Fachinfos - Fachdossiers 22.02.2024

Wie wirkt der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren mit?

Seit 2018 steht der Bundesrat wegen knapper Mehrheitsverhältnisse stärker in der öffentlichen Wahrnehmung. Das Fachdossier beschäftigt sich mit den Mitwirkungsrechten der zweiten Kammer.

Dieses Fachdossier wurde am 2.02.2022 erstveröffentlicht und zuletzt aktualisiert am 22.02.2024.

Wie wirkt der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren mit?

In der öffentlichen Diskussion, aber auch in der Fachliteratur wird der Bundesrat in Bezug auf das Gesetzgebungsverfahren oft nur am Rande wahrgenommen. Der Fokus liegt in der Regel zunächst auf den Beschlüssen der Bundesregierung und dann auf den Verhandlungen des Nationalrates. Im Falle einer Berichterstattung über den Bundesrat wird meist ausgeführt, dass er als zweite Kammer des Parlaments Gesetzesbeschlüsse lediglich verzögern, aber nicht verhindern könne. Dabei wird häufig übersehen, dass der Bundesrat in bestimmten Bereichen ausdrücklich seine Zustimmung erteilen muss. Der Einfluss des Bundesrates auf das Gesetzgebungsverfahren wurde seit April 2018 besonders deutlich. Grund waren die unterschiedlichen bzw. sehr knappen Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat und im Bundesrat. So kam es etwa 2019 erstmals dazu, dass der Bundesrat tatsächlich Gesetzesvorhaben verhindert hat.

Welche Mitwirkungsrechte des Bundes­rates gibt es im Gesetzgebungsverfahren?

Der Nationalrat übt gemäß Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) gemeinsam mit dem Bundesrat die Gesetzgebung des Bundes aus (Art. 24 B-VG). Dem Bundesrat sind daher alle Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates vorzulegen (Art. 42 Abs. 1 B-VG). Der Bundesrat hat dann zu beurteilen, ob der jeweilige Gesetzesbeschluss einem Mitwirkungsrecht unterliegt. Eine konkrete Vorgangsweise dafür ist rechtlich nicht festgelegt. In der Praxis erfolgt diese Prüfung durch eine:n Bedienstete:n der Parlamentsdirektion, besondere Fälle werden in der Präsidialkonferenz (bestehend aus Präsident:in, Vizepräsident:innen und Fraktionsobleuten des Bundesrates) besprochen. Eine Abstimmung darüber im Plenum des Bundesrates ist nicht vorgesehen. Wird davon ausgegangen, dass kein Mitwirkungsrecht besteht, wird der betreffende Gesetzesbeschluss des Nationalrates mit einem entsprechenden Hinweis ans Bundeskanzleramt übermittelt. Diese Einschätzung seitens des Bundesrates unterliegt einer nachprüfenden Kontrolle durch den:die Bundespräsident:in (Art. 47 Abs. 1 B-VG) und den Verfassungsgerichtshof (Art. 140 B-VG).

Kein Mitwirkungsrecht des Bundesrates besteht etwa bei Beschlüssen betreffend das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates, die Auflösung des Nationalrates, das Bundesfinanzrahmen- und das Bundesfinanzgesetz (regelmäßig aber bei Budgetbegleit- und Steuergesetzen), Verfügungen über Bundesvermögen, Haftungsüber- und Schuldaufnahmen und den Bundesrechnungsabschluss (Art. 42 Abs. 5 B-VG). Seit Beginn der XXII. Gesetzgebungsperiode (GP), also seit 20. Dezember 2002, gab es 163 Beschlüsse des Nationalrates, die keinem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterlagen, während bei 3300 Beschlüssen des Nationalrates ein Mitwirkungsrecht bestand (siehe unten). Demnach hatte der Bundesrat nur in ca. 5% der Fälle kein Mitwirkungsrecht.

Besteht ein Mitwirkungsrecht nur für einen Teil eines Gesetzesbeschlusses des Nationalrates (z. B. bei einer Änderung des Arbeitsrechts gemeinsam mit einer des Bundesfinanzgesetzes, 396/A, XXVII. GP), gilt dieses für den gesamten Beschluss. Denn Beschlüsse des Nationalrates bilden eine Einheit und können nicht geteilt werden. Hätte der Bundesrat keine Möglichkeit, sein teilweise bestehendes Mitwirkungsrecht wahrzunehmen, käme es zu einem groben Mangel im Gesetzgebungsverfahren und somit zu einer Verfassungswidrigkeit des Gesetzes.

