Sozialpartnerschaft: Garant für sozialen Frieden?
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Die Sozialpartnerschaft ist von zentraler Bedeutung im politischen System Österreichs. In diesem vertreten die Sozialpartner, also Kammern und Gewerkschaften, die Interessen der Arbeitnehmer:innen, der Unternehmen sowie der Landwirt:innen und bringen sie in die Politik ein. Damit nehmen sie auch Einfluss auf die Gestaltung von Gesetzen. Warum ist das so? Wer genau sind eigentlich die Sozialpartner? Wie wichtig sind sie als Teil unserer Demokratie? Und welche Kritik gibt es an ihnen?
Diese und andere Fragen stellt Host Tatjana Lukáš an zwei Vertreter der Sozialpartner, die auch als Abgeordnete im Parlament sind: Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz, und Franz Hörl, Obmann des Fachverbands der Seilbahnwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich.
Weiterführende Informationen zur Rolle der Sozialpartnerschaft im politischen System Österreichs gibt es hier.
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Transkript
Franz HÖRL: Die Sozialpartnerschaft ist in Österreich eine ganz wichtige Institution, die eigentlich dem Ausgleich und dem Wohlstand des Landes verpflichtet ist und wo sich Arbeitnehmer und Unternehmer gemeinsame Ziele feststecken.
Josef MUCHITSCH: Sozialpartnerschaft heißt, das sind für mich die Praktiker auf Arbeitnehmer und Arbeitgeberseite.
HÖRL: Der Vorteil von der Geschichte ist ja, dass es in vielen Bereichen schon Einigung gibt, wo Leute von uns dabeigesessen sind, mit ihren Experten sich das angeschaut haben und das, was dann am besten Fall ins Parlament kommt, eigentlich sowieso schon ein Kompromiss ist.
MUCHITSCH: Die Sozialpartnerschaft ist ein Garant für einen sozialen Frieden und für eine funktionierende Gesellschaft.
Jingle: Rund ums Parlament, der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Rund ums Parlament", dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Schön, dass ihr wieder mit dabei seid. Weiter geht es auch in dieser Folge mit dem Thema politische Einflussnahme. Diesmal schauen wir uns etwas an, das in Österreich eine ganz besondere Bedeutung hat und auch einen sehr großen Einfluss auf das Parlament und die Gesetzgebung, nämlich die Sozialpartnerschaft. Sie ist ein zentrales Merkmal des politischen Systems der Zweiten Republik, und deswegen freue ich mich heute ganz besonders, dass ich in dieser Folge zwei Gäste begrüßen darf, die Teil der großen Interessensvertretungen in der Sozialpartnerschaft sind. Nämlich, willkommen, Franz Hörl.
HÖRL: Herzlich willkommen.
LUKÁŠ: Und Josef Muchitsch.
MUCHITSCH: Danke für die Einladung.
LUKÁŠ: Wir sind hier ja wieder mal im Parlamentsgebäude und genauer sitzen wir heute in einem Raum, in dem waren wir noch gar nicht, und zwar im Reflektorium. Das ist ein Rückzugsraum für Mitarbeiter:innen und Gäste des Parlaments zur Entspannung und zum Reflektieren. Hat jemand von Ihnen beiden hier schon mal Zeit verbracht beziehungsweise wie fühlen Sie sich hier? Wie ist der Vibe?
MUCHITSCH: Jetzt fühle ich mich zurückgezogen, entspannt und bereit für ein gutes Gespräch. Von der geschichtlichen Entwicklung her hat es hier natürlich immer Gespräche hinter verschlossenen Türen gegeben. Man ist mit Interessenskonflikten hineingegangen, aber mit Lösungen herausgekommen.
LUKÁŠ: Wow, danke, Herr Muchitsch. Das klingt extrem positiv. Vielleicht, Herr Hörl, bevor Sie ihre Stimmung wiedergeben, die der Raum in Ihnen auslöst, würden Sie uns vielleicht kurz beschreiben, wie dieser Raum aussieht?
HÖRL: Also, bisher waren es ja Blitzbesuche: Kurz reinschauen, staunen und dann wieder abhauen. Jetzt, nachdem der Beppo Muchitsch das gesagt hat, dass man hier immer mit guten Dingen rausgeht, sehe ich eigentlich diese helle, wunderbar renovierte Stätte hier. Reflektorium, Zeit zum Nachdenken haben wir heute nicht, aber ich werde das in Zukunft - auch die schönen Sofas hier - ich werde die versuchen, auszunutzen.
LUKÁŠ: Ja, besser wäre es schon, wenn wir darüber nachdenken, was wir in diesem Podcast besprechen. Wobei, vielleicht geht es Ihnen auch automatisch von der Zunge, weil Sie beide ja schon lange im Spiel sind, sozusagen. Wollen wir mal ganz kurz auf die Biografien eingehen, damit unsere Zuhörer:innen wissen, mit wem wir da heute das Vergnügen haben. Herr Muchitsch, ich beginne mit Ihnen. Sie sind seit fast zehn Jahren Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz und auch Kammerrat der Arbeiterkammer Wien. Und Herr Hörl, Sie sind in der Wirtschaftskammer Österreich seit fast 15 Jahren Obmann des Fachverbands der Seilbahnwirtschaft und Sie waren bis vor kurzem Landesgruppenobmann des Österreichischen Wirtschaftsbundes in Tirol. Da frage ich Sie beide mal ganz direkt, was genau ist denn überhaupt die Sozialpartnerschaft im Allgemeinen? Das ist ja etwas, dass es nicht nur in Österreich gibt. Vielleicht, Herr Hörl, wollen Sie damit beginnen? Was bedeutet Sozialpartnerschaft?
