News 22.09.2025, 09:31

80 70 30: Warum der Bundesrat als Europakammer bezeichnet wird

Mit dem österreichischen EU-Beitritt vor 30 Jahren musste auch der Bundesrat Gesetzgebungskompetenzen abgeben. Die EU-Mitgliedschaft führte aber schrittweise zu einer Erweiterung seines Aufgabenfelds: Die zweite Kammer des Parlaments ist dafür zuständig, regionale Bezugspunkte in die europäischen Entscheidungsprozesse einzubringen. Daher wird der Bundesrat auch als Europakammer bezeichnet.

EU-Ausschuss des Bundes­rats tagt einmal pro Monat

Seit dem EU-Beitritt 1995 trat der EU-Ausschuss des Bundesrats bisher zu insgesamt 228 Sitzungen zusammen. In den vergangenen 30 Jahren wirkte der EU-Ausschuss des Bundesrats mit 18 (bindenden) Stellungnahmen, 71 Mitteilungen und 34 Subsidiaritätsrügen am EU-Gesetzgebungsverfahren mit. Das Themenfeld, zu dem Subsidiaritätsrügen beschlossen wurden, ist breit. Betroffen waren unter anderem EU-Pläne zum europäischen Kaufrecht, eine Trinkwasserrichtlinie, eine Saatgut- sowie eine Statistikverordnung, EU-Pläne für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zum Europäischen Klimagesetz. Zuletzt schickte der EU-Ausschuss des Bundesrats im Jahr 2020 eine Subsidiaritätsrüge nach Brüssel.

Die Sitzungen des EU-Ausschusses des Bundesrats sind öffentlich und die Inhalte der Sitzungen in auszugsweisen Darstellungen auf der Website des Parlaments nachzulesen. Das Archivbild zeigt eine Ausschusssitzung im Jahr 2018.

Subsidiaritätskontrolle prüft "europäischen Mehrwert"

Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die sogenannte Subsidiaritätskontrolle festgelegt, die vom Bundesrat in der Regel durch seinen EU-Ausschuss wahrgenommen wird. Im Sinne der Bürgernähe soll sichergestellt werden, dass die EU nur dort reguliert, wo es tatsächlich europäischen Mehrwert gibt und wo die mitgliedsstaatliche, regionale oder lokale Ebene ein Ziel nicht ausreichend gut selbst erreichen kann.

Somit kann der EU-Ausschuss des Bundesrats seither in Wahrnehmung des Subsidiaritätsprinzips mittels "Begründeter Stellungnahmen" zu EU-Gesetzgebungsvorhaben - beispielsweise zu geplanten Richtlinien und Verordnungen – Einspruch erheben, wenn er der Auffassung ist, dass die Ziele der Regelung besser auf österreichischer als auf EU-Ebene verwirklichbar sind.

Die Subsidiaritätskontrolle – sowie auch die Möglichkeit, per Mitteilungen politische Anliegen direkt an die EU-Institutionen zu richten – ergänzen seit dem Vertrag von Lissabon die bereits seit dem EU-Beitritt bestehende Möglichkeit, die österreichische Position zu einem EU-Vorhaben mittels Stellungnahmen mitzugestalten. Darüber hinaus werden in der Praxis aber auch gemeinsame bzw. einheitliche Länderstellungnahmen gemäß Art. 23d B-VG zu konkreten EU-Vorlagen in der Regel vom Bundesrat aufgegriffen und etwa bei der Erstellung der Tagesordnungen des EU-Ausschusses berücksichtigt. Zuletzt spielte dies bei den Verhandlungen über das sogenannte Renaturierungsgesetz eine zentrale Rolle.

Bundes­rat zählt EU-weit zu den aktivsten Kammern

EU-weit zählt der Bundesrat über einen längeren Betrachtungszeitraum zu den aktivsten Kammern. Bei einer Festveranstaltung im Jahr 2020 anlässlich des Jubiläums "100 Jahre Bundesrat" wies die ehemalige Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein laut Parlamentskorrespondenz in einer Festrede darauf hin, dass der Bundesrat vor allem in Angelegenheiten der EU "im EU-Ausschuss nachhaltige Aktivitäten entfaltet" habe.

Die ehemalige Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein im Jahr 2020 bei ihrer Festrede anlässlich "100 Jahre Bundesrat".

Ausschuss der Regionen

Regionale und lokale Gebietskörperschaften werden auf EU-Ebene auch durch den Ausschuss der Regionen (AdR) eingebunden, der bis zu sechs Mal im Jahr zu Plenartagungen in Brüssel zusammenkommt. Österreich ist mit je zwölf Mitgliedern und Stellvertreter:innen vertreten.