Open Data Showcases - Verhandlungsgegenstände 30.04.2025

Mitreden in Europa – Aufgaben des Bundesrats mit EU-Bezug

Mitreden in Europa – Aufgaben des Bundes­rats mit EU-Bezug

Der Bundesrat, die Länderkammer des österreichischen Parlaments, steht oft im Schatten des Nationalrats. Der Nationalrat nimmt die führende Rolle in der Gesetzgebung ein, und seine Kontrolltätigkeit (z. B. Untersuchungsausschüsse) erhält viel öffentliche Aufmerksamkeit. Der Bundesrat wird meist mit dem Einspruchsrecht gegen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates verbunden. Dieses wird aber, wie der Showcase "Einsprüche des Bundesrats bei Gesetzesbeschlüssen" zeigt, nur selten genutzt. Seine Wirkung bleibt begrenzt. Dennoch gibt es Bereiche, in denen Nationalrat und Bundesrat gleiche Rechte haben. Einer davon ist die Mitwirkung in Angelegenheiten der EU.

Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 1995 werden viele Angelegenheiten der Gesetzgebung - etwa in der Wirtschafts-, Verkehrs- und Umweltpolitik – nicht mehr allein von Österreich bestimmt, sondern gemeinsam von allen EU-Mitgliedern geregelt. Zugleich hat Österreich mit dem EU-Beitritt starke Mitwirkungsrechte für Nationalrat und Bundesrat verankert: Sie können sich mit jedem Vorhaben der EU befassen und Empfehlungen für das Verhalten der Bundesregierung in Verhandlungen und Abstimmungen beschließen. Wenn sich ein EU-Vorhaben auf die Erlassung von Gesetzen in Österreich auswirkt, kann die zuständige Kammer die Bundesregierung sogar zu einem bestimmten Stimmverhalten verpflichten.

Welche Möglichkeiten der Mitwirkung gibt es?

Seit dem Vertrag von Lissabon 2009 können Parlamente auch direkt auf EU-Ebene mitwirken. Hier sind alle Parlamente bzw. Parlamentskammern gleichberechtigt. Die EU-Verträge machen, anders als die Verfassungen vieler Mitgliedstaaten, keinen Unterschied zwischen ersten und zweiten Kammern. Im Nationalrat sind dafür der Hauptausschuss und dessen Ständiger Unterausschuss in EU-Angelegenheiten zuständig. Im Bundesrat gibt es einen eigenen EU-Ausschuss.

Diese Ausschüsse haben drei Möglichkeiten der Mitwirkung in EU-Angelegenheiten. Erstens können "Mitteilungen" an jedes EU-Organ geschickt werden. Damit kann der eigene Standpunkt zu einem EU-Vorhaben direkt kommuniziert werden. Zweitens kann jede Kammer eine "Stellungnahme" (gemäß Art. 23e Bundes-Verfassungsgesetz) an das zuständige Mitglied der Bundesregierung richten. Mit dieser Stellungnahme wird eine Empfehlung für eine bestimmte Verhandlungsposition abgegeben. Wenn die Bundesregierung die Unterstützung einer Mehrheit in der Kammer hat, werden sich beide Standpunkte zu einem Vorhaben decken. Stellungnahmen bekräftigen dann den Standpunkt der Regierung und werden eher selten beschlossen.

Drittens kontrollieren die nationalen Parlamente die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzip auf EU-Ebene. Dieses Prinzip legt fest, dass in der EU nur dann Vorschriften erlassen werden dürfen, wenn eine Regelung auf regionaler oder nationaler Ebene nicht ausreichend ist. Um das zu gewährleisten, werden EU-Gesetzesvorschläge bereits in einem frühen Stadium der Beratungen an die nationalen Parlamente übermittelt (daher auch die Bezeichnung "Frühwarnmechanismus"). Wenn ein Parlament oder eine Parlamentskammer der Meinung ist, dass ein Vorschlag das Subsidiaritätsprinzip verletzt, kann es eine "Begründete Stellungnahme" beschließen. Je nachdem, wie viele Parlamente sich dieser Meinung anschließen, muss die EU-Kommission ihre Rechtsansicht begründen oder den Vorschlag überarbeiten. Umfassendere Informationen zu diesen drei Mitwirkungsrechten finden Sie auch auf unserer Website.