HÖRL: Also, ich glaube, die Sozialpartnerschaft ist in Österreich eine ganz wichtige Institution, die eigentlich dem Ausgleich und dem Wohlstand des Landes verpflichtet ist und wo sich Arbeitnehmer und Unternehmer gemeinsame Ziele feststecken, im besten Fall dann auch gemeinsame Lösungen finden und eigentlich alle den gemeinsamen Wohlstand im Auge haben. Und die Sozialpartnerschaft ist auch noch ein Pool von Experten in den Kammern, sowohl auf der Arbeiterkammerseite, natürlich auch in der Wirtschaftskammer, auch in der Gewerkschaftsbewegung und natürlich auch bei den Landwirten. Wir haben einen ganz großen Pool an Wissen und sehr gut gebildeten und erfahrenen Experten, die uns dann immer wieder auch helfen, Dinge, die im Detail sehr kompliziert sind, so auf die Straße zu bringen, dass es die Menschen verstehen und dass sie für unsere Heimat wohlstandsmehrend sind.
LUKÁŠ: Darf ich da eine kurze Frage im Sinne der Hörer:innen anschließen, bevor ich zu Ihnen, Herr Muchitsch, komme und zu Ihrer Definition von Sozialpartnerschaft: Wann war Ihr erster Kontakt in Ihrem Leben mit Sozialpartnerschaft? Wie alt waren Sie da, und wo haben Sie das Thema zum ersten Mal berührt?
HÖRL: Das war vielleicht etwas komplizierter, weil es sehr emotional war, weil ich mich da geärgert habe über die Wirtschaftskammer. Ich bin ja mit 21 Jahren Unternehmer geworden und war damals noch etwas ungeduldiger und die Dinge, die passiert sind, sind immer zu langsam gewesen und auch nicht richtig gewesen und ich war eigentlich eher Kritiker. Ich bin in die Wirtschaftskammer oder in die Interessensvertretung dann über die Politik, nämlich über die Kommunalpolitik, immer wieder dann gerufen worden, wenn es in der Wirtschaftskammer in Tirol Streit und Hader gab und wenn ich dort Dinge lösen musste. Ich habe aus der Politik in die Wirtschaftskammer dann immer wieder Funktionen übernommen. Fast alles schon Bezirksobmann, Spartenobmann, Fachgruppenobmann, Fachverbandsobmann, ich war sogar Vizepräsident einmal, und habe die Dinge dann, wenn sie geregelt waren, meistens wieder übergeben. Was mir geblieben ist, sind die Seilbahnen. Den Tiroler Wirtschaftsbund, den habe ich mit großem Erfolg an eine junge Dame, an die Barbara Thaler, weitergegeben, sodass der Wirtschaftsbund jetzt in Frauenhänden ist.
LUKÁŠ: Vielen Dank für diese Einführung. Lieber Herr Muchitsch, was ist Ihre Definition von Sozialpartnerschaft, und auch bei Ihnen interessiert mich, wann sind Sie damit zum ersten Mal in Kontakt gekommen?
MUCHITSCH: Ich mache es ein bisschen kürzer. Sozialpartnerschaft, das sind für mich die Praktiker auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite in der Arbeitswelt, die Vertreter dieser beiden Gruppen. Nirgends funktioniert die Sozialpartnerschaft in Summe im internationalen Vergleich so gut wie in Österreich, nach wie vor. Und die Sozialpartner haben einen ganz großen Auftrag, im Dialog Lösungen zu finden, um Interessenkonflikte zu lösen. Das ist der Auftrag der Sozialpartner. Mein erster Kontakt war vor 40 Jahren. Ich war Jugendvertrauensrat und durfte bei einer Kollektivvertragsverhandlung dabei sein, um die Interessen der jugendlichen Menschen in der Bahnwirtschaft zu vertreten. Es hat damals zwei Lohngruppen gegeben, ich war Lehrling im zweiten Lehrjahr. Es hat aber in der Lohngruppe Hilfsarbeiter unter 18 gegeben mit einem niedrigeren Lohn und Hilfsarbeiter über 18 mit einem höheren Lohn. Und dort war meine Frage an die Arbeitgebervertreter, arbeitet jetzt ein Jugendlicher unter 18 weniger, mehr oder gleich viel? Das ist somit gelungen, hier eine Lohngruppe zu gestalten. Das war mein erster Kontakt und seitdem bin ich motiviert, hier weiter zu tun.
LUKÁŠ: Sehr gut. Wenn man sagt, die Sozialpartner in Österreich, wer spricht denn da eigentlich miteinander? Wer sind diese Interessensvertretungen, die miteinander neue Lösungen entwerfen, Herr Hörl?
HÖRL: In den einzelnen Berufsgruppen die Unternehmervertreter, Fachverbände, Fachgruppen mit den Arbeitnehmern, mit den Sozialpartnern. Bei uns, bei den Seilbahnen zum Beispiel, mache ich das direkt mit dem Walter Bacher, der ist unser Sozialpartner. Und da setzt man sich im Jahr zwei, dreimal zusammen, versucht, die Themen zu diskutieren und dann einmal in einer Verhandlung wieder auf eine Lösung zu kommen.
