Wie zukunftstauglich ist unser Pensionssystem?
Politik am Ring #27 vom 15. Mai 2023
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Thema
Die Menschen in Österreich erreichen ein immer höheres Lebensalter. Jedes Jahr steigt der Anteil der Pensionistinnen und Pensionisten. 2070 wird fast ein Drittel der Bevölkerung in Pension sein. Gleichzeitig steigen staatliche Zuschüsse für die Pensionen.
Sind diese treffsicher und ist unser Rentensystem in der derzeitigen Form zukunftstauglich oder braucht es Reformen – und wenn ja, welche?
Teilnehmer:innen der Diskussion
Teilnehmer:innen der Diskussion:
- Christoph Zarits (ÖVP)
- Josef Muchitsch (SPÖ)
- Rosa Ecker (FPÖ)
- Yannick Shetty (NEOS)
Eingeladene Fachleute:
- Dinah Djalinous-Glatz, Österreichischer Gewerkschaftsbund
- Winfried Pinggera, Pensionsversicherungsanstalt
Diskussion
Zarits (ÖVP): Viele Länder beneiden Österreich um Pensionssystem
Im türkis-grünen Regierungsprogramm ist festgeschrieben, dass es keine grundlegende Neuausrichtung des österreichischen Pensionssystems brauche. Das unterstrich Christoph Zarits (ÖVP). Österreich habe ein Pensionssystem, um das uns viele andere Länder beneiden würden, meinte er. Die Menschen müssten sich im Alter auf den Staat verlassen können. Um das System zukunftsfit zu machen, führte Zarits die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung und den Frühstarterbonus als Maßnahmen an, die die Koalition bereits gesetzt habe.
Eine Änderung, die die ÖVP "unbedingt umsetzen" wolle, sei das automatische Pensionssplitting, also das Umverteilen von Pensionsbeiträgen zwischen den Elternteilen. Das würde zu höheren Pensionen von Frauen führen, zeigte Zarits sich überzeugt. Die wichtigste Schraube, an der es für ein "zukunftsfittes" Pensionssystem zu drehen gilt, ist für Zarits, das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche heranzuführen. Damit Menschen länger arbeiten, müssten sie wissen, dass "es etwas bringt", forderte Zarits mehr diesbezügliche Beratung ein. Insgesamt sei die staatliche Pension sehr wichtig. Die zweite und dritte Säule, also die betriebliche und die private Pensionsvorsorge, sollen aber ebenso erhalten bleiben.
Muchitsch (SPÖ): Staatliche Pensionsvorsorge als sicherste Säule
Auch Josef Muchitsch (SPÖ) befürwortete das österreichische Pensionssystem in seinen Grundsätzen. Das staatliche Pensionssystem sei die sicherste Säule. Diese gelte es, instand zu halten. Wo es Handlungsbedarf gebe, brauche es freilich Änderungen. Konkret kritisierte Muchitsch die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung als "nicht fair" in Zeiten einer hohen Teuerung. In Kombination mit der schrittweisen Anpassung des Frauenpensionsantrittsalters, die dazu führe, dass Frauen überwiegend in der Jahresmitte in Pension gehen, hält die SPÖ die Aliquotierung für ungerecht. Gemeinsam mit der FPÖ werde die SPÖ deshalb am Dienstag einen Antrag auf Prüfung der Regelung beim Verfassungsgerichtshof einbringen, kündigte Muchitsch an.
Muchitsch bezeichnete es wie Zarits als wichtig, das faktische Antrittsalter anzuheben. Es gelte, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Menschen bis zu ihrer Pension arbeiten können. Mit Blick auf die niedrigeren Frauenpensionen war Muchitsch der Ansicht, dass unbezahlte Pflegearbeit, die überwiegend von Frauen geleistet werde, sich nicht in dem Ausmaß auf die Pension auswirke, wie sie es müsste. Als Maßnahme für die Zukunftssicherung des Systems forderte Muchitsch, alle tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten zu erfassen und damit unbezahlte Überstunden zu verhindern. Dadurch würden sich die Beiträge ins System erhöhen.
