte ich sagen, sind wir einmal grundsätzlich sehr, sehr stolz. Was mir aber noch wichtig ist, jetzt ergänzend zu sagen: Zu all dem, was Sie vorhin ausgeführt haben, ist mir aufgefallen, dass Sie immer sehr weit zurückgehen in der Historie, und da könnte vielleicht bei den Zuseherinnen und Zusehern der Eindruck übrig bleiben, dass es immer schon so war und dass eben alle gleich sind. Das glaube ich genau nicht. Also ich glaube, dass wir gerade in den letzten Jahren besonders viele Korruptionsmeldungen – also nicht wir, sondern eigentlich die Bevölkerung – haben verarbeiten müssen. Das bedauere ich sehr und ich wünsche mir, dass die Politik, dass wir alle zusammen auch wirklich die richtigen Lehren daraus ziehen, weil: Wie Van der Bellen, wie unser Bundespräsident beschrieben hat, geht es hier wirklich darum, dass all das, von Ibiza angefangen, aber natürlich Beinschab-Tool, weitere Korruptionsmeldungen, einzelne Wassereinbrüche in das Fundament sind. Das bedeutet, dass das Haus – und das Haus ist in dem Sinn, sagt Van der Bellen, die Demokratie – einfach vom Einsturz gefährdet ist. Der Vertrauensverlust ist wirklich dramatisch, und ich denke, dass das von allen Parteien, selbst wenn sie selber nicht in die Korruptionsfälle involviert sind, mit oberster Priorität zu verfolgen ist, dass wir dieses Vertrauen wieder zurückgewinnen.
GROẞ: Trotzdem: Verstehen Sie – ich komme noch einmal auf diesen Sideletter zurück, weil das irgendwie das beste Beispiel vielleicht auch dafür ist, dass die Grünen ja auch nicht anders als die anderen sind –, dass viele Leute das so empfinden und sagen?
TOMASELLI: Ich halte es auch für einen Fehler, dass dieser Sideletter unterschrieben worden ist, weil ich finde: Wenn wir über Vertrauensrückholaktionen reden, wie ich das jetzt ausgeführt habe, gehören auch Ehrlichkeit und Transparenz dazu, und in der Politik muss man gewisse Posten einfach besetzen. Ich glaube, das Wichtige ist, dass die Menschen wissen, dass das gute und kompetente Menschen sind und dass eben nicht Dinge wie das Parteibuch im Vordergrund stehen. Mit dieser Information kann man völlig offen umgehen und diese Wahrheit ist den Menschen, finde ich, sehr, sehr zumutbar.
GROẞ: Okay. – Übrigens, weil Sie mir vorhin gewissermaßen unterstellt haben, dass ich in der Historie immer so weit zurückgehe: Ich bin, fürchte ich, der Älteste hier in der Runde, im Vergleich zu Ihnen jedenfalls schon ein sehr alter Mann, und ich habe eben in den frühen Achtzigerjahren den AKH-Skandal und die Aufarbeitung sehr bewusst miterlebt; das hat mich gewissermaßen auch ein wenig politisch geprägt. Ich habe mir damals gedacht – vielleicht war das eine naive Annahme –, dass es so etwas nicht mehr geben wird und dass ich so etwas nicht mehr erleben werde. So kann man sich täuschen, könnte man auch sagen. Darüber reden wir heute (Abg. TOMASELLI: Stimmt, alles, was danach gekommen ist, ist noch bedeutend größer gewesen!), auch gerne über ältere Skandale und auch über neuere Skandale. Frau Yildirim, anlässlich einer Umfrageveröffentlichung über die Korruptionsanfälligkeit von Politikerinnen und Politikern haben Sie einmal gesagt – Zitat jetzt von Ihnen –: „Allein der Anschein von Korruption ist Gift für die Demokratie. Wenn die Wähler*innen den Politiker*innen nicht mehr vertrauen, sinkt auch der Glaube an das demokratische System.“ Dann haben Sie noch gesagt: „Die Beinschab-Tool-ÖVP und Ibiza-FPÖ haben dieses Vertrauen in den letzten Jahren massiv angeschlagen.“ Jetzt frage ich Sie: Machen Sie es sich da nicht ein bisschen leicht? Viele SPÖ-Politiker waren in der Vergangenheit ja auch immer wieder in Korruptionsskandale verwickelt. Und was das Beinschab-Tool betrifft, steht ja im Raum, dass es auch unter Faymann zum Beispiel zum Einsatz gekommen ist?
Selma YILDIRIM (SPÖ, Justizsprecherin): Ja, nur, dass es so nicht stimmt. Vor allem glaube ich – Sie haben zu Recht im Einspieler Ibiza erwähnt –: Da war eine Situation, die nicht strafbar war und jetzt mit März offensichtlich strafbar gemacht wird, aber alles, was danach kam, der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss – wir haben ja Gesetze, die das verbieten, was da in den vergangenen Jahren passiert ist, vor allem mit dem Projekt Ballhausplatz –, das ist natürlich das, wo ich sage, hier ist wirklich sehr viel kriminelle Energie geflossen. Daher sage ich, es wird zwar behauptet, wir haben jetzt das schärfste Korruptionsgesetz, was ich übrigens nicht glaube, aber auch das schärfste Korruptionsgesetz wird Korruption in diesem Land nicht bekämpfen können, nicht verhindern können, wenn die Instrumente nicht da sind. Mir fehlen einfach die Instrumente, mir fehlt tatsächlich der Wille, hier effektiv zu kontrollieren und auch effektive korruptionsunabhängige Korruptionsbekämpfung zu ermöglichen. Wir haben da ein bisschen etwas und in der Regel wird vom Ausland, international der Druck auf Österreich ausgeübt, hier doch etwas zu tun; und dann kommen ja die Mehrheiten hier zögerlich, Schritt für Schritt und in Wahrheit mit größten Versäumnissen überhaupt so weit. Der große Unterschied ist – ich weiß schon, dass oft behauptet wird, das ist eine Blaupause von Werner Faymann –, ich glaube es nicht, das muss man mir erst einmal beweisen. – Punkt eins. Punkt zwei: Da ist mit dem Beinschab-Tool im Untersuchungsausschuss ja auch aufgearbeitet worden, dass hier offensichtlich für parteipolitische Zwecke Steuergelder missbraucht worden sind – das wird jetzt von den Gerichten noch geklärt werden. Ich bin schon sehr gespannt auf die Verhandlungen, es gibt ja eine Kronzeugenregelung, Frau Beinschab und Thomas Schmid haben ja umfassend ausgesagt, und das wird sehr interessant werden. Und das zeigt uns: Es sind ja schon sehr viele Sachen, die passiert sind, verboten, nur verhindern hat man sie bis jetzt nicht können, und darauf kommt es an; und die Werkzeuge fehlen mir immer noch.
GROẞ: Das wäre ja eigentlich ein sehr ernüchternder und irgendwo auch pessimistischer Befund, weil sich ja dann die Frage erheben würde, wozu es jetzt neue, noch strengere Gesetze geben soll, wenn auch die dann nicht eingehalten oder vollzogen oder umgesetzt werden. Aber ich denke, darüber werden wir in der weiteren Folge noch sehr viel heute auch hören und darüber reden. Herr Stefan, die FPÖ schießt sich ja in der Korruptionsdebatte jetzt voll auf die ÖVP ein, aber ehrlich gesagt: Glauben Sie, dass die Menschen Ibiza schon vergessen haben?
Harald STEFAN (FPÖ, Justizsprecher): Ich möchte einmal überhaupt ein bisschen allgemeiner festhalten, dass ich glaube, dass wir erst einmal von einer Utopie reden, wenn wir Korruption ein für alle Mal beseitigen. Also all Ihre Zitate sind ja alle nett, aber ich glaube, alle, die das gesagt haben, haben selbst gewusst, dass es schöne Worte sind und gute Vorsätze, aber eben nicht mehr. – Das ist einmal das eine. Das Zweite ist, dass ich, glaube ich, ähnlich alt bin wie Sie und ich mich daher auch sehr gut erinnern kann, wie Österreich früher ausgeschaut hat, und dass die Korruption deutlich stärker war, nur nicht so ans Tageslicht gekommen ist. Jede Postenbesetzung war immer Rot-Schwarz, man konnte kein Schuldirektor werden, keinen Kindergarten leiten, kein was weiß ich was alles, wenn man nicht im jeweiligen Bundesland das entsprechende Parteibuch hatte und, und, und. Ich glaube, wir müssen da schon ein bisschen auch aufpassen. Wir haben jetzt eine andere Wahrnehmung. Ich möchte jetzt nichts schönreden, aber wir haben jetzt eine andere Wahrnehmung der Situation, wir haben jetzt Mobiltelefone, digitale Geräte, die gefunden werden, und haben daher mehr Einblick in Dinge, die es immer gegeben hat. Das Ibizavideo: Ja, man hat es eh selbst gesehen, das war eine Falle, die gezielt gestellt wurde, wo gezielt Fragen gestellt wurden; und dann wurde damit immerhin eine Regierung in die Luft gesprengt. Aber die Personen – also Strache ist jetzt, glaube ich, elf Mal freigesprochen worden. Jetzt müssen wir sozusagen im Nachhinein hier Straftatbestände bilden, damit man das überhaupt bestrafen kann, was da passiert ist. Also man muss schon auch ein bisschen aufpassen. – Das ist einmal das eine. Und ja, Korruption kann man hier jedem, können wir uns jetzt wechselseitig vorwerfen, da fällt mir zu jeder Partei etwas ein. Vielleicht lassen wir es auch, aber wenn Sie wollen, können wir das gerne tun, wir haben uns, glaube ich, alle vorbereitet und alle Listen da. (MARGREITER: Da bin ich sehr interessiert ...! – GROẞ: Was Sie den NEOS vorwerfen!) Ich meine die Finanzierung indirekt durch Russland, durch Deripaska, der auf der Sanktionsliste steht; Haselsteiner, der dann unmittelbar die NEOS finanziert hat. Haselsteiner hat, glaube ich, nicht weil er die beste Baufirma der Welt hat - -
GROẞ: Sie brechen jetzt Ihren eigenen Vorsatz.
STEFAN: Er hat mich darum gebeten, ich hätte es nicht gemacht. Ich lasse es, ja.
GROẞ: Grundsätzlich finde ich den Vorsatz sehr gut und kann dem viel abgewinnen, dass wir nämlich tatsächlich auch mehr darüber reden, wie wir da herauskommen und wie wir sozusagen wieder auf einen besseren Platz im Ranking nach vorne kommen.