LUKÁŠ: Und wer sind jetzt eigentlich die Sozialpartner? Kann man das ganz kurz für unsere Hörer:innen darlegen, die sich vielleicht im politischen System nicht wahnsinnig gut auskennen, aber gerne immer was dazulernen oder sich weiterbilden wollen? Könnten wir die einmal ganz kurz vielleicht aufzählen?
MUCHITSCH: Das sind die Vertreterinnen von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Zu den Sozialpartnern gehören die Kammern, das heißt diejenigen, die im öffentlichen Recht geregelt sind mit einer Pflichtmitgliedschaft. Und dann noch die freiwilligen Interessensvertretungen, wie zum Beispiel die Gewerkschaft und die Landarbeiterinteressensvertretung.
LUKÁŠ: Und ich schätze, so wie Sie vorher erzählt haben, sind Sie beim ersten Mal zum Poltern in die Wirtschaftskammer gegangen? So würde ich das jetzt mal umschreiben.
HÖRL: Ich glaube, es ging um Arbeitsmarkt, also gewählte Funktionäre der Unternehmer, in den einzelnen Fachgruppen oder Fachverbänden und natürlich dasselbe auf der Arbeitnehmerseite, Vertreter der Arbeitnehmerschaft in dieser Berufsgruppe. Und das ist das wirklich Erwähnenswerte, weil sich da die Hafner und die Fliesenleger und die Seilbahner und die Touristiker und die Mechatroniker, die in der jeweiligen Berufsgruppe mit ihrem Überblick, den sie haben, was da sein könnte: Zum Beispiel wie hoch kann eine Lohnerhöhung sein? Das geht dann bis hinauf zu den Metallern, und das ist dann medienwirksam. Aber die einzelnen, wie der Beppo das schon gesagt hat, Spezialisten, Praktiker aus diesen Gruppen versuchen, sich zu nähern und dann ihre Bedingungen, ihre Kollektivverträge abgestimmt wieder auf die Berufsgruppe und auf deren Probleme. Und das ist der große Wert, glaube ich, und die Kammern unterstützen das mit den jeweiligen Experten, mit diesem riesigen Pool an Arbeitsrechtlern, Medizinern, was immer es braucht dazu. Das gibt dann das Bild ab, wo sich der Arbeitnehmer entsprechend respektiert fühlt und der Unternehmer sagt, ich kann es gerade noch zahlen. Und wenn irgendwas rauskommt, was gut ist, dann heißt das für das Arbeitsklima gute Geschichten. Wenn wir uns jetzt gerade in Deutschland anschauen, die Streiks, dann sind doch die Sozialpartner, glaube ich, ein Garant dafür, dass man es hier am Tisch noch ausmacht und im Lokal ausmacht.
LUKÁŠ: Da frage ich jetzt gleich weiter - die Interessensvertretungen in der Sozialpartnerschaft: Wie sind die entstanden? Würden Sie uns da vielleicht ganz kurz einen Einblick geben, Herr Muchitsch?
MUCHITSCH: Also in der jetzigen Form, in der Nachkriegszeit, das heißt der Zweite Weltkrieg: Österreich war in Schutt und Asche. Es war die große Herausforderung, das Land wieder aufzubauen, gemeinsam aufzubauen. Dort wurde die Sozialpartnerschaft in der jetzigen Form gegründet, und es war letztendlich ein großes gemeinsames Ziel: Rahmenbedingungen zu schaffen für die Menschen, die arbeiten, für die Unternehmer, die bereit sind, Unternehmen zu gründen, um dieses Land wieder aufzubauen, gemeinsam in einen sozialen Frieden. Mit dem großen Ziel, dass es den Menschen wieder besser geht in diesem Land. Egal, ob Unternehmer oder Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer und ich glaube, das ist sehr gut gelungen. In den Jahrzehnten danach hat es dieses Land, unser Österreich, letztendlich auch durch die Sozialpartnerschaft und mit Unterstützung der Sozialpartner zu einem wirklich international guten, im Vergleich, Wohlstand gebracht.
LUKÁŠ: Vielen Dank. Ich würde jetzt von Ihnen beiden was abfragen und die Antworten aber beschränken und Sie bitten, dass Sie sie kurz halten. Und zwar sieht man ja im Laufe dieses Gespräches schon, dass Sie irgendwie an unterschiedlichen Enden des politischen Spektrums, der Interessen, agieren. Trotzdem gehen Sie freundlich miteinander um. Das sind auch Kollegen. Es gibt also Interessensgegensätze und gemeinsame Ziele. Ich hätte gern, dass jeder von Ihnen sowohl zwei Gegensätze als auch zwei gemeinsame Ziele benennen kann, die Sie verbindet beziehungsweise auseinanderdividiert.
MUCHITSCH: Interessensgegensatz ist, wenn wir auch im Zuge von Kollektivvertragsverhandlungen über die Gestaltung von Arbeitszeiten reden oder über die Gestaltung von Zulagen, Zuschlägen, also das, was dann den Unternehmer an Mehrbelastung trifft. Aber auf der anderen Seite wir als Teil unseres Erfolges bei den Beschäftigten sehen haben wollen, nämlich dass wir auch ein Stück des Kuchens haben wollen. Und das hat nicht immer nur mit mehr Einkommen zu tun und mit Lohnerhöhungen und Gehaltserhöhungen. Das hat auch im Rahmenrecht etwas mit Arbeitszeit, Arbeitnehmerschutz bis hin zu Zulagen und anderen Maßnahmen zu tun, mehr bezahlte freie Arbeitstage. Also das sind so die Interessenskonflikte, die es aber gilt, am Verhandlungstisch zu diskutieren und zu lösen.