Besonders an der EU-Mitwirkung ist, dass jede Kammer selbst entscheiden kann, ob und wann sie sich mit EU-Vorhaben befasst. Der Bundesrat ist also nicht davon abhängig, dass sich der Nationalrat bereits einer Frage angenommen hat. Er kann selbst Themen setzen. In beiden Kammern kann auch eine Minderheit die Befassung mit einem Vorhaben verlangen. In Abbildung 1 fassen wir die drei Gegenstände (Mitteilungen, Stellungnahmen, Begründete Stellungnahmen) aus den jeweils zuständigen Ausschüssen der beiden Kammern zusammen und betrachten ihre Häufigkeit im Zeitverlauf getrennt für Nationalrat und Bundesrat. Der Untersuchungszeitraum beginnt mit dem Vertrag von Lissabon 2009.

Es wird deutlich, dass der Bundesrat häufiger in EU-Angelegenheiten aktiv wird als der Nationalrat: Der EU-Ausschuss der Länderkammer fasst im Beobachtungszeitraum 115 Beschlüsse zur Mitwirkung, im Nationalrat sind es hingegen nur 80. Die Aktivitäten des EU-Ausschusses des Bundesrats sind im Untersuchungszeitraum auch weitgehend konstant, während bei den jährlichen Zahlen des Nationalrats starke Schwankungen auftreten.

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Wie oft tagen die EU-Ausschüsse?

Auch die Zahl der Sitzungen der EU-Ausschüsse gibt Auskunft darüber, wie aktiv die beiden Parlamentskammern in EU-Angelegenheiten sind, weil weder fixe Vorgaben für die Häufigkeit der Sitzungen noch ein Sitzungszyklus existieren. Abbildung 2 stellt die Zahl der Sitzungen in den drei relevanten Ausschüssen dar.

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Wie bereits erwähnt, teilen sich im Nationalrat der Hauptausschuss und sein ständiger EU-Unterausschuss die Behandlung der EU-Angelegenheiten. Der Hauptausschuss hat noch viele andere Aufgaben. Wenn er EU-Angelegenheiten behandelt, geschieht das in einem eigenen Format, dem Hauptausschuss in EU-Angelegenheiten. Nur diese Sitzungen werden in Abbildung 2 gezählt.

Für sich genommen ist der EU-Ausschuss des Bundesrates der Ausschuss, der sich am häufigsten mit EU-Themen befasst (160). Insgesamt kommt dem Nationalrat aber der Vorrang zu (Hauptausschuss: 84, Ständiger Unterausschuss in EU-Angelegenheiten: 111). In einer Gesamtbetrachtung zeigt sich letztlich aber nur ein geringer Unterschied zwischen beiden Kammern.

Beschäftigen sich die Kammern des Parlaments mit denselben EU-Vorhaben?

Zuletzt überprüfen wir noch, ob sich die Mitteilungen, Stellungnahmen und Begründete Stellungnahmen der beiden Kammern auf die gleichen EU-Vorhaben beziehen, oder ob es hier Unterschiede gibt. Einerseits liegt es nahe, dass die beiden Kammern ihre Aufgaben teilen: Der Bundesrat würde sich vorrangig um Angelegenheiten kümmern, die die Bundesländer betreffen. Andererseits spricht viel für ein koordiniertes Vorgehen beider Kammern, um den Einfluss des österreichischen Parlaments in der Mitwirkung auf EU-Ebene gemeinsam zu stärken.

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Abbildung 3 zeigt, welche dieser beiden Vermutungen zutrifft. Von 226 Vorhaben, zu denen Beschlüsse gefasst wurden, wurden gerade einmal neun von beiden Kammern behandelt, 73 waren nur im Nationalrat in Verhandlung, 144 exklusiv im Bundesrat. Nationalrat und Bundesrat verfolgen also eher eine Strategie der Arbeitsteilung als eine des gemeinsamen Vorgehens.

Zusammenfassend bestätigen die Daten, dass die rechtliche Gleichberechtigung der Kammern in EU-Angelegenheiten auch in der politischen Praxis sichtbar wird. Der Bundesrat, der sonst oft gegenüber dem Nationalrat in den Hintergrund rückt, übernimmt die Rolle eines gleichwertigen Partners und fasst sogar mehr Beschlüsse zu EU-Vorhaben als der Nationalrat im gleichen Zeitraum.

Wie wurde es gemacht?