STEFAN: Na, ich lasse es auch schon. Das tut mir leid, das war eigentlich jetzt nur, weil Sie mich provoziert haben, Herr Kollege, aber lassen wir es wirklich, wenn es recht ist. Also wir können uns da gern wirklich alle wechselseitig etwas ausrichten. Daher: Ich glaube, besonders gefährlich sind alle die Institutionen, die weit weg von den Bürgern sind, also in der Europäischen Union, aber auch NGOs und so weiter. Das sind eigentlich Einfallstore, über die wir sonst nie so reden, die sehr gefährlich sind. Was für mich das Wichtigste ist, ist in Wirklichkeit sehr wohl die Öffentlichkeit, die die Dinge aufarbeitet. Wir können noch so gute Strafgesetze machen und weiß Gott was alles, letztendlich kommt es durch die Öffentlichkeit, durch die Medien, aber auch durch die Kontrolle, durch die anderen Personen hervor, und das ist, glaube ich, das Wichtigste. Wir können ja dann nachher über die Straftatbestände reden, dann werden wir draufkommen, dass die auch sehr unklar sind. Gefährlich ist aber auch die Übertreibung, also wenn wir jetzt behaupten, das ist das schärfste Korruptionsstrafrecht der Welt. Ich glaube, das führt bereits wieder dazu, dass sich jeder denkt: Mein Gott, sie übertreiben schon wieder, wie unglaubwürdig ist das! – Also vielleicht sollten wir da ein bissel lockerer bleiben. Vielleicht sollten wir auch mit diesen Postenbesetzungen ein bisschen offener umgehen. Also die Grünen sagen es ja, ich meine, Sie haben es eigentlich eh ganz richtig gesagt, es sollen gute Leute dorthin kommen, aber wir sollen nicht so tun, als wäre das vorher nie passiert. Das war immer so. Warum sollten wir nicht einmal offener damit umgehen, dass Aufsichtsräte neu besetzt werden, wenn die Regierungen wechseln oder wenn sie zur Besetzung anstehen? – Freunderlwirtschaft ist ein böses Wort, aber das ist auch etwas völlig Natürliches, dass man sich vertraute Personen um sich hält. Es ist verlogen, zu behaupten, das würde man nicht tun, das tut jeder Manager in seinem Unternehmen, da ist Loyalität auch ein Wert. Also ich würde da ein bisschen aufpassen. Natürlich, Korruption ist ein Riesenproblem, es gibt viele Bereiche - -
GROẞ: Auch was das Thema Freunderlwirtschaft betrifft, muss man natürlich schon sagen: Schönreden darf man es, glaube ich, auch nicht. (STEFAN: Nein, nein, es geht mir nicht darum!) Wenn es wirklich um Nepotismus geht, dann ist das schon wieder eine andere Sache. (STEFAN: Ich will nur da ein bisschen die Balance reinbringen!) Aber dass wir das durchaus differenziert sehen, da bin ich sehr dafür. Herr Margreiter, als NEOS-Politiker können Sie ja – bis jetzt zumindest hätte ich das gedacht – am unbefangensten mit dem Thema umgehen, weil Sie zumindest auf Bundeseben noch keiner Regierung angehört haben. Aber können Sie ausschließen, dass irgendwann einmal ein NEOS-Skandal in Wien oder in Salzburg aufpoppt?
Johannes MARGREITER (NEOS, Justizsprecher): Das kann man nie ausschließen. Solange Menschen am Werk sind, werden wir uns mit dem Problem zu beschäftigen haben. Und das ist auch genau meine Stoßrichtung, in die ich die Diskussion überleiten will. Ich knüpfe bei der Eingangsfrage an: das Sprachbild, das der seinerzeitige Bundespräsident Kirchschläger verwendet hat. Ja, Sprachbilder unterliegen auch einem zeitlichen Wandel, ich bin überzeugt, er würde es heute nicht mehr verwenden, weil es eigentlich - -
GROẞ: Vielleicht war es eben der Landwirtschaftsmesse geschuldet, nicht?
MARGREITER: Ja, aber heute wissen wir, dass es gut ist, Sümpfe zu haben, saure Wiesen zu haben, also noch Biotope zu haben, da stimmt das Sprachbild vielleicht nicht mehr so ganz. Da hat Herr Bundespräsident Van der Bellen mit dem „Wasserschaden“ vielleicht ein aktuelleres gewählt. Ich will auch mit einem Sprachbild in die Materie einsteigen, und zwar dahin gehend, dass ich glaube, wir wissen: Korruption richtet Schaden an, das haben wir bei diesem Ranking gesehen. Die Länder, die ganz hinten sind, sind wirtschaftlich schwach, die sind von der Lebensqualität her so beschaffen, dass wir dorthin sicher nicht auf Urlaub fahren wollen. Korruption ist also wirklich etwas, was ein Staatswesen, ein Gemeinwesen, wenn man es als Organismus begreift, wirklich befällt wie eine Krankheit. Und da kann man schon auf ein sehr aktuelles Sprachbild zurückgreifen: der Virus der Korruption. Wie bekämpfen wir den? Ich bin überzeugt davon, dass es natürlich auch notwendig ist, dass man, wenn einmal die Symptome da sind, die bekämpft, und das wäre etwa das Strafrecht, aber es ist eine große Illusion und eine große Fehlleitung des Ganzen, wenn man glaubt, mit höheren Strafdrohungen und mit irgendeiner sensationellen Ansage – von wegen bestes oder strengstes Korruptionsstrafrecht der Welt – da irgendetwas zu bewegen. Das muss viel früher beginnen. Wir müssen bei unserer Gesellschaft beginnen. Und da müssen wir uns in Österreich – angesichts dessen, dass wir nicht nur auf Platz 22 liegen, sondern man muss ja auch die Tendenz sagen: wir sind in den letzten Jahren zurückgefallen – wirklich sehr, sehr anstrengen, und zwar alle, die Politik, die Zivilgesellschaft, alle, weil wir alle von der Korruption betroffen sind. Es hat – in meiner Zeit, also beruflich, ich bin seit 37 Jahren als Anwalt tätig – früher relativ problemlos und selbstverständlich funktioniert, dass man, was weiß ich, Grundbuchsgesuche mit sogenannten blauen Beilagen verbessert hat, damit sie ohne Weiteres bewilligt werden. Das ist heute undenkbar. Es ist heute auch undenkbar, dass man dem Polizisten, wie es früher anscheinend auch üblich war, einmal einen Hunderter anbietet: Lassen wir es dabei bewenden! (GROẞ: Im Führerschein, nicht, wenn man den - -!) – Ja genau. Bei dieser Kleinkorruption haben wir schon viel weitergebracht durch die Digitalisierung. Jeder Zugriff auf eine Datenrecherche wird protokolliert, da ist schon sehr viel Transparenz möglich. Aber trotzdem haben wir, glaube ich, in Österreich schon noch sehr weit verbreitet ein Bewusstsein, so: Ja, ich kenne da einen Politiker, den frage ich, ob er mir beim Job hilft, ob er mir bei der Wohnung hilft! – Und das ist meines Erachtens - - Da werden wir uns in dieser Runde irgendwie ein bissel drauf einigen müssen, dass wir Sprachregeln festlegen: Was verstehen wir unter Korruption? Was Kollege Stefan da in Richtung NEOS gesagt hat, das hat mit Korruption überhaupt nichts zu tun. Das ist ganz normal, wie es früher nach den alten Rechtsvorschriften möglich war, Parteienfinanzierung – höchst legal, höchst transparent, da gibt es überhaupt nichts zu bemäkeln. Also da NEOS jetzt irgendwie anschütten zu wollen, das wird nicht funktionieren. Was ich aber trotzdem sage: Schauen wir nicht nur zurück, sondern schauen wir in die Zukunft! Wir haben eine Riesenanstrengung vor uns. Ich persönlich habe Glück. Ich bin ein sehr gesunder Mensch, aber ich glaube, dass das damit zu tun hat, dass ich mich auch anstrenge. Ich mache am Wochenende immer meine Höhenmeter, viel Bewegung, und bin sehr glücklich darüber, dass ich kaum Medikamente brauche. Ich glaube, wir müssen die Höhenmeter der Korruptionsbekämpfung machen, und zwar präventiv, dass wir die Gesellschaft viel mehr darauf einstimmen müssen, wie schädlich Korruption ist. Wir wissen, ungefähr 15 Milliarden Euro Schaden, also 3,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, richtet Korruption an. Wir haben also alle Anlass, schon sehr früh anzufangen, Bewusstsein zu schaffen, sehr viele Stellschrauben zu drehen, ganz zum Schluss kommt erst das Strafrecht. Es geht vorher darum: Amtszeitenbeschränkung, Informationsfreiheitsgesetz, noch mehr Transparenz. Es fängt auf Gemeindeebene an, wenn man heute den Bürgermeister einlädt, damit man eine Widmung bekommt – all diese Dinge. Da kann man sehr viel machen, wenn man auf allen Ebenen Bewusstsein schafft, und vor allem das Bewusstsein abschafft: Ich kann mir es richten, weil ich jemanden kenne.
GROẞ: Vielleicht kommen wir darauf ja noch einmal zurück, aber weil Sie die Frage auch gestellt haben beziehungsweise das Thema der Definition von Korruption jetzt auch ins Spiel gebracht haben: Vielleicht sollten wir das an dem Punkt jetzt zumindest versuchen, mit unseren beiden Experten beziehungsweise mit unserer Expertin und unserem Experten. Ich darf noch einmal herzlich begrüßen und vorstellen: Frau Mag.a Bettina Knötzl von Transparency International, Präsidentin des Beirates hier in Österreich. Sie ist Rechtsanwältin von Beruf und Partnerin in einer Kanzlei mit Schwerpunkt Wirtschaftskriminalität, Sicherstellung von Vermögenswerten, Anlegerschutz und Haftungsrecht, Compliancethemen, Antikorruptionsrecht – ich zähle das nur deshalb auf, weil es einfach auch zeigen soll, dass Sie sozusagen im Thema voll drinnen sind. Und ich glaube, Sie sind auch noch Vizepräsidentin der Anwaltskammer in Wien, oder?
Bettina KNÖTZL (Transparency International Austria): Das ist richtig, ja.
GROẞ: Frau Knötzl, vielleicht einmal ganz kurz zu Transparency International: Wie definiert eigentlich Transparency International Korruption? Da gibt es ja unterschiedliche Zugänge.
KNÖTZL: Guten Abend! Es ist richtig, es gibt sehr viele Definitionen von Korruption, bis zu 84, wenn man jetzt rasch einmal das Internet befragt. Wir verstehen ganz grundsätzlich darunter: eine Vorteilszuwendung oder die Vorteilsannahme, und dafür tut man dann etwas. Das kann aber auch noch ein Stückchen drunter sein, wie beispielsweise im Bereich des Anfütterns, wie wir es landläufig bezeichnen, wo nur regelmäßig Vorteile gegeben werden, damit man sich Wohlwollen erkauft. Das ist einmal grundsätzlich die Definition von Korruption. Es wird ein Vorteil angeboten oder eben genommen, je nachdem auf welcher Seite, und dafür entweder auch etwas Rechtmäßiges oder etwas Unrechtmäßiges getan. Wenn es etwas Unrechtmäßiges ist, dann ist es eben die Bestechung und die Bestechlichkeit – als das Begriffspaar, das das Strafgesetzbuch kennt. Im Strafgesetzbuch selbst finden Sie keine Definition von Korruption, wir verstehen nur sozusagen diese Dinge darunter. Insgesamt weltweit wird auch mehr darunter verstanden. Es kommen dann auch noch Tatbestände dazu, wie beispielsweise die verbotene Intervention, das ist auch ein Korruptionsdelikt. Es ist dann eben auch die Frage: Zähle ich Amtsmissbrauch in gewissen Bereichen auch dazu? Also das kann schon durchaus ausufern. Grundsätzlich geht es immer darum: sich auf unrechtmäßige Weise einen Vorteil zu verschaffen.
GROẞ: Und wie kommt Transparency International jetzt zu diesem Ranking, über das wir heute schon so viel gesprochen haben, und wie kommt es zu diesem Platz 22, über den in den letzten Wochen auch sehr viel gesprochen und berichtet worden ist? Wie sind wir da so weit abgerutscht? Warum liegen wir so weit weg von Dänemark? Und was sind da eigentlich die Kriterien? Ist das objektiv?
KNÖTZL: Dieser Wahrnehmungsindex ist natürlich ein Wahrnehmungsindex, das heißt, was die einzelnen Befragten, und das sind ganz viele, an Korruption wahrnehmen – an Schwachstellen im Staatssystem oder auch an Dingen, die gut funktionieren, also auch dafür bekommt man eben Punkte. Grundsätzlich werden 13 Datenquellen herangezogen, da sind World Economic Forum, World Bank, Bertelsmann-Stiftung und so weiter dabei – weltweit, sehr objektiv, jedes Jahr im Grunde genommen die gleichen Datenquellen. Daher sind auch die Veränderungen so spannend und aussagekräftig. Und dieses Abrutschen in diesem Jahr von 13 auf 22: Niemanden hat das überrascht, wen immer Sie fragen. Ja selbstverständlich, mit all den Skandalen, die öffentlich auch zur Schau getragen werden, wundert es uns nicht, dass wir da abgerutscht sind. Das mag aber auch ein Zeichen sein, dass etwas getan wird, und das ist ja auch ein gutes Zeichen. Man muss nicht alles kritisieren. Es gibt beispielsweise auch eine Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die tätig ist, die gab es vor Jahren noch nicht.