LUKÁŠ: Und das Gemeinsame?
MUCHITSCH: Das Gemeinsame ist, eine gemeinsame Lösung zu haben, weil einer der wichtigsten Gründe überhaupt für die internationale Wirtschaft in Österreich zu investieren, beziehungsweise Unternehmen zu gründen ist, weil sie wissen, dass es einen sozialen Frieden gibt. In der Streik-Statistik reden wir nicht von Streikminuten, sondern von Streiksekunden, gemessen an allen vier Millionen Beschäftigten in diesem Land und das ist schon ein wichtiger Punkt, dass das auch zum Ausdruck bringt, wie Sozialpartnerschaft funktionieren soll.
LUKÁŠ: Danke, und gerne von Ihnen auch zwei.
HÖRL: Also ich glaube auch, dass der gemeinsame Erfolgt das ist, dass ich als Unternehmer dann vor Ort in unserer Skiliftgesellschaft oder in der Gastronomie oder auch in jedem anderen Unternehmen mich dann nicht tagtäglich damit beschäftigen muss, weil jemand kommt und zu wenig bekommt oder zu wenig Geld hat. Sondern weil wir einen Kollektivvertrag haben, eine Vertragsbasis, wo sich dieser Wirtschaftszweig einfach an dem orientiert. Und ich mich eigentlich mit dem beschäftigen kann, was meine Aufgabe ist als Unternehmer, nämlich ein Geschäft zu machen und zu schauen, dass Aufträge reinkommen und so weiter. Also das ist schon ein ganz großer Vorteil. Und was viel zu wenig gesehen wird: Wir sind eines von sieben Ländern, wo wir diese Lehrlings- und Facharbeiterausbildung haben. Die kommt ja auch aus der Sozialpartnerschaft. Da wird ja auch gemeinsam geschaut, dass wir gerade Lehrlingsausbildung und so weiter so ordnen, dass es passt. Das gibt es auch in der europäischen Union nur in sieben Ländern. Deshalb tun wir uns beispielsweise bei der Rot-Weiß-Rot-Karte auch manchmal so schwer, weil hier ein Abgleich von Berufsbildern verlangt wird. Ich kann einen spanischen Koch nicht mit einem österreichischen vergleichen, weil es diesen spanischen Koch dort nur als Angelernten gibt und bei uns gibt es ihn eben als Fachmann und das gleiche ist es dort. Wo wir natürlich schon unterschiedliche Anschauungen haben ist das Weltbild. Weil ich mir zum Beispiel gerade das jetzt herausgesucht habe: 1,16 Millionen Menschen haben ein Jahreseinkommen zwischen 40 000 und 70 000 Brutto, zahlen aber insgesamt an der Einkommensteuer nur 33 Prozent. 300 000 Menschen haben ein Jahreseinkommen von über 70 000 Euro und zahlen fast 45 Prozent Steuern. Also das Aufkommen für unseren Vater Staat, für das ganze Sozialgefüge, ist schon auch in einer Schieflage. Da haben wir manchmal Konflikte, wo wir anfangen. Was wir natürlich in Österreich haben: Wir haben einen unglaublich hohen Anteil an Teilzeitarbeit. Das wird ein gemeinsames Problem, weil sich das ganze Gesundheitswesen daran aufhängt. Da haben wir eher die Differenzen, wie wir das jetzt gerade am besten ausverhandeln. Aber das ist jetzt nicht unbedingt Kollektivvertrag, weil ich glaube, dass auch die Sozialpartner viel mehr sind als das. Natürlich, durch den Beitritt zur Europäischen Union ist die ganze alte Sozialpartnerschaft, die mehr oder weniger das Land im Griff gehabt hat, stückweise zurückgebaut worden. Aber ich glaube, man sollte in den nächsten Jahren wieder schauen, dass man das schon auch ein bisschen wieder ausbaut, weil das ja auch eigentlich politisch gesehen die Mitte repräsentiert. Und das, was wir jetzt erleben, ist, dass die Ränder stärker werden. Das kann eigentlich nicht im Interesse beider sein.
LUKÁŠ: Dann kommen wir zu einer großen Frage, und zwar: Sind Verbände oder Interessensvertretungen in Demokratien unverzichtbar? Ich eröffne das Feld, bitte aber trotzdem um kurze Antworten.
MUCHITSCH: Ja, sie sind eindeutig unverzichtbar, weil aus meiner Sicht Arbeitnehmerpolitik und Arbeitgeberpolitik nicht dem Gesetzgeber überlassen werden darf, sondern diese Interessen, diese Lösungen sind bei den Sozialpartnern in der Vergangenheit und auch in Zukunft bestens aufgehoben.
