Open Data Showcases - Verhandlungsgegenstände 28.02.2025

Einsprüche des Bundesrats bei Gesetzesbeschlüssen

Österreich ist ein Bundesstaat. Es gibt neun Parlamente der Bundesländer, die Landtage, und die Bundesländer wirken an der Gesetzgebung für den Gesamtstaat (Bund) mit. Das passiert im Bundesrat, der zweiten Kammer des Parlaments, die die Interessen der Länder in der Gesetzgebung des Bundes vertritt. Im Vergleich zum Nationalrat sind die Möglichkeiten des Bundesrats in der Gesetzgebung aber begrenzt. In den meisten Fällen kann er einen Gesetzesbeschluss mit einem Einspruch nur verzögern (aufschiebendes Veto). In wenigen Fällen muss der Bundesrat aber einem Gesetzestext zustimmen. Dann hat er ein absolutes Vetorecht. Das sind vor allem Bestimmungen im Verfasssungsrang oder Staatsverträge, die die Zuständigkeiten der Bundesländer behandeln, oder Gesetze, die die Rechte des Bundesrats selbst betreffen. Mehr Informationen zu der Rolle des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren finden Sie in unserem Fachdossier.

Der Nationalrat wird direkt von allen wahlberechtigten Staatsbürger:innen gewählt. Im Unterschied dazu werden die Mitglieder des Bundesrates von den einzelnen Landtagen entsandt. Wie viele Mitglieder ein Landtag entsenden kann, hängt von der Anzahl der Staatsbürger:innen im Bundesland ab. Jedem Bundesland stehen mindestens drei, aber höchstens zwölf Sitze zu. Das bedeutet, dass sich die Zahl der Sitze im Bundesrat ändert, wenn sich die Zahl der Staatsbürger:innen insgesamt und im Verhältnis zwischen den Bundesländern ändert. Der Entsendemodus führt dazu, dass die Sitzverteilung im Bundesrat in etwa die Stärkeverhältnisse der (größeren) Fraktionen in den neun Landtagen widerspiegelt. Dadurch kann es im Bundesrat zu anderen Mehrheitsverhältnissen als im Nationalrat kommen. Politisch relevant ist dieser Umstand dann, wenn die Fraktionen, die im Nationalrat die Regierung unterstützen, über keine Mehrheit im Bundesrat verfügen. Das ist auch dann der Fall, wenn sie genau die Hälfte der Bundesratsmitglieder stellen. Für eine Mehrheit benötigen sie 50% und eine Stimme.

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Die erste Abbildung zeigt, beginnend mit 1996, wann die Regierungsmehrheit im Nationalrat auch über eine Mehrheit im Bundesrat verfügt hat. Im Sinne der Übersichtlichkeit wurden Änderungen der Anzahl ihrer Mandate erst dargestellt, wenn sie mindestens einen Monat lang andauerten. So werden Fälle nicht berücksichtigt, in denen ein:e Abgeordnete:r den Bundesrat verlässt und das Mandat ein paar Tage später von der gleichen Fraktion nachbesetzt wird.

Die Unterbrechung der roten Linie zwischen Mitte 2019 und 2020 stellt die Amtszeit der Übergangsregierung von Brigitte Bierlein dar. In diesem Expert:innenkabinett war keine der Fraktionen in Nationalrat und Bundesratvertreten. Damit erfolgt auch keine Zuordnung einer Fraktion zur Regierung.

Im Untersuchungszeitraum gab es zwei Phasen, in denen die Regierungsfraktionen keine Mehrheit im Bundesrat innehatten. Zwischen Ende 2005 und Anfang 2007 war dies während der ÖVP-BZÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel der Fall, da das 2005 neu gegründete BZÖ nur in wenigen Landtagen vertreten war. Nach der Nationalratswahl 2006 bildeten SPÖ und ÖVP eine Regierung, die zu diesem Zeitpunkt (Anfang 2007) über eine große Mehrheit im Bundesrat verfügt.

Auch die im Jänner 2020 gebildete Koalition aus ÖVP und Grünen verfügte zunächst nur über eine Minderheit der Bundesratssitze, erreichte aber nach mehreren Landtagswahlen knapp zwei Jahre später auch in der Länderkammer eine Mehrheit.

Dieser Umstand wirkt sich auf die Arbeit des Bundesrats aus. Eine der wichtigsten Kompetenzen des Bundesrats liegt im Einspruchsrecht. Eine Mehrheit der Mitglieder des Bundesrats kann Einspruch gegen einen Gesetzesbeschluss des Nationalrats erheben und diesen an den Nationalrat zurück verweisen.

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Die zweite Abbildung zeigt, wie oft der Bundesrat von diesem Einspruchsrecht seit der Tagung 1996/97 Gebrauch gemacht hat. Während in den meisten Tagungen kein einziger Einspruch erfolgte, stechen zwei Tagungen hervor: 2005/06 erfolgten 24 Einsprüche und 2019/20 immerhin fünf. Wie in der Abbildung durch die grauen Schattierungen gekennzeichnet ist, fallen diese beiden Tagungen in Zeiträume, in denen die Regierungsfraktionen nicht über eine Mehrheit im Bundesrat verfügten. Gesetzesbeschlüsse des Nationalrats werden vom Bundesrat also vor allem dann beeinsprucht, wenn die Oppositionsparteien im Nationalrat die Mehrheit im Bundesrat stellen. Die wenigen Einsprüche, die erhoben werden, wenn die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat und im Bundesrat gleich sind, dienen allesamt der Korrektur von Fehlern im Nationalrat. Konflikte im Bundesrat verlaufen also nicht zwischen Bundesländern, sondern – wie im Nationalrat – zwischen den Fraktionen.

Zusätzlich gab es im Untersuchungszeitraum noch zwei Fälle, in denen der Bundesrat von seinem absoluten Veto Gebrauch machte. Dieses wird jedoch durch eine einfache Abstimmung, und nicht in der Form eines Einspruches geltend gemacht, weswegen diese Fälle in der Abbildung nicht inkludiert sind.

Behandlung der Einsprüche im National­rat

Was passiert mit Gesetzesbeschlüssen, gegen die der Bundesrat Einspruch erhebt? Der Nationalrat muss sich von Neuem mit ihnen befassen. Das Veto des Bundesrats ist mit wenigen Ausnahmen (wenn es um die Kompetenzen der Länder oder des Bundesrats selbst geht) ein rein suspensives oder aufschiebendes Veto. Der Nationalrat hat das Recht einen Beharrungsbeschluss zu fassen. Er bleibt dann bei seinem Beschluss, und der Bundesrat hat keine Möglichkeit, noch einmal darüber zu debattieren.

Abbildung 3 zeigt, dass der Nationalrat in den allermeisten Fällen einen solchen Beharrungsbeschluss fasst. Einige Einsprüche werden einem Ausschuss zugewiesen und in aller Regel bis zum Ablauf der Gesetzgebungsperiode vertagt. Nur in einem Fall folgte auf einen Einspruch des Bundesrats ein darauf abgestimmter überarbeiteter Gesetzesentwurf des Nationalrats, womit nur dieser Einspruch als erfolgreich betrachtet werden kann.

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