GROẞ: Das wollte ich Sie nämlich fragen, ob nicht letztlich dieses Gesamtbild auch dadurch verzerrt wird, dass es Staaten gibt, in denen Korruption vielleicht nicht so gründlich verfolgt wird und daher weniger Skandale aufgedeckt werden. Das wäre ja dann quasi unfair und irgendwie eben wie gesagt ein Zerrbild.
KNÖTZL: Da haben Sie recht. Da es ein Wahrnehmungsindex ist, kann es Unschärfen geben, daher sind auch sozusagen die Veränderungen sehr spannend, aber ganz grundsätzlich sehen wir einen ganz deutlichen Zusammenhang. Und es gibt jetzt auch schon eine Antwort auf die Frage, die hier so im Raum steht: Wie können wir etwas verändern? – Darum geht es uns ja: dass jene Länder, die Transparenz leben, vorne liegen. Wir brauchen unbedingt einen Kulturwandel. Wir müssen uns von der heiligen Kuh des Amtsgeheimnisses verabschieden. Wir brauchen bitte ein Informationsfreiheitsgesetz. Wie lange liegt das schon in der Schublade? – Es darf dann niemanden wundern, dass letztendlich im Wahrnehmungsindex dieses In-der-Schublade-Liegen auch abgestraft wird, und es wird wirklich höchst an der Zeit, dass diese Gesetze, die da im Raum herumschwirren, auch wirklich endlich gemacht werden. Wenngleich ich mit allen übereinstimme: Alleine ein Strafrecht, alleine die Gesetze, die sind es nicht. Wir brauchen wirklich auch einen Gesellschaftswandel. Wir brauchen das im Ethikunterricht ganz stark unterrichtet. Es ist also viel mehr, was wir noch brauchen, aber vor allem eben die Transparenz und die Transparenz in der Verwaltung. Zum Beispiel: Warum kann das nicht transparent sein, wie genau dieser Posten besetzt wird, wer sich da beworben hat und aus welchen Kriterien ich jetzt diesen Bewerber ausgewählt habe?
GROẞ: Vielen Dank fürs Erste. Weil Sie das jetzt angesprochen haben, das Informationsfreiheitsgesetz beziehungsweise Abschaffung des Amtsgeheimnisses: Lassen Sie mich, bevor ich zu Herrn Sackmann noch komme, einmal in die Runde fragen: Warum ist es denn tatsächlich so schwierig, das umzusetzen? – Da hört man dann immer als, ich weiß nicht, Begründung, vielleicht aber auch als Ausrede: weil dann die Gemeinden überlastet wären zum Beispiel und weil die so wenig Personal haben und dann mit diesen vielen Anfragen vielleicht nicht zurechtkommen. – Bitte sehr.
SCHARZENBERGER: Wir dürfen nicht vergessen, beim Informationsfreiheitsgesetz schaffen wir einen Paradigmenwechsel, also wir schaffen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Information. Jetzt ist mir schon bewusst, die Begutachtungsfrist des Informationsfreiheitsgesetztes ist schon abgelaufen, und es ist immer die Frage: Wann kommt das denn endlich? – Den einen geht es zu schnell, den anderen dauert es zu lang. Die Frage ist: Wie schaffen wir eine praktikable Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes und zwar so, dass wir die Verwaltung nicht am Arbeiten hindern und dass wir die Verwaltung nicht lähmen? – Es muss praktikabel sein und umsetzbar sein, und bei so einem großen Schritt, den wir – und da sind wir wieder beim Ernstmeinen – setzen, muss es einfach so gestaltet sein, dass es auch in der Praxis definitiv anwendbar ist und dass es uns dann in diesem Index sozusagen auch stärkt. Lassen Sie mich aber zu diesem Index noch etwas sagen, weil Sie gesagt haben, es ist auch ein Wahrnehmungsindex: Also der Wahrnehmungsindex ist jetzt nicht das Maß aller Dinge, aber gewissermaßen wundert mich das nicht, dass wir in diesem Index auch abgerutscht sind, wenn wir das ganze letzte Jahr – jetzt komme ich das erste Mal auf den Untersuchungsausschuss zu sprechen – immer nur von Korruptionsfällen auch in den Medien lesen. Ich glaube, es war Peter Lewisch, der im Justizausschussexpertenhearing gesagt hat: Korruptionsfälle sind immer Verdachtsfälle. – Zitatende. Wir haben eben das ganze letzte Jahr die Zeitungen, die Medienberichte immer mit solchen – sozusagen – Verdachtsfällen gefüllt gesehen, dass eben wieder einmal irgendetwas im Raum steht, und wir wissen alle, wie wir es formulieren müssen, dass wir uns nicht strafrechtlich verantwortbar machen. Insofern ist dieser Wahrnehmungsindex quasi darauf zurückzuführen, dass man eben ständig davon hört, dass wieder etwas im Raum steht. Ich möchte das aber – weil ich weiß, dass Sie darauf reagieren werden – strikt davon trennen, dass ich definitiv auch sage, dass Fehler passiert sind, die wir natürlich reparieren müssen, mit eben genau solchen Maßnahmen, mit genau solchen Instrumenten, um in Zukunft solche Dinge auch zu vermeiden.
GROẞ: Gibt es zum Thema Informationsfreiheitsgesetz noch - - (YILDIRIM: Ja!) – Ja, bitte.
YILDIRIM: Ich würde schon gern sagen, dieses Informationsfreiheitsgesetz war ja schon 2016 paktiert, und es war kurz vor Beschlussfassung. Nur hat Sebastian Kurz natürlich die Regierung gesprengt und dann ist es wieder fünf Jahre, jetzt bald eben sechs Jahre liegen geblieben. Aber – Verzeihung – das kann es wohl nicht sein, dass wir jetzt wirklich dieses Zurückfallen im Korruptionsindex alleine damit begründen, dass wir so über Korruption reden. Also das ist das, was mich schon im Justizausschuss geärgert hat und was jetzt mittlerweile als Erzählung weitergeht. Selbstverständlich werden auch objektive Kriterien geprüft, wie zum Beispiel im Rahmen der Justiz mit dieser Weisungsbefugnis der politischen Ressortleitung et cetera. Es gibt schon mehrere Indizes, in denen das ganz klar unterschieden wird, wo das Land liegt. Ich kann auch, mit Verlaub, dieser Argumentation nicht ganz folgen, dass das, quasi weil wir so starke Instrumente haben, auch stärker gemessen wird. Da sind eine Reihe von Ländern dabei, in denen es überhaupt keine Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen gibt, die aber zu Recht in dieser Aufzählung ganz unten sind. Also ganz so ist es nicht. Und: Bitte machen wir hier nicht den Fehler und reden wir das schön oder reden wir es weg! Das wäre ganz fatal, wenn wir hier das Thema nicht ernsthaft angehen und jetzt so tun: Wir schauen international nicht gut aus, weil wir jetzt öfters darüber reden. – Nein. Das Land hat viele, viele Schwächen, und insbesondere auch jetzt im ÖVP-Untersuchungsausschuss ist ganz klar herausgekommen, dass bewusst gesetzliche Bestimmungen einfach entweder unrechtmäßig mehr oder weniger umgedeutet worden sind oder sogar höchstwahrscheinlich übertreten worden sind. Und diesen Vorgang muss man schon sehr ernsthaft angehen. Ich bin auch nicht der Meinung, dass Freunderlwirtschaft etwas Harmloses ist. Jetzt können Sie sagen: Na, die SPÖ kann gerade reden!, und dann werden Sie mir vielleicht 20 Beispiele nennen. Was interessiert mich als Politikerin innerhalb der SPÖ 2023 das, was vor 30 Jahren oder vor 40 Jahren war oder was irgendein SPÖler gemacht hat? Wir sind heute hier und sind aufgefordert, da bessere Regelungen zu schaffen, und in die Zukunft hinein. Und ich finde es auch fatal, zu vernebeln, indem wir uns alle mit Anschuldigungen bewerfen, weil das natürlich dazu geführt hat, dass das Interesse an der beziehungsweise besser gesagt das Vertrauen in die Politik so im Sinkflug ist, dass es uns wirklich auch berechtigterweise im Demokratieindex und im Rechtsstaatlichkeitsindex herunterzieht. Also wir haben viele Baustellen, und das ist nicht so, weil wir darüber reden, sondern weil es diese Baustellen gibt.
GROẞ: Herr Stefan, bitte.
STEFAN: Also ich lasse es jetzt. Ich habe nicht von der Vergangenheit gesprochen, sondern auch von der Gegenwart. Zum Beispiel aber, das Sie gerade gebracht haben: Man will bei einer Bewerbung wissen, warum genau der genommen worden ist und nicht die andere. Das wollen Sie transparent sehen. Glauben Sie, dass diejenigen, die hier nicht genommen wurden, das transparent sehen wollen, dass Sie irgendwo abgelehnt wurden? Also man muss aufpassen. Genau dort fängt dann die Diskussion an: bei Subventionen, die abgelehnt wurden, da wollten die Ansuchenden unter Umständen nicht, dass das gezeigt wird. Es ist nicht so einfach, wie wir tun, deswegen gibt es die Diskussionen auch schon so lange. Ich glaube, auch die SPÖ hat damals - - Wir haben gemeinsam alle verhandelt und es sind immer wieder im Detail dann Dinge hervorgekommen, dass man aufpassen muss, dass etwa Aktiengesellschaften mit staatlicher Beteiligung, wenn die transparent sind, dann am Markt Probleme und einen Wettbewerbsnachteil haben. Also mit Verlaub: So einfach, wie Sie es jetzt sagen, ist es nicht. Das klingt immer so: Na, machen wir halt Transparenz! Transparenz hat aber so viele Hürden, und das es ist, ja: Wenn man zu viele Ausnahmen macht, bringt sie gar nichts, wenn man zu wenige Ausnahmen macht, hast man das, dass man Leute eigentlich vor die Öffentlichkeit zerrt, die das vielleicht nicht wollen, sich dann vielleicht nur noch der bewirbt, der schon weiß, dass er es wird. Wie gesagt: So einfach ist es nicht. Ich glaube, alle wollen Transparenz, aber es wird eben schon so lange darüber diskutiert, weil wir da eben nicht auf einen grünen Zweig gekommen sind.
GROẞ: Dürfen wir an der Stelle vielleicht gleich – das ist eine gute Gelegenheit – Mag. Sackmann hereinholen. Ich darf ihn der guten Ordnung halber noch einmal vorstellen, weil es mit seinen bisherigen Stationen in seiner Biografie wichtig ist. Er ist selbstständiger Rechtsanwalt, seit 2018, war aber davor, von 2011 bis 2016, Leiter einer staatsanwaltschaftlichen Gruppe der Staatsanwaltschaft Wien, hat sich dort als Leiter von Ermittlungen, Anklageerhebung und Anklagevertretung vor Gericht im Bereich des Wirtschaftsrechtes verdient gemacht. Da ging es vor allem um Betrug, Untreue, Korruption, Abgabenhinterziehung und alles, was da so dazugehört. Meine Frage jetzt gleich zu Beginn, bevor Sie dann reagieren: Warum haben Sie eigentlich die Seiten gewechselt? In der Staatsanwaltschaft hätten Sie ja eigentlich genug zu tun gehabt, oder?
Volkert SACKMANN (Strafverteidiger): Ja, natürlich habe ich dort genug zu tun gehabt. Ich kann es Ihnen auch ganz offen beantworten: Es ist wegen der Zweiklassenjustiz, die ich nicht mittragen wollte.
GROẞ: Heißt was, Zweiklassenjustiz?