HÖRL: Wenn ich jetzt für ein Wirtschaftsbund oder für die Wirtschaftskammer rede, aber das trifft ja für alle anderen auch zu: Wenn ich an die letzten vier Jahre denke, dann denke ich, absolut unverzichtbar, weil ich hätte mir diese Covid-Krise nicht vorstellen können, ohne, dass wir nicht beratend und auch leitend dabei gewesen wären. Ich denke nur an die Wirtschaftskammer in Tirol. Wir waren innerhalb von drei Tagen im Homeoffice. Das hat keine Landesregierung zustande gebracht. Die Wirtschaftskammer hat es sofort leisten können. Wir waren – und das gilt für ganz Österreich, ich stelle mir vor, bei euch, die Arbeiterkammer hat das ähnlich gemacht – wir waren im 20 und 30 Mann Team durch das Wochenende durch immer erreichbar, weil die Leute einfach Orientierung gesucht haben. Keiner hat gewusst, wie geht's jetzt weiter? Bei den Lockdowns ist uns ja der Himmel auf den Kopf gefallen. Und wenn ich dann denke, wie schnell eigentlich auch ausgehend von unseren Institutionen das Parlament reagiert hat: Am 13. war die Verkündung, die Pressekonferenz in Innsbruck und am Sonntag hat das Parlament schon getagt, einmalig – dann, denke ich, geht auch sehr viel von diesen Interessensvertretungen aus. Weil es dann einfach notwendig war, dass man zum Beispiel die Kurzarbeitsregelung sofort in eine andere Richtung gedreht hat oder versucht hat, Lösungen zu finden, wie man aus dieser Krise herauskommt. Also Covid, so wie wir es bewältigt haben, wäre ohne die Interessensvertretungen, und ohne die Sozialpartner in keiner Weise möglich gewesen.
LUKÁŠ: Herr Muchitsch nickt.
MUCHITSCH: Kann man nur zustimmen. Da hat man gesehen, wie wichtig Sozialpartnerschaft ist. Wo die Politik nicht gewusst hat, wie es weitergeht, haben die Sozialpartner Lösungen erarbeitet in kürzester Zeit. Von Kurzarbeit bis hin zu Maßnahmen wie wie kann man weiterarbeiten am Bau, trotz Covid, mit Arbeitnehmerschutzprogrammen? Das war Beweis genug.
LUKÁŠ: Jetzt sind wir an einem guten Punkt angekommen. Jetzt haben wir nämlich das Feld geklärt, wo Sie aktiv sind. Und nun kommen wir zu drei kleinen Fragen, die wir jedem Interviewpartner und jeder Interviewpartnerin, die bei uns Platz nimmt, stellen. Herr Hörl, erste Frage: Frühling oder Herbst?
HÖRL: Herbst, bin Jäger.
LUKÁŠ: Keine weiteren Fragen. Nein, es gibt noch eine zweite Frage: Kompromiss oder beste Lösung?
HÖRL: Kompromiss.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie Demokratie an?
HÖRL: Eigentlich in der Familie.
LUKÁŠ: Wunderbar. Herr Muchitsch, ob Sie diese Kürze schlagen können? Wir werden es gleich erfahren.
MUCHITSCH: Schwer.
LUKÁŠ: Schwer, Ein-Wort-Antworten. Frühling oder Herbst?
MUCHITSCH: Frühling.
LUKÁŠ: Kompromiss oder beste Lösung?
MUCHITSCH: Kompromiss.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie Demokratie an?
MUCHITSCH: Familie. Wenn ich es begründen darf: Es fängt bei der Entscheidung an, was für eine Tageszeitung bestellen wir jetzt oder nicht? Was für einen Blumenstrauß kaufen wir für die Schwiegermutter zum Valentinstag? Welche Farbe nehmen wir beim Vorhang? Dort fängt die Demokratie an. Auch dort braucht es Kompromisse.
LUKÁŠ: Finde ich toll, dass das in ihrer Familie demokratisch gelöst wird.
MUCHITSCH: Vor allem bei der Schwiegermutter.
LUKÁŠ: In vielen anderen Familien gibt es da Bereiche, Entscheidungsbereiche. Zurück zum Thema. Jetzt schauen wir uns an, wie die Interessensvertretungen Einfluss auf die Arbeit des Parlaments nehmen, denn wir sind hier im Parlament. Das ist der Parlamentspodcast. Wir wollen wissen, was genau hier in diesem Haus passiert. Der Einfluss der Sozialpartner, also von Interessensvertretungen auf das Parlament und den Gesetzwerdungsprozess – welche Mittel stehen den Interessensvertretungen zur Verfügung, um ihre Ziele durchzusetzen, Herr Muchitsch?
MUCHITSCH: Nachdem die Sozialpartner in den verschiedensten Parteien auch vertreten sind, natürlich durch Einbringen von Initiativen in Gesetzesmaterien mit Abstimmung des zuständigen Bundesministeriums und letztendlich das grüne Licht durch den Ministerrat. Wenn es hier Sozialpartnerinitiativen gibt, die die Branche braucht, die die Branche will, ohne dass es dem Staat zusätzliches Geld kostet, dann haben wir in der Vergangenheit doch einige Gesetze zustande gebracht als Sozialpartner, Klammer auf Bau-Sozialpartner. Ansonsten die gleichen Möglichkeiten wie von jedem anderen Staatsbürger in diesem Land, mit Petitionen, mit Versuch von Volksbegehren bis hin zu Bürgerinitiativen.
LUKÁŠ: Haben Sie da noch was zu ergänzen, beziehungsweise könnten Sie vielleicht den Weg, den der Herr Muchitsch geschildert hat, ein bisschen greifbarer machen? Aus der Theorie auf den Boden bringen?