Sofern ein Mitwirkungsrecht des Bundesrates besteht, ist zwischen Einspruchsrecht und Zustimmungsrecht zu unterscheiden:

a) Einspruchsrecht (suspensives Veto)

In der Regel kann der Bundesrat gegen einen Gesetzesbeschluss des Nationalrates binnen acht Wochen mit einer entsprechenden Begründung Einspruch erheben. Es handelt sich dabei allerdings um ein sogenanntes suspensives Vetorecht, da der Nationalrat durch Fassung eines Beharrungsbeschlusses (mit erhöhtem Quorum, nämlich bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten) seinen ursprünglichen Beschluss erneuern kann.

Das bedeutet, dass ein Einspruch das Inkrafttreten eines Gesetzes zwar verzögern, aber nicht verhindern kann. Seit der XXII. GP gab es bei insgesamt 3396 Beschlüssen des Nationalrates, bei denen ein Einspruchsrecht bestand, 34 Einsprüche des Bundesrates. 29 Gesetze wurden mittels Beharrungsbeschluss dennoch beschlossen. Ein Gesetzentwurf wurde aufgrund eines Einspruches des Bundesrates abgeändert, bei vier Gesetzesbeschlüssen wurden die Beratungen im Nationalrat nicht wieder aufgenommen.

Ein Grund für das Unterlassen der weiteren Behandlung einer Materie im Nationalrat nach einem Einspruch kann ein im Gesetzgebungsverfahren aufgetretener Fehler sein. Durch den Einspruch des Bundesrates und die fehlende Wiederbehandlung im Nationalrat treten diese Gesetzesbeschlüsse nie in Kraft. Stattdessen wird ein neues Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, um den Fehler zu korrigieren. Alternativ dazu kann der Nationalrat den Gesetzesbeschluss auch aufgrund des Einspruches bearbeiten bzw. richtigstellen.

Im Dezember 2014 konnten etwa einige Abgeordnete aufgrund eines Feueralarms das Parlamentsgebäude kurzfristig nicht betreten. Zu diesem Zeitpunkt wurde jedoch über eine Änderung des Bundespflegegeldgesetzes abgestimmt. Um zu vermeiden, dass das Zustandekommen des Gesetzes aufgrund dieses Mangels bei der Beschlussfassung möglicherweise als verfassungswidrig eingestuft wird, wurde der Gesetzesvorschlag neuerlich eingebracht und am darauffolgenden Tag beschlossen. Dem Bundesrat lagen dann zwei idente Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates vor. Er ging davon aus, dass der zweite dem wahren Willen des Nationalrates entsprach und beeinspruchte daher den ersten. Dieser wurde vom Nationalrat in der Folge nicht mehr in Verhandlung genommen, sodass nur der "sanierte" Gesetzesbeschluss in Kraft trat.

b) Zustimmungsrecht (absolutes Veto)

Neben dem Einspruchsrecht besteht in bestimmten Fällen ein ausdrückliches Zustimmungsrecht, somit die Möglichkeit ein endgültiges, absolutes Veto einzulegen. Es wird also zunächst hinsichtlich des Einspruchs- und dann hinsichtlich des Zustimmungsrechtes abgestimmt. Sofern die 8-wöchige Einspruchsfrist bereits abgelaufen ist, wird nur mehr hinsichtlich des Zustimmungsrechtes abgestimmt.

Einem Zustimmungsrecht unterliegen vor allem Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates, in denen Verfassungsbestimmungen enthalten sind, die die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung einschränken (Art. 44 Abs. 2 B-VG). Im Februar 2024 betraf das etwa ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen wird. In solchen Fällen ist bei der Abstimmung die Anwesenheit von mindestens der Hälfte und die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundesrates erforderlich. Kommt eine solche Mehrheit nicht zustande, ist das Gesetzesvorhaben gescheitert. Der Nationalrat hat keine Möglichkeit eines Beharrungsbeschlusses und müsste den Gesetzgebungsprozess neu starten.

Bislang gab es erst zwei Fälle, in denen der Bundesrat einen Gesetzesbeschluss endgültig verhindert hat. Dies war zum einen eine Novelle zum Ökostromgesetz (Februar 2019) und zum anderen die Verankerung einer Schuldenbremse in der Bundesverfassung (Oktober 2019). Beide Beschlüsse erlangten im Plenum des Bundesrates nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Die SPÖ-Bundesratsfraktion stellte nämlich von April 2018 bis November 2019 21 der damals 61 Mitglieder des Bundesrates und konnte diese Materien im Alleingang verhindern.