SACKMANN: Das heißt, dass jeder x-beliebige Ladendieb oder ein Hendldieb, wenn wir es untechnisch ansprechen wollen, sofort eingesperrt wird – sicherheitshalber, damit er nicht fliehen kann – und in Haft auf seine Hauptverhandlung wartet. Keiner interessiert sich für ihn. Auf der anderen Seite, bei irgendjemanden, der vielleicht einen hohen Politiker – da wir gerade von Freunderlwirtschaft geredet haben – kennt: Na ja, dann wird einmal ein Vorhabensbericht gemacht, dann wird einmal berichtet, dass der Akt überhaupt angefallen ist, dann werden die Oberbehörden informiert, und jeder gibt seinen Senf dazu. Und ich sehe eigentlich nicht ein, dass wir in Österreich, wo wir von Gleichheit reden oder von Gleichheit reden sollten, die Menschen unterschiedlich behandeln.
GROẞ: Das heißt, man kann es sich in Österreich, wenn man einen Namen hat, wenn man entsprechend prominent ist, richten?
SACKMANN: Ich bin mir nicht einmal sicher, ob das die Leute überhaupt wollen, dass, nur weil sie einen Namen haben, dann dieses ganze Procedere, das ganze Brimborium ausgelöst wird. Ich bin mir gar nicht sicher, dass die das wollen. Ich glaube auch nicht, dass sie es sich unbedingt damit richten können, aber warum wird da bei einer Person mit sechs Augenpaaren hingeschaut, wie dieser Akt zu behandeln ist, ohne überhaupt die unabhängigen Gerichte mit ins Boot zu nehmen? Also das läuft alles noch ab, bevor die Gerichte überhaupt das erste Mal entscheiden, ob das Ermittlungsverfahren zu Recht eingeleitet worden ist, ob ein Einspruch wegen Rechtsverletzung zu Recht erfolgt ist oder so. Nein, das geht einmal alles hinauf, bis hinauf ins Ministerium, und jeder gibt seinen Senf dazu. Warum ist das so? Sollten wir nicht vor dem Gesetz alle gleich sein? Warum lassen wir die Staatsanwälte nicht einfach bis zum Ende ermitteln, und dann wird der Bericht gelegt: Das haben wir herausgefunden!, und bis dorthin genießt man genügend Schutz durch die Justiz, also durch die unabhängige Rechtsprechung. Entweder wir schaffen das Weisungsrecht ab, ich weiß, da bin ich, glaube ich, jetzt der Alleinige hier in der Runde – vielleicht Sie noch –, aber grundsätzlich sehe ich das schon als veritables Problem in der Justiz an.
GROẞ: Wollen wir gleich über das Weisungsrecht reden, weil Sie es jetzt auf den Tisch gelegt haben?
SACKMANN: Eines möchte ich noch zu dem Vorigen sagen: Das ist für mich kein Argument, zu sagen, es ist kompliziert, ob man dann etwas ausnimmt oder nicht und etwas öffentlich macht oder nicht. Beim Status quo zu verbleiben kann es auch nicht sein. Wir reden wirklich schon viel zu lange darüber. Wir haben im Vorfeld telefoniert, ich glaube, da haben Sie gesagt, es hätte schon im Jahr 1950 die ersten Entwürfe gegeben, wie man die Verwaltung reformieren kann. Ja, es wäre an der Zeit, dass wir einmal anfangen damit – 70 Jahre später. Wenn man im Dok-Film sieht, dass man sich in Schweden über einen Anruf oder einfach so die Spesenabrechnung der letzten Monate eines Innenministers herausholen kann, dann finde ich das grandios. Und ein Satz noch dazu: Wenn das Ganze so transparent wäre, würde es auch – Entschuldigung! – Politiker davon abhalten, a) etwas zu schreiben, b) irgendwelche Spesen irgendwo reinzunehmen. Es wäre einfach, wenn der Politiker oder derjenige, der einen Topf zur Verfügung hat, weiß, da kann jederzeit jeder anfragen und nachschauen. Ich weiß nicht, ob da dann noch hineingegriffen wird.
GROẞ: Jetzt muss ich Sie aber trotzdem noch fragen, weil wir vorhin über diesen Platz 22 im Transparency-International-Ranking gesprochen haben: Wenn ich Ihnen zuhöre, dann hätte ich den Eindruck, dass in Ihrer persönlichen Wahrnehmung Österreich noch schlechter liegt als auf Platz 22.
SACKMANN: Das ist meine persönliche Wahrnehmung.
GROẞ: Ist das so? Also wo würden Sie Österreich dann ungefähr verorten?
SACKMANN: Ich will es jetzt mit keinem Platz festmachen. Ich denke mir nur, wir sind derart intransparent, dass wir gut weiter hinter liegen könnten. Man darf ja nicht vergessen: Auch wenn das Gesetz jetzt irgendwie als das Schärfste der Welt glorifiziert wird, werden wir damit die Möglichkeit eines Kabinettsmitarbeiters, der seine eigene Behörde neu ausschreibt und die eigenen Bewerbungsbedingungen festlegt, nicht aus der Welt schaffen. Das kann man nur mit Transparenz und wenn man das öffentlich macht. Und ja, wenn jemand rennt für so einen Job, dann hat er auch damit zu rechnen, dass eben nachher drinnen steht: Tut mir leid, du bist es nicht geworden, denn du hast da nicht entsprochen. Aber ich muss auch als Außenstehender, als Österreicher vorher wissen: Warum kommen die überhaupt zu diesen Kriterien? Wie kommen die dazu, jemanden dort hinsetzen zu wollen, der diese Kriterien erfüllt?
GROẞ: Wir haben schon viel angesprochen, es ist sehr vieles möglicherweise auch nicht ganz verständlich für alle unsere Zuschauerinnen und Zuschauer. Vielleicht sollten wir das eine oder andere jetzt auch erklären, nämlich vor allem dieses Thema mit dem Weisungsrecht. – Können Sie, Frau Knötzl, uns da einmal helfen?
KNÖTZL: Also wir haben das Thema, dass uns laufend von außen gesagt wird, was wir tun müssen, damit wir weniger korrupt wahrgenommen werden. Und eines dieser Dinge hier, das schon lange eine Forderung von Transparency International ist, ist das Unabhängigstellen der Weisungskette, möglichst weg von der Parteipolitik. Dass es eine Überprüfung geben muss, eine Dienstaufsicht innerhalb der Staatsanwaltschaft, wird niemand bestreiten wollen. Dass es einen Einfluss einer Parteipolitik – und das ist nun einmal ein Minister, der steht nun einmal mitten in der Parteipolitik – geben muss, ist dagegen etwas, was abgeschafft gehört. Und daher brauchen wir hier, wenn es schon überhaupt sozusagen diesen Weisungszug geben muss, jedenfalls eine Unabhängigkeit. Also das ist eine ganz wichtige Forderung.
GROẞ: Das heißt, dass es schlicht und ergreifend nicht mehr Minister oder Ministerin ist - -
KNÖTZL: Dass es nicht mehr zum Minister geht, sondern zu einer Weisungsspitze, die von der Parteipolitik losgelöst ist und von dem – unter Anführungszeichen – „Verdacht“ sozusagen der Einflussnahme daher auch losgelöst ist. Das dient einfach auch schon dem sauberen Ansehen. Ich möchte noch, weil es mir auf der Zunge brennt, ganz kurz dazusagen: Transparenz hat einfach wirklich diesen großen Vorteil, dass es schon vorauseilenden Gehorsam schafft. Wenn man weiß, das kann morgen in der Zeitung stehen, dann hat das einen Einfluss auf das eigene Verhalten. Und wir sehen in anderen europäischen Staaten, die insbesondere in dieser Wahrnehmungsliste zu Recht an den Spitzenplätzen liegen, dass das Mittel gegen die Krankheit, gegen den Virus, gegen den Krebs Korruption eben genau die Transparenz ist. Wenn man weiß, dass man sich diese Spesenabrechnung besorgen kann beziehungsweise werden die Dinge sinnvollerweise bereits im Internet veröffentlicht, dann zeugt das einfach schon für eine ganz integre Haltung in der Verwaltung. Wir wollen halt diese möglichst gläserne Verwaltung – nicht den gläsernen Bürger, aber die gläserne Verwaltung – und da muss eine große Anstrengung her, damit wir das schaffen. Was diesen Wahrnehmungsindex anlangt, sei noch einmal gesagt: Der schaut sich ganz viele Bereiche an. Der schaut sich die Justiz, die Unabhängigkeit an. Der schaut sich an, wie werden die Posten besetzt. All diese Dinge werden analysiert. Und in der Transparenz ist Österreich wirklich schlecht und weit hinten. Wir sind das Schlusslicht in Europa.
GROẞ: Transparenz ist das eine, ich glaube, das steht jetzt einmal fest, darüber haben wir auch schon gesprochen. Das Zweite ist eben das Thema der Unabhängigkeit der Justiz. Wir haben über das Thema Weisungsfreiheit beziehungsweise Unabhängigkeit gesprochen, und da gibt es ja jetzt ein Modell eines Generalstaatsanwalts oder einer Generalstaatsanwaltschaft. Das können Sie aber besser erklären. Vielleicht ist es ja ohnedies etwas, was Sie dazu sagen wollten, Frau Tomaselli. Ich hoffe es zumindest.
TOMASELLI (erheitert): Na, ich rede ja auch so gern über Transparenz, also natürlich. Was der Wunsch nach einem Informationsfreiheitsgesetz und einem unabhängigen Generalstaatsanwalt oder einer unabhängigen Generalstaatsanwältin tatsächlich gemeinsam haben, ist: Die politische Diskussion dauert sicher in etwa gleich lange, und ich finde, wir haben einfach keine Zeit mehr. So lange bin ich auch noch nicht in der Politik, aber die Diskussion über die Informationsfreiheit begleitet mich mein komplettes politisches Leben lang. Ich kann Ihnen auch sagen, wo ich das erste Mal quasi an die Decke gestoßen bin: Da war ich Gemeinderätin, und da ist es genau um diese Auseinandersetzung mit der Gemeinde gegangen: Dass ich für meine politische Arbeit – meine ehrenamtliche politische Arbeit vor Ort! – Informationen gebraucht habe, und alles, was ich eingefordert habe gegenüber der Gemeinde, wurde fast schon als Querulantentum abgestempelt. Und so geht es, bitte, Tausenden Gemeinderätinnen und Gemeinderäten da draußen, weil das stimmt: Transparenz ist quasi ein gutes Präventionsmittel, aber es definiert auch das Verhältnis zwischen Staat und Bürger und Bürgerin komplett neu, und das brauchen wir so dringend wie noch nie. Im Übrigen finde ich, dass auch wir heute in dieser Diskussionsrunde gerne einmal verniedlichende Begriffe verwendet haben, die sich eigentlich überhaupt nicht anstehen: Dinge wie Freunderlwirtschaft; oder wenn es um Interventionen für Posten und so geht, sagt man gern: Na, das ist ja keine Intervention, das ist ein Bürgeranliegen, das ich mitnehme. Das Problem dabei ist, und ich glaube, dass man das auf den Punkt bringen muss: Wenn jemand das Vorsehen hat, hat jemand anderer das Nachsehen – und wie kommt die andere Person dazu? Ich finde, die Verwaltung hat nur das Beste vom Besten verdient, die gehört a) in die Auslage, das ist diese Informationsfreiheit, aber wir brauchen auch die besten Köpfe, und die besten Köpfe verscheuchen wir mit diesen Vorgehensweisen, denn – nochmals; ich bringe es ganz simpel auf einen Satz herunter –: Jeder von uns möchte doch bitte vom besten Chirurgen operiert werden und nicht von dem, der den Bürgermeister kennt.