HÖRL: Schwierig, aber als ÖVP-ler habe ich ja einen Vorteil. Wir hätten die Sozialpartner in der eigenen Partei. Wir würden ja keine anderen brauchen, außer dass wir Mehrheiten brauchen, weil wir haben ja auch den AAB und den Wirtschaftsflügel. Natürlich, es geht um Wünsche, die man geändert haben will, die auch in unserer Partei zum Beispiel auch vielfältig sind. Jetzt muss man eben schauen, wie kriegt man das auf den Boden? Der Beppo Muchitsch hat es eben sehr gut beschrieben, das geht sogar bis zum Streik. Man sieht es ja in Frankreich, bei den Bauern oder auch woanders: Das kürzen wir dann meistens ab, weil es auch außerhalb des Parlaments bei den Sozialpartnern Gespräche gibt, wo man vielleicht mit Vorschlägen an die Regierung herankommt, oder die Sozialpartner direkt von der Regierung eingeladen werden, oder, wenn es ganz weit fehlt, sich die Sozialpartner aus den Parteien und aus dem Plenum die Nationalräte zusammensetzen und sagen, dies und das hätte man gelöst und das Parlament macht dann Eigeninitiative. Der Vorteil davon ist, dass wir über diese ganzen Interessensvertretungen natürlich auch einen Expertenpool haben, den man dann auch dazu braucht, dass man ein Gesetz schreiben kann.
LUKÁŠ: Apropos Gesetz schreiben: Weil die Interessensvertretungen nehmen ja auch Einfluss auf die Gestaltung von Gesetzen, indem sie auch im Nationalrat und Bundesrat vertreten sind. Herr Hörl, Sie zum Beispiel sitzen für die ÖVP im Nationalrat, Herr Muchitsch, Sie für die SPÖ. Wo, wann und wie vertreten Sie denn dann als Mandatare die Interessen des ÖGB oder der WKO?
MUCHITSCH: Für meine Person: bei jedem Gesetzesentwurf, bei jedem Initiativantrag, wenn es um die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht. Bei jeder Möglichkeit einer Begutachtung eines Gesetzes oder bei jeder Möglichkeit in Form von Diskussionen und Abänderungsanträgen im zuständigen Ausschuss. Überall dort, wo wir die Möglichkeit haben, Gesetze mitzubeeinflussen, unsere Erfahrung, unsere Praxis einzubringen, dort werden wir es als Gewerkschafter tun.
HÖRL: Natürlich, nicht bei jedem Gesetz kann sich das jeder anschauen. Deswegen gibt es ja diese Ausschüsse auch. Wir schauen uns das natürlich aus anderen Blickwinkeln an. Aber der Vorteil von der Geschichte ist ja, dass es ja in vielen Bereichen schon Einigung gibt, wo Leute von uns dabeigesessen sind, mit ihren Experten sich das angeschaut haben und das, was dann im besten Fall ins Parlament kommt eigentlich sowieso schon ein Kompromiss ist, der tragbar ist für beide Seiten, der auch die Ziele mitträgt. Und dann gibt es ja im Parlament immer noch die Möglichkeit, das auch abzuändern. Da sind ja auch die Klubs hier. Wir haben ja hier im Parlament auch das entsprechende Know-How an entsprechenden Experten. Jedes Gesetz ist irgendwo ein Konsens.
LUKÁŠ: Ja, das haben Sie ja beide in diesen drei Fragen gesagt. Wo es geheißen hat: Kompromiss oder beste Lösung, waren Sie sich beide einig. Kompromiss! Jetzt ist in dem Wort Sozialpartnerschaft auch das Wort Partnerschaft offensichtlich vorhanden. Wie findet man denn zu einem Kompromiss? Das scheint ja immer schwieriger zu werden.
MUCHITSCH: Ich bin ein Verfechter eines Stimmenkompromisses, das heißt, man soll sich Positionen nicht über Medien ausrichten, sondern direkt am Verhandlungstisch. Das heißt, ehrlich miteinander reden, gegenseitig zuhören, Vernunft über die ganzen Themen zu stellen. Letztendlich geht es nur, wenn es auch ein gewisses gegenseitiges Vertrauen gibt. Sonst ist das im Stillen nicht möglich, Kompromisse und Lösungen zu finden.
LUKÁŠ: Und was ist Ihr Tipp zum Kompromiss?
HÖRL: Ich habe das gerade rausgesucht: 2023 haben wir 184 Gesetze beschlossen. Einer alleine schafft das sowieso nicht. Also es kann ja nur im Team sein, im Klub sein, in der gemeinsamen Mannschaft sein. Bis so ein Gesetz dann im Parlament auftaucht geht es Gott sei Dank, hoffentlich – es passieren ja auch gegenteilige Sachen wie damals, als im Budget die Kommastellen vertauscht wurden, das war ja einigermaßen peinlich –, aber im Normalfall ist so ein Gesetz ja 100-mal geprüft worden, bis es hereinkommt. Jeder weiß ja am Ende, dass die gemeinsamen Ziele, die man sich ausgemacht hat, dann möglichst erreicht werden sollen. Ob es dann in der Praxis funktioniert, muss man sehen. Da wird sowieso nach zwei, drei Jahren meistens wieder nachgearbeitet.
LUKÁŠ: Und was wäre jetzt Ihr – wenn ich ein modernes Wort reinwerfen darf – ihr Lifehack für Kompromisse schließen? Was wäre der Tipp?