Ecker (FPÖ) fordert Maßnahmen für Frauen und Familienoffensive ein
Auch Rosa Ecker (FPÖ) sprach sich für eine Beibehaltung des derzeitigen Pensionssystems aus. Sie finde es bedenklich, die Sicherheit des Systems in Frage zu stellen, und befürchtete, dass das bei den Jungen zu Perspektivenlosigkeit führen könne.
Aus ihrer Sicht gibt es einige Faktoren, bei denen man ansetzen könnte, insbesondere mit Blick auf die Frauen. Diese seien mehr und länger krank, viele würden aus der Arbeitslosigkeit in Pension gehen. Es brauche daher arbeitspolitische Maßnahmen, damit Frauen es gesundheitlich schaffen, länger in Beschäftigung zu bleiben. Ein Problem sei auch, dass unbezahlte Pflegearbeit im Pensionssystem nicht oder zu wenig honoriert werde. Wer Leistungen wie Kindererziehung oder Pflege übernehme und damit dem Staat Geld spare, müsse davon auch in der Pension profitieren, so die Abgeordnete. Ecker forderte außerdem eine Familienoffensive ein. Langfristig müsse man Familien so unterstützen, dass sie sich für mehr als ein Kind entscheiden. Dann gebe es in Zukunft wieder mehr Menschen, die ins System einzahlen.
Shetty (NEOS) für grundlegende Neuaufstellung des Pensionssystems
Die Position der NEOS sei im Widerspruch zu dem, was alle anderen Parteien sagen, betonte Yannick Shetty. Aus seiner Sicht sei der Generationenvertrag längst aufgekündigt. Immer weniger junge Menschen müssten die Pensionen von immer mehr älteren Menschen finanzieren. Das könne sich nicht ausgehen, so Shetty, der sich für eine grundlegende Neuaufstellung des Systems aussprach. Er kritisierte, dass die Politik mit Blick auf Wahlen nur populäre Entscheidungen treffe. Gerade in dieser Angelegenheit müssten aber auch unangenehme Entscheidungen getroffen werden.
Eine Reform des Systems sollte laut Shetty nach dem Vorbild skandinavischer Länder passieren, in denen die Pensionen viel nachhaltiger organisiert seien. Ein einheitliches Pensionskonto für alle und ein Referenzantrittsalter in Abhängigkeit der Lebenserwartungen sind zwei seiner Kernforderungen. Auch das von der ÖVP forcierte automatische Pensionssplitting würden die NEOS unterstützen, legte der Abgeordnete dar. Außerdem gelte es, die zweite und dritte Säule des Pensionssystems zu stärken und beispielsweise einen Teil der Pensionsvorsorge über den Aktienmarkt zu regeln.
Expert:innen gegen Neuausrichtung des Pensionssystems
Den Bedarf für eine grundlegende Reform des österreichischen Pensionssystems sahen die beiden Expert:innen Dinah Djalinous-Glatz (Österreichischer Gewerkschaftsbund) und Winfried Pinggera (Pensionsversicherungsanstalt) nicht.
Die Ausgaben des Staats würden dank bereits gesetzter Maßnahmen nicht so exorbitant ansteigen, wie dies oft vermittelt werde, sagte Djalinous-Glatz. Das System sei allgemein ein gutes, wenngleich Österreich bei den Frauenpensionen beträchtlich unter dem EU-Schnitt liege. Neben einem Ausbau von Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen, sprach sich die Expertin daher auch für eine bessere Anrechnung der geleisteten Erziehungs- und Pflegearbeit aus.
Auch Pinggera meinte, er könne eine "gewisse Entwarnung" geben. Es brauche keine große Reform, aber permanente Anpassungen im System, die allerdings behutsam durchgeführt werden sollten. Pinggera warnte insbesondere vor "Schnellschüssen" und "Wahlgeschenken". Der Experte sprach sich dafür aus, den Menschen dabei zu helfen, möglichst bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter arbeiten zu können. Fortbildungen und Umschulungen sah er hier als Chancen.
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