GROẞ: Auch wenn ich mir jetzt wieder den Vorwurf gefallen lassen muss, dass Kirchschläger vielleicht schon ein bisschen aus der Zeit gefallen ist mit seinen Zitaten, aber weil es so gut zu dem passt, was Sie vorhin gesagt haben: Kirchschläger hat auch in dieser berühmten Rede gesagt: „Wir haben in einer für den moralischen Zustand unseres Volkes gefährlichen Weise uns daran gewöhnt, manchen Delikten das Wort ,Kavalier‘ voranzusetzen und haben damit vergessen gemacht, daß sie trotzdem Delikte bleiben.“ Ich möchte jetzt aber zu diesem Generalstaatsanwalt oder zur Generalstaatsanwaltschaft kommen. Dieses Modell, das jetzt im Raum steht und diskutiert wird. Wer könnte uns denn jetzt einfach einmal erklären, wie das tatsächlich ausschauen soll? Wenn ich es richtig verstanden habe, soll das bei der Generalprokuratur angesiedelt sein und ein Dreiersenat oder mehrere Dreiersenate sein. Wer kann etwas dazu sagen? – Herr Margreiter, bitte.
MARGREITER: Es geht darum, dass die Staatsanwaltschaften berichtspflichtig sind und bestimmte Fälle eben im Wege der Oberstaatsanwaltschaft im Ministerium landen. Wir reden von derzeit circa 400 Fällen pro Jahr. Die sollen dann künftig nicht mehr letztlich von einer politischen Stelle, sprich der Justizministerin, entschieden werden – diese Vorhabensberichte, die da unterbreitet werden –, sondern die gehen eben zu zwei Senaten, zwei Dreiersenaten, die bei der jetzigen Generalprokuratur angesiedelt werden sollen – organisatorisch als Dienststelle, aber eben nur die sogenannte Generalstaatsanwaltschaft darstellen, die einen anderen Aufgabenbereich hat als die bisherige Generalprokuratur –, und die entscheiden dann letztlich darüber, ob eben diesem Vorhabensbericht: sprich Anklageerhebung – ja oder nein, Einstellung des Ermittlungsverfahrens – ja oder nein. Alle diese Entscheidungen, die eben berichtspflichtig sind, sollen dann in diesem Weisungsrat – jetzt ist es der Weisungsrat –, dann eben letztlich in diesen Senaten der Generalstaatsanwaltschaft entschieden werden.
GROẞ: Und ist das ein Modell mit dem Sie hier leben könnten, dem Sie zustimmen könnten?
MARGREITER: Grosso modo sagen wir ja. Es gibt einige Details, die noch zu klären sind, was den Bestellungsmodus und die Dauer der Bestellung betrifft, aber ganz grundsätzlich sehen wir darin den richtigen Ausweg, um eben genau die Justiz da von der Politik freizuspielen. Und das scheint wirklich neben der Informationsfreiheit, neben der Transparenz etwas ganz, ganz Wichtiges zu sein, damit die Bevölkerung wieder Vertrauen gewinnt. Dass die Bevölkerung sagt: Das sind eh alle die gleichen, die richten sich es eh alle untereinander!, ist ein großes Problem, das wir haben.
GROẞ: Sehen das alle so wie Herr Margreiter? – Bitte, Herr Stefan.
STEFAN: Also ich sehe das tatsächlich anders. Ich glaube, man muss jetzt ein bissel unterscheiden. Die Rechtssprechung muss wirklich völlig unabhängig sein, also da darf es keinerlei Einfluss geben. Die Strafverfolgung aber ist ja der Staatsanwalt, ist ja auch dem Staat gegenüber verpflichtet, und ich halte es für richtig, dass es hier eine politische Verantwortung gibt, an der Spitze der Weisungskette, die man befragen kann, wo auch das Parlament die Möglichkeit hat, das zu überwachen. Das, was jetzt hier angedacht ist, mit diesem Generalstaatsanwaltgremium, halte ich für sehr problematisch, weil, wenn es drei Personen sind: eine geteilte Verantwortung ist keine Verantwortung. Ich kann dann nicht mehr fragen: Wie ist das jetzt? Wer ist dann für diese Entscheidung wirklich verantwortlich?, sondern das löst sich dann auf und ich habe hier dann eigentlich einen Überjustizminister oder Überjustizminister, der oder die nicht absetzbar sind, die nicht greifbar sind. Also wir haben eine neue Institution geschaffen, bei der die Überwachung viel schwerer fällt. – Das ist einmal das eine. Das Zweite ist: Entpolitisieren und unabhängig machen klingt auch immer sehr gut, aber wer die Realität in Österreich kennt, weiß ganz genau, dass eine Besetzung letztendlich auch bei uns immer politisch sein wird. Das heißt, es kommt jetzt darauf an, wer gerade in der Regierung ist, und entsprechend werden Positionen besetzt. Das ist die Realität. Da können wir jetzt alle wieder so tun, als wäre es nicht so.
MARGREITER: Das ist ja genau das, was wir ändern müssen, Herr Kollege. Wenn wir das nicht schaffen, dann sitzen wir in fünf Jahren wieder da.
STEFAN: Wenn man das wirklich ändern würde, wenn das tatsächlich so wäre, aber wir reden nur leider hier - -, zumindest zum heutigen Zeitpunkt ist es Realität, ich glaube, da sind wir uns schon einig. Das heißt, wenn wir es heute machen, dann setzen wir dort jemanden hin, der aufgrund der derzeitigen politischen Situation eben drankommt, und der ist dann einzementiert und der ist dann weniger zu überwachen als bisher bis gar nicht. Den kann man nicht politisch verantwortlich machen, und daher halte ich das in der heutigen Realität für das System für falsch. Der Staatsanwalt ist auch dem Staat verpflichtet und muss daher auch vom Parlament überwacht werden.
GROẞ: Sammeln wir vielleicht einmal die politischen Statements ab, und dann würde ich ohnedies gerne noch zu Ihnen beiden kommen. – Frau Scharzenberger, Sie haben sich als Nächste gemeldet.
SCHARZENBERGER: Also grundsätzlich zum Bundesstaatsanwalt sind die Gespräche sehr konstruktiv und auch sehr weit vorangeschritten. Es gibt Details, wie Sie es richtig gesagt haben, die wir uns noch, ja, ausreden müssen, und da halte ich es auch mit dem Vorstoß der FPÖ, dass Sie sagen: Verantwortung braucht einen Adressaten, und es muss ein monokratisches Organ an dieser Spitze stehen. Die parlamentarische Kontrolle ist ein weiterer Punkt, der in der Diskussion auch immer wieder behandelt wird. Grundsätzlich zu Institutionen: Politisch ist das natürlich eine interessante Diskussionsdebatte, aber ich würde auch sagen, weil Sie es, Herr Sackmann, auch gesagt haben, dass es in der Justiz tatsächlich einen großen Reformbedarf gibt. Auch das ist eine Sache, um Korruption wirksam zu bekämpfen. Es braucht nämlich auch eine Stärkung, also es gibt insgesamt einen Reformbedarf in der Justiz, aber es braucht auch Stärkung von Beschuldigtenrechten zum Beispiel. Wenn wir uns nur anschauen, dass es teilweise Verfahren gibt, die sich über Jahre, teilweise auch schon Jahrzehnte ziehen, und die Verfahren enden dann möglicherweise auch in einem Freispruch, aber es gibt Personen, die dann ein Leben lang diese Prozesskosten zurückzahlen müssen. Das ist zum Beispiel ein Punkt, der tatsächlich reformbedürftig ist. Auch was die Hausdurchsuchungen betrifft, ich sage nur Stichwort Zufallsfunde: Ich glaube, dass es auch da strengere Regelungen braucht, beispielsweise Sicherstellungsanordnungen von Mobiltelefonen, dass es da eine Genehmigung des Richters braucht; die Regelung der StPO kommt aus einem Jahr, in dem das Handy noch kein Smartphone war.
GROẞ: Bevor es jetzt zu technisch wird – ich weiß, ich bin heute umgeben von Juristinnen und Juristen, aber auch unsere Zuschauerinnen und Zuschauer werden nicht alle vom Fach sein –, möchte ich gerne wieder zum Generalstaatsanwalt oder zur Generalstaatsanwaltschaft zurückkommen.
YILDIRIM: Ich würde sagen, ein weisungsfreier Bundesstaatsanwalt. Generalstaatsanwalt ist vom Begriff her – egal – nicht gerade unsere Präferenz. Aber zu Abgeordnetem Stefan wollte ich sagen: Die SPÖ hat ja vor 21 Jahren in etwa erstmals einen Gesetzesantrag eingebracht – da war noch Peter Kostelka Klubobmann –, weil auch damals dieser Interessenkonflikt aufgefallen ist. Sie erinnern sich: Der blaue Justizminister Böhmdorfer, der zuvor Rechtsanwalt war und prominente FPÖ-Politiker verteidigt hat, war dann plötzlich der Justizminister. Das geht gar nicht! Und wären wir noch gar nicht in der EU gewesen, hätte man uns aufgrund dieses Mangels nie aufgenommen. Das bestätigen uns Fachexperten heute noch. Daher haben wir vor über 20 Jahren schon eine Trennung dieser politischen Leitung von der Weisungsspitze verlangt, also vom Instanzenzug, und das ist ganz wichtig. Es heißt nicht, dass dann die Staatsanwaltschaft, die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, irgendwie frei entscheiden können, da gibt es natürlich nach wie vor diesen Instanzenzug. Und wir sind überzeugt davon: Das braucht es. Das braucht es, und im Großen und Ganzen kommen wir mit diesem Endbericht durchaus auch zurecht, wobei wir da auch der Meinung sind, wenn wir das in zwei Dreiersenaten haben, ist es nicht wirklich - - also mich überzeugt es nicht. In erster Linie aber geht es um den Bestellvorgang, und da denke ich mir, es darf auch im Bestell- und Ernennungsvorgang keinen parteipolitischen Einfluss geben, sehr wohl aber einen politischen im Sinne von erhöhtem Quorum, Zweidrittelmehrheit im Hauptausschuss, gemeinsam mit den zuständigen Berufsgruppen. Also Richter:innen, Staatsanwält:innen oder auch Wissenschaftler:innen sollen in diesen Hearings, sollen im Auswahl- und im Begutachtungsverfahren mit dabei sein, aber es braucht eine Zweidrittelmehrheit im Hauptausschuss und eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat, mit einer Amtsbeschränkung: zwölf Jahre, keine Verlängerung. Das ist die eine Geschichte. Und: die parlamentarische Kontrolle, wenn das Ermittlungsverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen ist – nicht in einem laufenden Verfahren. Und eines noch – da bin ich bei Ihnen –: Die Ernennung der einfachen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte passt ja auch gar nicht. Im Grunde genommen entscheidet die politische Leitung darüber, wer ernannt wird. Das gehört ähnlich wie bei den Richterinnen und Richtern über Personalsenate breit aufgestellt, ohne Einflussnahme des unmittelbaren Dienstvorgesetzten, sprich des verlängerten Arms der Ministerin oder des Ministers. Es gäbe also einiges, das zu ändern wäre; und ich bin dagegen, Frau Abgeordnete Scharzenberger, dass man in die Frage des unabhängigen Bundesstaatsanwalts oder einer -staatsanwältin andere Sachen hineinpackt. Sie nennen es Beschuldigtenrechte, erwähnen diese langen Verfahren und blenden aus, dass diese langen Verfahren aufgrund gut ausgeprägter Beschuldigtenrechte passieren. Die Verfahren verlängern sich nämlich, weil wir zum Glück diese Antragsrechte haben – soll auch so sein, das soll auch rechtsstaatlich gesichert sein –, und es gibt diese überlangen Verfahren in Wahrheit nicht. All das, was länger dauert, wird gerichtlich überprüft, und da legen die Staatsanwaltschaften auch Rechtfertigung vor beziehungsweise Begründungen, warum.