HÖRL: Am Ende des Tages gilt ja das, was man im normalen Leben auch probiert. Wenn man versucht, einen Partner über den Tisch zu ziehen, das geht vielleicht einmal, zweimal, und dann wird es wahrscheinlich schwierig werden. Meine Grundeigentümer bei der Seilbahn, ich habe noch nie versucht, jemanden über Tisch zu ziehen. Ich sage dem auch, was passiert, weil das geht dann über Generationen. Da habe ich einen Dauerstress. Natürlich geht es in der Politik manchmal etwas rauer zu, aber trotzdem soll es so sein, dass man sich einigermaßen aufeinander verlassen kann, weil sonst wird es schwierig. Und diese Phasen haben wir ja auch in der Politik, dass es manchmal auch schwieriger wird, dass die Sozialpartner auch bewusst zurückgedrängt worden sind. Aber im Endeffekt, wenn dann eine Krise kommt, das haben wir bei Covid gesehen, dann braucht es ganz schnell wieder den Schulterschluss. Der ist dann sowieso meistens in der Mitte und da fangen wir jetzt wieder an. Mit Extrempositionen in der Krise, wenn ich ein Problem lösen muss, komme ich auch nicht weiter.
LUKÁŠ: Jetzt zeichnen Sie beide eigentlich ein harmonisches Bild dieser Sozialpartnerschaft. Es ist aber auch oft so, dass die Sozialpartnerschaft in der öffentlichen Kritik steht. Vielleicht können Sie ganz kurz umreißen für Menschen, die vielleicht das Nachrichtengeschehen nicht so mitverfolgen: Was sind denn die Kritikpunkte, und was wäre aber auch Ihr Konter darauf, beziehungsweise die Argumentation, die man dem entgegensetzen kann? Vielleicht der Herr Muchitsch?
MUCHITSCH: Kritik üben jene, die die Sozialpartnerschaft schwächen wollen, beziehungsweise die Kammern schwächen wollen, die Gewerkschaften schwächen wollen. Die üben natürlich Kritik und das ist eben stark in der Nähe neoliberalen Wirtschaftswelt angesiedelt. Natürlich übt auch die Bevölkerung Kritik, wenn es zum Beispiel zu Streiks kommt, wo der öffentliche Verkehr einmal stillsteht, wo man sagt, das verstehe ich jetzt nicht. Deswegen bin ich ja eher der Verfechter für vernünftige Gespräche im Stillen. Aber Fakt ist, die Sozialpartnerschaft ist ein Garant für einen sozialen Frieden und für eine funktionierende Gesellschaft. Und überall dort, wo sie nicht so ausgeprägt ist wie in Österreich – wir haben 98 Prozent KV-Abdeckung für alle Beschäftigen, verpflichtend. Jeder Mensch, der in unserem Land arbeitet, ob Inländer, Ausländer, ob entsandt oder nicht entsandt, hat Anspruch auf den auf den KV-Lohn, auf den gleichen Lohn. Das gibt es in den anderen Ländern nicht. Zum Beispiel Deutschland hat eine geringe Tarifabdeckung mit unter 50 Prozent. Dort ist der Wirbel vorprogrammiert. Wenn wir diesen Frieden haben wollen, auch in Zukunft, dann muss die Sozialpartnerschaft auch weiterhin gepflegt werden.
LUKÁŠ: Herr Hörl, was ist der größte Kritikpunkt, den Sie bezüglich Sozialpartnerschaft zu hören bekommen? Was wird Ihnen am Öftesten an den Kopf geworden?
HÖRL: Das, was Beppo Muchitsch jetzt gerade gesagt hat, ist ein Riesenvorteil, sehe ich auch so. Aber das kann man natürlich aus der anderen Perspektive sehen, dass das ein überreguliertes Land ist. Und man kann natürlich auch hergehen und kann sagen, diese mächtigen Wirtschaftskammern oder diese Kammern mit den Pflichtmitgliedschaften, da gibt es ein paar Leute, die sind neidig, weil sie dort nichts zu reden haben, beispielsweise NEOs und vielleicht auch die Grünen, da kommt aus dem Grund schon Kritik. Aber natürlich kann man sagen, die Organisation könnte mit weniger Geld auskommen. Die Frage ist ja nur, das Gleichgewicht immer wieder zu finden, auf der anderen Seite hervorragende Experten dort zu beschäftigen, die uns dann auch entsprechend helfen, die Dinge so zu ordnen, dass es passt und vor allen Dingen auch den Überblick über die internationale Konkurrenzfähigkeit nie zu übersehen, weil wir leben in einer globalisierten Welt – das sind viele Dinge, die man halt im Café oder im Tagesgeschehen vielleicht doch ein bisschen rosiger sieht als es eigentlich ist. Wenn man sieht, wie andere Länder aufholen und wie die Konkurrenzsituation da ist: Das Thema ist so komplex, dass es manchmal von außen, gerade wenn ich die Wirtschaftskammer wieder hernehme, als zu protzig, zu groß dargestellt wird und vielleicht auch behauptet wird, es geht mit weniger Aufwand. Mag alles sein, kann man sich ja auch immer wieder anschauen. Aber wenn man sich die Außenorganisation beispielsweise anschaut der Wirtschaftskammer Österreich – wir sind ja Exportland, ein Drittel ist ungefähr Export, da leben wir vom Ausland – also, wenn man sich die Außenorganisation anschaut, die im Inland überhaupt nicht bemerkt wird, das wissen ja nur ganz wenige Leute, die mit dem zu tun haben, die normale Bevölkerung weiß das ja nicht, dann denke ich, dass das Geld schon sehr gerechtfertigt ist. Aber man muss es immer wieder rechtfertigen und man muss natürlich auch immer wieder darum kämpfen, dass es ein Verständnis für die Organisation gibt. Also die Kritik kann sein: Überreguliert, zu teuer zu, zu protzig und so weiter. Auch als alter Kritiker des Kammersystem denke ich, dass das Geld doch gut investiert ist.
LUKÁŠ: Was man immer wieder hört, und da nähern wir uns jetzt dem Ende unseres Gespräches, aber das wollen wir noch ganz kurz ansprechen: Ein häufig geäußerter Kritikpunkt ist mitunter die Intransparenz der Arbeitsweise in der Sozialpartnerschaft. Es wird gesagt, die sei in weiten Bereichen informell und nicht öffentlich. Das wiederum würde ja bedeuten, dass hier ein undemokratischer Einfluss auf den Gesetzwerdungsprozess stattfindet. Was sagen Sie dazu? Ganz zum Schluss letzte Worte an das Publikum.
MUCHITSCH: Gott sei Dank ist das so. Wir erleben ja von der Medienwelt und den Sozialen Medien, wenn da ein Zwischenergebnis vor der Türe verkündet wird, wird es schon zerrissen und gefragt, wer profitiert jetzt mehr und wie können wir die Gesellschaft spalten? Und so, wie es der Anton Benya und der Rudolf Sallinger gemacht haben: Wir gehen erst dann vor die Tür, wenn ein Ergebnis feststeht. Im Notfall sind die zwar auf das Haus gegangen und haben das dort alleine ausgesprochen, weil die Hardliner eben im Verhandlungssaal waren. Mein Erlebnis war, ich bin ja da mal mit einem Industriearbeitgebervertreter zwölf Minuten mit dem Lift auf und ab gefahren in der Wirtschaftskammer bis wir eine Lösung gehabt haben. Weil da hat uns keiner beeinflusst und da hat keiner reingeredet.
LUKÁŠ: Danke für die abschließende Anekdote, sehr nett. Und was meinen Sie, Herr Hörl?
HÖRL: Ja, Intransparenz. Ich glaube, der Vorwurf ist zum Teil ungerechtfertigt, weil die Dinge ja sowieso in der Begutachtungsphase und überall auf den Tisch kommen. Mag schon sein, da bin ich auch der Meinung, solange ich an Themen arbeite, an kontroversellen Themen arbeite, bringt das nichts, wenn wir jetzt zu dritt oder zu viert oder zu zehnt oder zu fünfzehnt Dinge versuchen zu verhandeln und mit Teilergebnis dauernd an die Öffentlichkeit gehen. Das mag zwar für die Medien wichtig sein und toll sein, weil jeden Tag eine neue Story da ist, aber es hilft uns allen nicht weiter. Ich bin der Meinung, das läuft alles korrekt ab. Und wenn nicht, dann gibt es ja auch die vierte Macht im Staat: Pressefreiheit und eine entsprechend gut geschulte Presse, die wir in diesem Land auch haben. Die schauen uns dann schon auf die Finger und das ist auch gut so.
LUKÁŠ: Danke für dieses gute und demokratische Gespräch. Vielen Dank, Herr Muchitsch, vielen Dank, Herr Hörl, dass Sie gekommen sind und sich abends noch die Zeit genommen haben, um mit uns hier im Reflektorium ein bisschen über Sozialpartnerschaft zu sprechen und nachzudenken.
HÖRL: Herzlichen Dank.
MUCHITSCH: Sehr gerne. Danke.
HÖRL: Danke.
LUKÁŠ: Und das war es auch schon wieder mit dieser Folge. Ich hoffe, sie hat euch gefallen und natürlich wäre es toll, wenn ihr auch das nächste Mal wieder dabei wärt. Da geht es nämlich auch um eine Art der Einflussnahme, die in der Öffentlichkeit oftmals einen schlechten Ruf genießt, nämlich den Lobbyismus. Ob dieser schlechte Ruf gerechtfertigt ist und ob der Lobbyismus nicht etwas ist, ohne das eine parlamentarische Demokratie gar nicht auskommen kann, diese Frage werde ich mit Doris Dialer und Nicole Bäck-Knapp klären, ihres Zeichens eine Lobbyismusforscherin und Diplomatin sowie eine Vertreterin der Lobby-Branche. Wenn ihr diese und alle weiteren Folgen von "Rund ums Parlament" nicht verpassen wollt, dann abonniert uns einfach auf Spotify, Apple-Podcasts, Deezer oder Amazon Music. Wenn ihr mögt, gebt uns gerne dort eine Bewertung oder hört auch gerne mal in die zurückliegenden Folgen, also in unser Archiv, rein. Das würde uns sehr freuen. Falls ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zum Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an podcast@parlament.gv.at und vergesst nicht, auch mal auf unserer Website und den Social-Media-Kanälen des österreichischen Parlaments vorbeizuschauen. Dort findet ihr jede Menge Informationen und Angebote rund um das österreichische Parlament und zu unserer Demokratie. Also, ich freue mich schon auf die nächste Folge mit euch. In diesem Sinne sage ich, wie immer, vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
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