GROẞ: Lassen wir vielleicht noch Frau Abgeordnete Tomaselli zu Wort kommen. – Diese Kritik, fällt die bei Ihnen irgendwie auf fruchtbaren Boden? Und was mich auch noch interessieren würde: Wie weit ist denn eigentlich Übereinstimmung zwischen Ihnen und der ÖVP, was dieses Projekt betrifft? Beim Antikorruptionspaket zum Beispiel hat es ja auch deshalb so lange gedauert, weil Sie sich da in vielen Fragen offensichtlich nicht einig waren.
TOMASELLI: Ja, das sind wir ganz oft nicht und kommen dann überraschenderweise doch noch zu einer Lösung, und deshalb werden wir es auch noch bis zum Ende der Legislaturperiode probieren. Ich glaube, was man vielleicht wissen muss, ist, dass die ÖVP historisch von dieser weisungsfreien Spitze eigentlich nichts gehalten hat und dieser Turnaround vor noch gar nicht allzu langer Zeit passiert ist. Ich glaube – nein, ich bin der Überzeugung –, dass die unabhängige Justiz eine der wichtigsten tragenden Säulen in diesem Staat ist, und ich habe es halt als Abgeordnete vor allem im Ibiza-Untersuchungsausschuss und im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss auch wirklich mit Bedauern zur Kenntnis genommen, wie oft die Institutionen in dieser unabhängigen Justiz angegriffen worden sind. Das hat mich wirklich traurig und bedenklich gestimmt. Umso wichtiger finde ich es, dass man mit den Reformschritten, mit denen Justizministerin Alma Zadić schon einiges vorangetrieben hat, jetzt weiter verfährt und dass wir da auch wirklich zu einer guten Lösung kommen, was die weisungsfreie Spitze anbelangt. Ich glaube auch, in der unabhängigen Justiz hat die parteipolitische Meinung nichts verloren, und umgekehrt ist es, glaube ich, auch nicht richtig, wenn man hergeht und das Best-of dessen, was mir gerade in den letzten Jahren unbequem geworden ist, quasi als Junktim dagegenhängt. Das muss man schon auch sagen. Die Handyauswertungen und so weiter gibt es übrigens schon seit vielen, vielen Jahren. Jetzt geht es halt einmal um Korruption, jetzt sind sie plötzlich im Fokus, jetzt soll das plötzlich alles nicht mehr gehen. Vor ein paar Jahren, als es normale Kriminelle – also „normale Kriminelle“ unter Anführungszeichen – betroffen hat, war das alles noch nicht im Fokus der Diskussion.
GROẞ: Vielen Dank. Weil jetzt so viel die Rede von der politischen Weisungsspitze war, ist mir eingefallen: Wäre es nicht eigentlich sinnvoll, wieder zu dem in Österreich ja lange Zeit Usus gewesenen Umstand zurückzukehren, dass der Justizminister, die Justizministerin jemand Parteifreier war? Mir würde zum Beispiel Nikolas Michalek einfallen, oder Minister Weißmann hat es, glaube ich, auch einmal gegeben – honorige Notariatskammerpräsidenten waren das. Würde das nicht letztlich auch sehr stark eine unabhängige Justiz symbolisieren, die vielleicht auch wieder mehr Vertrauen von den Menschen bekommen könnte?
SACKMANN: Also ich bin kein Politiker, aber grundsätzlich würde ich das schon begrüßen, wenn es ein Unabhängiger macht. Nur Sie dürfen eines nicht vergessen: Bei den Budgetverhandlungen hat er keine guten Karten. Also wenn wir einfach von vornherein sagen, das Justizministerium, das Ressort Justiz kriegt einen Betrag X und muss von Grundbuchsgebühren und Firmenbuchgebühren nichts abgeben, es kann sich selber finanzieren: Ja. Aber wenn er dann als Parteiloser kämpfen muss in einer - - ja, mit dem Finanzminister, der kein Parteifreier ist, dann wird es schwer sein. Aber all das setzt ja voraus - - Ich habe es ja gerade gesagt: Der Grund für mich, warum ich gegangen bin, war, dass ich nicht verstanden habe, warum ich eigentlich bei manchen Personen berichten muss und bei manchen nicht. Warum sind manche wichtiger als andere? Alle gehen davon aus: Ja, aber der Abschlussbericht oder die Anklageschrift muss am Ende wieder berichtet werden. Warum ist das so? – Ich verstehe es nicht. Und ich habe auch ganz ehrlich keinen tieferen Sinn darin erblicken können, einen Vorhabensbericht Richtung Einstellung, Richtung Anklageschrift raufzuschicken, und dann ist runtergekommen: Ja, mach es so!, oder, Nein, schau dir das noch einmal an! – Das kann mir niemand erklären, wo da der Mehrwert darin ist, denn der Beschuldigte kann sich bei Gericht beschweren – beim Oberlandesgericht gegen die Anklageschrift, oder es könnte sich auch – das könnte man schaffen – jemand gegen die Einstellung beschweren. Insofern – und das bringt mich zur nächsten Frage – - -
GROẞ: Habe ich Sie richtig verstanden? Es bräuchte eigentlich dann auch diesen weisungsfreien General- oder Bundesanwalt nicht.
SACKMANN: Nein, meines Erachtens nicht. Den brauche ich nur dann, wenn ich sage, ich fahre weiter mit dem Programm – ich muss noch einmal den einfachen Hendldieb verwenden –, dass dieser bis zur Verhandlung eingesperrt bleibt und der andere das volle Programm kriegt: rauf, runter. Das bringt mich zur nächsten Frage: Wann ist das letzte Mal ein Justizminister wegen eines Handelns eines Staatsanwalts zur Verantwortung gezogen worden? Das frage ich einmal in die Runde! Sie sind Abgeordnete, vielleicht noch nicht so lang, aber mir ist das nicht bekannt. Das ist auch so ein Feigenblatt, wo ich mir denke: Was wird da argumentiert? Das Parlament soll als Vertreter des Volkes gegenüber dem Justizminister Kontrolle ausüben, und dann wird eh nicht gefragt? Ich bin mir nicht einmal sicher, ob überhaupt jährlich oder zweijährlich der Wahrnehmungsbericht des Justizministers veröffentlicht wird, in dem drinstehen sollte, wie viele Weisungen er gegeben hat.
YILDIRIM: Das wird auch öffentlich diskutiert, aber so ganz kann ich Ihrer Argumentation nun wirklich nicht folgen, weil ja unser Hauptproblem beim Zugang zum Recht ist: Ja, da gebe ich Ihnen recht, dass der Hendldieb nicht die notwendige Vertretung hat, aber eben jene, die wohlsituiert sind, sich vielleicht ganze Anwältinnen- und Anwaltsteams leisten können, inklusive PR-strategischer Begleitung. Da glaube ich schon, dass man unterscheiden muss und darauf schauen muss: Werden die besser behandelt? Die sollen nicht besser behandelt werden, nur weil sie mehr Mittel haben! Und das war ja doch die Realität, warum wir gesagt haben, dass diese prominenten, breitenwirksamen Fälle, diese Fälle mit Öffentlichkeit beziehungsweise jene, die von vornherein gut situiert sind und mehr Ressourcen haben, nicht besser behandelt werden sollen. Darauf muss besonders geschaut werden; da finde ich schon, dass man darauf schauen muss, dass da dann nicht irgendwie über eine politische Nahebeziehung die Weisung erfolgt, einzustellen oder eben vielleicht fortzuführen. Deswegen glaube ich schon, dass man besonders auf diese Fälle schauen kann, allerdings nicht über eine politische Parteispitze, sondern das soll eben in dieser Dienstkette – Staatsanwältin, Oberstaatsanwalt bis hinauf zur weisungsfreien Spitze der Staatskette – passieren.
SACKMANN: Ja, aber dann müsste man vielleicht einmal outside the box denken und sagen: Gut, dann gibt es jedes Jahr ein fixes Budget; wir machen so eine Art Selbstverwaltungskörper Justiz als dritte Säule und setzen dort in jeder Legislaturperiode einen Richter, einen unabhängigen Richter, hin, der sonst frei von jedem politischen Einfluss ist!
GROẞ: Ganz kurz Abgeordneter Margreiter und dann Frau Knötzl, bitte.
MARGREITER: Ich kann den Ideen schon sehr viel abgewinnen, denn der Gleichheitsgrundsatz sollte uns grundsätzlich schon sehr wichtig sein, und warum man da wirklich zwischen Menschen unterscheidet – clamorose Fälle, nicht clamorose Fälle –, das steht rechtstheoretisch sicher nicht ganz auf sauberen Beinen – Punkt eins. Punkt zwei: Ich glaube, das System, das wir jetzt gerade haben, mit den Weisungen, hat viel mehr solche Fälle produziert, die fragwürdig sind, als wenn man das einfach den Staatsanwälten überlässt. Da kann es schon auch einmal einen Fehler geben, weil ein einzelner Staatsanwalt möglicherweise zu Unrecht einstellt, weil er vielleicht irgendein unsachliches Motiv hat. Wenn ich mir aber die ganzen Fälle mit den Weisungen im jetzigen System so anschaue, von: Daschlogts es!, bis - -, dann glaube ich nicht, dass es viel schlechter werden würde, wenn man so ein System andenkt, in dem man sagt: Lassen wir die Staatsanwälte arbeiten! Vergessen wir bitte nicht: Wenn es zur Anklageerhebung kommt – sicher, wenn es zur Einstellung kommt, dann nicht –, ist ja immer noch das unabhängige Gericht darüber, das entscheiden kann. Und wenn man möglicherweise irgendeine Instanz schafft, die sagt, eine Einstellung kann man durch ein Gericht überprüfen lassen (SACKMANN: ... Justizminister! Soll der Justizminister eine Einstellung überprüfen können!) – genau! –, dann können wir uns das ganze Brimborium mit dem Generalstaatsanwalt sparen, denn dann funktioniert das so! Und gerade zum zweiten Punkt – weil das vorhin angesprochen worden ist –: Ich will eine Lanze für die Politik brechen. Ich denke, dass es der falsche Weg wäre, zu sagen – entschuldigen Sie den Ausdruck –: Nur mehr politische Eunuchen dürfen Justizminister sein! – Das soll so sein, Politik soll das sein! Ich würde das anders aufzäumen. Warum macht man es nicht wie mit den EU-Kommissaren, dass so ganz verantwortungsvolle politische Funktionen, wie eben zum Beispiel ein Ministeramt, ein Assessment Center durchlaufen müssen, in dem sie auf Korruptionsresistenz getestet werden; dass man ein Parlamentshearing macht, in dem man diese Sachen abklopft? Dann, glaube ich, wäre es gar kein so großes Problem, dass auch parteipolitisch zuordenbare Personen ein Justizministerium führen. Dieses: Politik weg!, das finde ich gar nicht gut. Wir sollten viel offensiver für Qualität der Politik werben.
GROẞ: Vielen Dank. – Frau Knötzl jetzt, bitte.
KNÖTZL: International gesehen ist es durchaus wichtig, auch für das Ansehen von Österreich, dass wir dorthin kommen, dass wir eine unabhängige Strafjustiz haben; und ein Punkt, der auch erwähnt wurde, war eben die unabhängige Besetzung durch Personalsenate, bis zu, auch für den Bürger wahrnehmbar, einer Spitze oben, die möglichst von der Parteipolitik getrennt ist. Das ist ein wichtiges Anliegen! Sie müssen daran denken, dass nach einer jüngsten Studie, aus dem Jahr 2021 von der Kepler-Universität in Linz, der Schaden, der der Volkswirtschaft in Österreich zugefügt wird (GROẞ: Durch Pfusch?), durch Korruption – also so das ganz große Wort Korruption, wie immer man es definiert –, 15 Milliarden Euro sein soll. Das ist wirklich ein Riesenschaden, der uns zugefügt wird, und wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, die dem Bürger auch einfach dieses Bemühen, möglichst transparent, möglichst korruptionsfrei zu agieren, zeigen, damit eben dieses gestörte Vertrauen wieder zurückkommt.
GROẞ: Genau. Aber da würde ich gerne gleich anknüpfen und Sie fragen: Halten Sie dieses Antikorruptionspaket, das ja jetzt zur Disposition steht, das jetzt, glaube ich, wenn ich es richtig sehe, gerade in der Begutachtung ist und das im März im Nationalrat beschlossen werden soll, für ein geeignetes, taugliches Mittel, um diesen volkswirtschaftlichen Schaden, aber auch diesen Vertrauensschaden zu begrenzen und einzudämmen? Oder geht es da sozusagen „nur“ – unter Anführungszeichen – um spektakuläre Dinge wie zum Beispiel Mandatskauf, der jetzt strafbar wird. Ist das eigentlich unser größtes Problem?
KNÖTZL: Also grundsätzlich sind die Änderungen, die jetzt geplant sind, wichtig, da können wirklich Lücken geschlossen werden, und wir begrüßen das.
GROẞ: Nur damit wir es ein bisschen konkretisieren: Was sind so aus Ihrer Sicht die wichtigsten Lücken, die da geschlossen werden? – Eben Mandatskauf, das steht jetzt immer so als - -
KNÖTZL: Genau, das ist ein Punkt; und auch dieses Thema, wenn ich im Vorfeld, bevor ich ein Amt antrete, bestochen werde, dass das schon unter die gleichen Regelungen fällt, wie wenn ich - -
GROẞ: - - also dass ich Versprechungen mache: Wenn ich das einmal werde!, und mich dafür bezahlen lasse.
KNÖTZL: Ja, genau, richtig; auch das soll natürlich strafbar sein – das fühlen wir alle! Das muss also schon sein.
GROẞ: Trotzdem hat es ja geheißen, wir beschreiten da Neuland. Das hat, glaube ich, Frau Ministerin Edtstadler gesagt: juristisches Neuland. Und sie hat eben diesen Superlativ vom strengsten Gesetz der Welt verwendet. Wir müssen das jetzt nicht qualifizieren, ob das tatsächlich das strengste ist, aber: Ist es streng genug?
KNÖTZL: Ganz grundsätzlich ist unsere Korruptionsgesetzgebung, natürlich mit einigen Lücken, die da sind und zu schließen sind, gar nicht einmal so schlecht. Deshalb liegen wir ja auch noch immer auf Rang 22: weil unsere Gesetze in einigen Punkten durchaus gut sind – Anfüttern beispielsweise ist bei uns strafbar, und vieles andere – und wir grundsätzlich auch hohe Strafen haben. Das Problem ist eher, dass es viele Dinge gibt, die derzeit noch immer nicht umgesetzt sind. Wir wurden auch abgestraft, weil eben beispielsweise unser HinweisgeberInnenschutzgesetz noch nicht umgesetzt ist. Wir werden auch abgestraft, weil wir eben unsere Informationsfreiheit in Europa noch immer nicht durchgesetzt haben. Wir bräuchten eine permanente Kronzeugenregelung, wir müssen bei der Parteienfinanzierung etwas tun. Es gibt also im Gesetzgebungsbereich tatsächlich noch viele Dinge, die gemacht werden können. Das ist aber nicht genug! Die große Rede ist: Wir brauchen grundsätzlich auch diesen bewussten Kulturwandel. Wir brauchen zum Beispiel Ethikunterricht in den Schulen. Wir brauchen auch in den Medien Compliancecodes. Da gibt es also wirklich viele Themen, die noch dazukommen müssen, und dazu müssen wir als Zivilgesellschaft – und wir sind ja dabei – uns auch ein Stück dorthin bewegen, dass wir es wirklich auch abstrafen, wenn Politiker korrupt sind.
GROẞ: Frau Scharzenberger und Frau Tomaselli, in aller Kürze: Wenn Sie die Vorzüge dieses Paketes jetzt einmal der Opposition verkaufen müssten, wie würden Sie das machen?
SCHARZENBERGER: Lassen Sie mich kurz auf das – weil es jetzt zweimal gefallen ist – strengste Korruptionsstrafrecht replizieren. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler hat das auch mit Bezug darauf gesagt, dass es diesen Tatbestand des Mandatskaufes eben in ganz Europa nicht gibt: auch ausgedehnt auf den Begriff des Amtsträgers. Es schafft nämlich die Möglichkeit, dass schon der künftige Amtsträger – mit einem Stichtag, der auch diskutiert wird – definiert wird. In ganz Europa herrscht diese strenge Regelung eben nicht vor. Die Frage, die wir uns aber stellen müssen, ist: Wie stark, wie leistungsstark, kann das Gesetz sein und was wird an der Wahlurne entschieden? Ich habe persönlich auch schon die Erfahrung gemacht, dass gewisse Rückmeldungen aus der Bevölkerung an die Politik kommen, dass Leute sagen, sie trauen sich ja schon fast nicht mehr, mit einem Politiker, einer Politikerin zu reden, weil sie befürchten müssen, dass sie sich irgendwie einer strafbaren Handlung aussetzen, wenn sie Anliegen transportieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass es trotzdem als Politiker unsere ureigenste Aufgabe ist, Brücken zu bauen, immer natürlich unter Wahrung der gesetzlichen Vorgaben. Ich glaube aber, dass das ein ganz schmaler Grat ist, dass wir uns demokratiepolitisch diesen Spielraum – also nicht den gesetzlichen Spielraum, aber diesen Spielraum – - -, dass die Demokratie sich auch während der Gesetzgebungsperiode widerspiegelt.
GROẞ: Ist das eigentlich schon Korruption, wenn jetzt jemand in Schladming – ich glaube, Sie kommen aus Schladming (SCHARZENBERGER: Ja!) – zu Frau Scharzenberger geht und sagt: Geh bitte, Frau Abgeordnete, ich habe das und das Problem!, oder: Mein Kind, kannst du uns nicht helfen?, zum Beispiel – ich weiß nicht, bei der Jobsuche oder was auch immer? Ich weiß nicht, ob es solche Fälle gibt, ich nehme es einmal an, denn Sie haben das alle berichtet, dass Sie natürlich mit so etwas konfrontiert werden oder dass Sie eben auch als Lobbyistin, als Lobbyist für auch lokale Probleme gesehen werden. Ist das dann schon Korruption?
KNÖTZL: Wenn ich dafür ein Briefkuvert mit Geldbetrag hinschiebe, dann sehr wohl.
SCHARZENBERGER: Dann ja, genau.
TOMASELLI: Aber Entschuldigung! Als Politikerin habe ich schon noch die Wahl, ob ich das mache oder nicht. Also ich meine, wir waren im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss sehr damit beschäftigt, mit genau dieser Frage, zuletzt mit Landeshauptfrau Mikl-Leitner, weil da per SMS auch intensiv dokumentiert worden ist, dass halt Bewerbungen weitergegeben worden sind. Und sie hat halt gesagt – stellvertretend für viele, möchte ich übrigens nur sagen –: Ich habe die Bewerbung ja nur weitergegeben, die haben sie mir gegeben, sie wollten da für irgendeine Postenkommandantenstelle - -, und ich habe sie weitergegeben. Ich habe sie dann auch damit konfrontiert und gesagt: Wieso nehmen Sie sie überhaupt an? Wieso geben Sie sie weiter? Es gibt doch eine Personalabteilung im Bundesinnenministerium, die hauptberuflich dafür zuständig ist, Bewerbungsprozesse abzuarbeiten. Wir sind dafür zuständig, Gesetze zu beschließen. Da ist einfach irgendwie, tut mir leid, nicht in meiner Jobdescription.
MARGREITER: Wenn es ein transparentes System gibt: Wie wird der Posten vergeben, wer kriegt die Wohnung, wer kriegt den Kinderbetreuungsplatz?, dann kann da gar nichts mehr passieren. Das Problem sind ja die intransparenten Systeme, wo dann die Politiker - - Und ich behaupte, dass Regierungspolitiker dieses System aufrechterhalten wollen, weil es ihnen die Macht sichert, weil es natürlich toll ist, wenn ich als, was weiß ich, ÖVP-Klubobmann sagen kann: Einen Job beim Finanzamt Sowieso kann ich dir verschaffen. – Das ist schon Korruption, darüber müssen wir uns völlig einig sein, und dem müssen wir einfach mit transparenten Systemen begegnen.
GROẞ: Jetzt muss ich noch einmal zum Antikorruptionspaket zurückkommen. Vielleicht fragen wir jetzt die Oppositionsabgeordneten: Werden Sie zustimmen?
STEFAN: Also vom Prinzip her spricht jetzt nichts dagegen. Ich glaube, was man nur gesehen hat, ist, dass es hier unklare Gesetzesbegriffe gibt – zumindest derzeit, vielleicht wird das noch verbessert –: Was ist jetzt wirklich der hier Kandidierende? Ist das einer, der potenziell dann ein Mandat bekommt? Was ist, wenn sich die Umfragen ändern? Also wir haben hier derzeit ein bisschen unklare Begriffe, da muss man noch etwas verbessern, sonst, ja, vom Prinzip her - -
TOMASELLI: Wenn sie auf einer Liste stehen. Die Definition ist - -
STEFAN: Jeder, der auf einer Liste steht? Der mit Nummer 60 auf der Liste kann doch nicht in der Gemeinde - - Dann wird sich auch keiner mehr hinstellen - - Also das halte ich für unrealistisch, denn das ist ja kein Amtsträger, einer, der irgendwo ganz hinten auf einer Liste kandidiert, einfach weil das in der Gemeinde halt - -, um seine Solidarität zu beweisen. Das würde ich jetzt nicht für richtig halten. Ich glaube, so ist es auch nicht gemeint.
GROẞ: Manchmal hat es ja dann auch schon Vorreihungen gegeben.
STEFAN: Eben, dann gibt es wieder Vorreihungen. Oder ist es wirklich jeder, der auf einer Liste steht?
TOMASELLI: Entschuldigung, es ist nicht strafbar, auf der Liste zu stehen. Wenn es ein Gegengeschäft dazu gibt, das - - Also es müssen zwei Bedingungen erfüllt sein.
STEFAN: Es geht ja ums Versprechen, und das ist ja, wie wir wissen, schon sehr unklar.
GROẞ: Frau Yildirim, vielleicht sagen Sie, ob Sie zustimmen werden.
YILDIRIM: Also ich sehe sehr wohl gute Ansätze, wir werden wahrscheinlich auch zustimmen. Ich meine, ich will dem Begutachtungsverfahren jetzt nicht vorgreifen, wir schauen es uns natürlich an, aber ich finde, dass da schon einige Verbesserungen drinnen sind. Was hier jetzt aber nicht gesagt wurde: Die wichtigste Form der Korruptionsbekämpfung haben wir in der koalitionsfreien Zeit gemeinsam mit der FPÖ und der Liste Pilz, danach hat sie JETZT geheißen, mit dieser Spendenobergrenze beschlossen, dass es nämlich keine Großspender geben darf. Ich glaube, das war einer der wichtigsten Beschlüsse der letzten fünf Jahre, und das ist gegangen, weil es diesen koalitionsfreien Raum gab. Was jetzt natürlich auch gut ist, sind die Einschaumöglichkeiten des Rechnungshofes. Ich glaube, Demokratie und Transparenz fangen bei den politischen Parteien an. Wir dürfen diese politischen Parteien nicht wie Familienverbände oder Privatvereine behandeln, sondern das sind mehr oder weniger Fundamente einer hoffentlich funktionierenden Demokratie, und es ist wichtig, wie die parteiinterne Demokratie und die Transparenz dort ist. Das war, glaube ich, ganz wichtig und darauf kann man aufbauen.
GROẞ: Herr Margreiter, von Ihnen wissen wir noch nicht, ob Sie zustimmen werden oder nicht.
MARGREITER: Wir werden nicht zustimmen, wir halten es an und für sich generell für sehr fragwürdig, wenn man glaubt, nur mit höheren Strafdrohungen dem Korruptionsproblem beikommen zu können. Dann gibt es aber auch sehr viele technische Details, es werden neue Begrifflichkeiten eingeführt, die nicht ausreichend definiert sind, sodass nicht ausreichend Rechtssicherheit besteht. Und vor allem: Dieser Entwurf, das muss uns klar sein, würde Ibiza nicht verhindern, weil die Stichtagsregelung, ab wann ein Wahlkampf beginnt, untauglich ist. Wenn man einen Tag vor dem Tag der Wahlausschreibung solche Zusagen macht, ist es straffrei – das halten wir für zu wenig weitreichend.
GROẞ: Okay, vielen Dank. Ich habe noch ein anderes Thema, und da möchte ich Sie fragen, Herr Sackmann, weil Sie ja sozusagen beide Welten kennen: Immer wieder wird ja behauptet, dass ein Problem bei der Korruptionsbekämpfung auch die schlechte Ausstattung der Ermittlungsbehörden, also der Staatsanwaltschaften zum Beispiel, sowohl personell als auch infrastrukturell ist. Sie haben das selber erlebt. Ist das so? Oder ist das mitunter auch ein Mythos, der medial immer wieder weitergetragen wird und vielleicht gar nicht stimmt?
SACKMANN: Gut, ich bin jetzt schon seit mehr als sechs Jahren weg von der Staatsanwaltschaft, aber ich glaube, kurz bevor ich gegangen bin, hatten wir einen Farbdrucker für 90 Staatsanwälte bei der Staatsanwaltschaft Wien. Das ist dann schon etwas, wo man sich denkt: Okay! – Als ich dann auf der Rechtsanwaltsseite war, hat man Infrastruktur ohne Ende. Interessant ist auch, dass eine Open-Office-Version verwendet wird, um Briefe zu schreiben – zumindest zu meiner Zeit – oder Anklageschriften. Also man bedient sich da auch nicht – ich möchte jetzt keine Werbung für irgendjemand anderen machen – käuflicher Software, sondern einfach - -
GROẞ: Und das führt dann dazu, dass es Inkompatibilitäten gibt, dass man Dokumente nicht lesen kann?
SACKMANN: Oder in ein PDF umwandeln. Also das sind schon - -
GROẞ: Also das heißt, bei der Infrastruktur, auf der technischen Seite wäre noch Luft nach oben?
SACKMANN: Kann man sicherlich noch sehr viel - -, wäre Luft nach oben.
GROẞ: Personell?
SACKMANN: Personell kann ich das jetzt gar nicht so beurteilen, wie gesagt, ich bin jetzt auch schon lange weg. Es sind schon viele Staatsanwälte, ich habe jetzt aber auch nicht so mitverfolgt, wie viele Fälle anfallen. Bei der WKStA macht man jetzt viel im eigenen Haus, dass man eigene Spezialisten hinzuzieht, IT-Spezialisten und Wirtschaftsexperten. Inwiefern das eine Beschleunigung bringt: Das glaube ich nicht, muss ich ehrlich sagen, manchmal geht es schnell, manchmal geht es nicht schnell, woran das liegt, kann ich nicht beurteilen. Also man kann sie sicherlich aufstocken, sagen wir einmal so.
GROẞ: Frau Knötzl, ein Thema, das heute schon mehrmals angeklungen ist, ist die Rolle der Medien, die ja auch eine wichtige Funktion bei der Korruptionsbekämpfung und Aufklärung dieser Dinge haben; auf der anderen Seite sind gerade zuletzt die Medien selber nicht nur ins Gerede gekommen, sondern auch ins Visier auch Ihrer Organisation gekommen. Wie würden Sie dieses Problem einschätzen – Inseratenkorruption zum Beispiel, Nähe von Journalisten auch zu Politikerinnen und Politikern? Wo beginnt da eigentlich das Korruptionsproblem, für Sie schlagend zu werden? Und braucht es auch einen Selbstreinigungsprozess der Medien?
KNÖTZL: Unbedingt. Also es ist tatsächlich ein Problem, wir haben es gesehen. Die Medien müssten auch hier von sich aus beginnen, sich Ethikcodes zu geben, Compliancecodes zu geben und sich einem Selbstreinigungsprozess zu unterziehen. Tatsächlich ist natürlich diese Nähe zwischen Politik und Einflussnahme durch Inserate extrem zu verurteilen. Also es ist völlig klar, dass das bei der Bevölkerung schlecht ankommt, dem Ansehen schadet, und daher ist es ganz wichtig – natürlich versteht jeder, dass die eine oder andere Anzeige in Zeiten von Corona, dass man sich bitte schützen möge et cetera, notwendig ist –, hier eine sorgsame Kontrolle auch durch den Rechnungshof zu erlauben, das ist besonders wichtig, und eben auch Compliance innerhalb der Medien umzusetzen.
GROẞ: Ich möchte Sie alle zum Schluss um Ihre Einschätzung bitten. Was glauben Sie denn, wenn jetzt dieses Antikorruptionspaket verabschiedet wird und noch weitere Anstrengungen hoffentlich in die richtige Richtung unternommen werden: Ich weiß nicht, wie schnell sich solche Veränderungen niederschlagen, in diesem Wahrnehmungsindex zum Beispiel, wie viele Jahre es dauert, bis man da etwas spürt und bis es wieder sozusagen eine Bewegung in die andere Richtung geben könnte. Nehmen wir aber einmal an, dass man in fünf Jahren schon etwas merken müsste. Oder ist das noch zu früh, Frau Knötzl?
KNÖTZL: Nein, in fünf Jahren müsste man etwas merken.
GROẞ: Auf welchem Platz werden wir Ihrer Einschätzung nach im Transparency-International-Korruptionswahrnehmungsindex sein? Jetzt sind wir auf Platz 22, wir waren schon einmal viel besser, wir waren sogar einmal besser als Deutschland zum Beispiel. Können wir das wieder schaffen? – Herr Stefan.
STEFAN: Selbstverständlich können wir das schaffen. Da das ein Wahrnehmungsbericht ist und auch Kriterien eben vorgegeben werden können - -
GROẞ: Aber was wäre das Ziel aus Ihrer Sicht? Was wäre das Ziel aus Ihrer Sicht?
STEFAN: Ja, dass wir an die Spitze wieder andocken, also dass wir jedenfalls irgendwo im vorderen Bereich der europäischen Staaten liegen.
GROẞ: Was trennt uns von Dänemark, Frau Scharzenberger, außer eben diese 22 oder 21 Plätze?
SCHARZENBERGER: Also ich persönlich glaube, dass wir auf einem sehr guten Weg sind mit der Umsetzung eben dieser genannten Maßnahmen, die wir jetzt beschlossen haben, beschließen werden, in Begutachtung haben, und dass wir dann auch, ich will mich nicht auf einen bestimmten Platz festnageln, aber ich glaube, auf einem sehr guten Platz im vorderen Bereich liegen werden.
GROẞ: Herr Margreiter.
MARGREITER: Ich sehe das durchaus nicht so erfreulich. Solange maßgebliche Parteien das Ganze nur als strafrechtliches Problem begreifen und nicht sehen, dass Korruption und die Gesinnung schon viel früher anfangen – das wird man strafrechtlich nie begreifen oder erfassen –, dass es um eine allgemeine Gesinnung geht, wie Frau Knötzl ausgeführt hat, wo wir schon sehr früh im Bildungsbereich ansetzen müssen, wird es kaum gelingen, das nach oben zu bringen. Es schockiert mich, wenn ich aktuelle Wahlumfragen anschaue, dass eine Partei wie die FPÖ, die die Hypo Alpe-Adria zu verantworten hat, die in der Regierungsbeteiligung einfach überhaupt nicht toll dadurch aufgefallen ist, dass sie vollkommen korruptionsresistent ist, jetzt wieder von den Leuten gewählt wird. Da sieht man, dass wir Handlungsbedarf haben. Korruptives Verhalten muss geächtet werden, und zwar lang vor der Grenze des Strafrechtes, muss so was von geächtet werden, weil es unser Gemeinwesen wirklich massiv schädigt – nicht nur materiell. Es geht das Vertrauen in die Politik, es geht das Vertrauen in uns alle verloren, wenn wir so weitertun. Da haben wir viel zu tun, und es sind wirklich alle eingeladen, dass wir diese Kraftanstrengung angehen. Dann geht es vielleicht in fünf Jahren – wenn die NEOS in der Regierung sind.
GROẞ: Frau Yildirim, sehen Sie die Gefahr, dass wir vielleicht sogar noch weiter abrutschen?
YILDIRIM: Derzeit ja. Auch wenn wir heute, oder sagen wir einmal so, im März das Informationstransparenzgesetz beschließen, den unabhängigen Bundesstaatsanwalt beschließen und all diese weiteren Maßnahmen: Ohne politische Mehrheiten zu verändern, werden wir zehn bis 15 Jahre brauchen, um wieder einen Aufwärtstrend zu haben, weil es auch meine Beobachtung ist, wenn sogar die jüngere Generation der ÖVP kein Korruptionsproblem sieht, in Wahrheit keinen Änderungsbedarf sieht, nicht effektiv, wird sich da auch in den nächsten Generationen nichts ändern. Also ich glaube, da braucht es einen Kulturwandel, und dazu wird es meiner Einschätzung nach zehn Jahre Minimum brauchen, ich glaube eher sogar 15 Jahre, bis wir vielleicht an der Spitze sind.
GROẞ: Frau Tomaselli.
TOMASELLI: Ich bin da nicht so pessimistisch, ich bin da eher optimistisch. Wenn wir über das Ziel reden, das war, glaube ich, Ihre anfängliche Frage: Wo sollen wir hin? – Ja, wohin, wenn nicht an die Spitze? Selbstverständlich, wir müssen an die europäische Spitze, und ich glaube, wir haben gar nicht so schlechte Chancen. Man muss nämlich wirklich, wenn wir jetzt noch einmal in die jüngere Vergangenheit zurückgehen, festhalten: Was die Strafverfolgungsbehörden geschafft haben, was ein ausgezeichneter Investigativjournalismus geschafft hat, was die Aufklärungsarbeit auch im Parlament geschafft hat, zeigt schon Wirkung. Also davon zeugen zum Beispiel etliche Rücktritte, die legistischen Verbesserungen haben wir angesprochen, gläserne Parteikassen, jetzt das scharfe Korruptionsstrafrecht, transparente Inseratenausgaben – die werden noch kommen. Ich glaube aber, das Wichtigste – und deshalb glaube ich, dass bei uns die Chancen eben gar nicht so schlecht sind – ist schon, dass die Botschaft mittlerweile wirklich von den Regierungsvierteln hinaus bis in die Gemeindestuben gegangen ist, dass solche Dinge wie Selbstbedienungsmentalität, dass man schaut, dass die eigenen reichen Freunde vorwärtskommen, Postenschacher, dass sich das alles nicht mehr ausgeht. Die Bevölkerung lehnt das ab, diese Zeiten sind vorbei.
YILDIRIM: Schön wär’s.
STEFAN: Jetzt muss ich nur, weil Herr Kollege Margreiter die letzte Runde, auf die ich nicht mehr hätte replizieren dürfen, dazu verwendet hat, noch die FPÖ anzugreifen: Ich glaube, der Wähler hat schon recht, und wenn eine konsequente Politik unterstützt wird, dann werden wir das als Demokraten zur Kenntnis nehmen. Also das finde ich ein bisschen problematisch, dass Sie sozusagen anzweifeln, dass der Wähler hier vielleicht einen Fehler macht.
GROẞ: Okay, dann lassen wir das jetzt so stehen, bei uns gibt es keine Verlängerung so wie im Fußball. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Frau Knötzl, Herr Sackmann, für Ihre Expertise und Ihren Input, und natürlich auch bei Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordneten, und ganz besonders bei Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie uns zugeschaut haben. Wir melden uns wieder am 20. März mit der nächsten Ausgabe von „Politik am Ring“. Danke fürs Dabeisein, einen schönen Abend noch.