Auch Staatsverträge, die Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereichs der Länder regeln, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates – allerdings mit einfacher Mehrheit (Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG). Im Dezember 2021 betraf dies etwa das Zweite Protokoll zur Abänderung des am 8. Oktober 1985 in Seoul unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Bei Staatsverträgen, die Änderungen der EU-Verträge nach sich ziehen, ist die Zustimmung des Bundesrates mit Zweidrittelmehrheit erforderlich (Art. 50 Abs. 1 Z 2 B-VG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 4 B-VG). Dies war etwa beim Vertrag zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Republik Kroatien über den Beitritt der Republik Kroatien zur Europäischen Union der Fall.

Weiters benötigen Beschlüsse der Nationalrates, die die Rechte des Bundesrates selbst betreffen, die Zustimmung des Bundesrates (Art. 35 Abs. 4 B-VG). In diesen Fällen muss die für eine Beschlussfassung erforderliche Stimmenmehrheit von Vertreter:innen von wenigstens vier Bundesländern mitgetragen werden (z.B. 93 d.B., XXII. GP).

Seit der XXII. GP unterlagen insgesamt 428 Beschlüsse des Nationalrates, bei denen der Bundesrat ein Mitwirkungsrecht hatte, auch einem Zustimmungsrecht (ca. 13%).

c) 8-Wochen-Frist

Der Bundesrat hat eine Frist von acht Wochen für die Erhebung eines begründeten Einspruches. Diese Frist beginnt mit dem Einlangen der Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates in der Bundesratskanzlei. Üblicherweise nimmt der Bundesrat jene Beschlüsse, die seiner Mitwirkung unterliegen, in der nächstfolgenden Sitzung in Verhandlung. Sofern eine entsprechende Mehrheit besteht, wird jeweils der Beschluss gefasst, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. Das Gesetz kann dann vor Ablauf der 8-Wochen-Frist ans Bundeskanzleramt übermittelt und nach der Beurkundung durch den:die Bundespräsident:in und der Gegenzeichnung durch den:die Bundeskanzler:in im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden und in Kraft treten.

Findet der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, im Plenum des Bundesrates keine Mehrheit, kann der Gesetzesbeschluss des Nationalrates erst nach Ablauf der 8-Wochen-Frist ans Bundeskanzleramt weitergeleitet werden (z.B. 943 d.B., 945 d.B., 949 d.B., 951 d.B., 2082 d.B. XXVII. GP). Dieser Fall tritt vor allem dann ein, wenn die Regierungsfraktionen keine Mehrheit im Bundesratsplenum haben.

So verfügten die Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne etwa von Jänner 2020 bis Oktober 2021 über keine Mehrheit im Bundesrat. Ab November 2020 waren die Mehrheiten besonders knapp, denn die Regierungsfraktionen hatten 30 und die Opposition hatte 31 Stimmen. Hinzu kam, dass der Bundesrat der NEOS als einziger Vertreter seiner Partei keinen Fraktionsstatus hat und daher entsprechend der Regelungen der Geschäftsordnung des Bundesrates (GO-BR) auch kein Ausschussmitglied ist. Dementsprechend kam es in den Ausschüssen zu einer Pattstellung zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen. Wurde ein Vorhaben von keiner der beiden Oppositionsfraktionen im Ausschuss unterstützt, wurde der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, mit Stimmengleichheit abgelehnt. In diesen Fällen verblieb das Vorhaben dennoch nicht bis zum Ablauf der 8-Wochen-Frist im Ausschuss. Denn die Geschäftsordnung des Bundesrates sieht vor, dass auch bei Stimmengleichheit im Ausschuss ein:e Berichterstatter:in fürs Plenum zu wählen ist, der:die über den Verlauf der Verhandlungen zu berichten hat (§ 32 Abs. 6 GO-BR). Im Plenum kann dann neuerlich ein Antrag, keinen Einspruch zu erheben, eingebracht werden, über den abgestimmt wird (§ 43 Abs. 1 GO-BR). Dort wurde dann der Antrag je nachdem, ob der Bundesrat der NEOS die Regierungs- oder die Oppositionsfraktionen unterstützte, angenommen oder nicht (sofern alle Mitglieder des Bundesrates anwesend waren).

Für kurze Zeit kam es im Bundesrat neuerlich zu der hier beschriebenen Konstellation: Am 23. März 2023, mit der Konstituierung des Niederösterreichischen Landtags infolge der Niederösterreichischen Landtagswahl verschoben sich die Mandate im Bundesrat zugunsten der Opposition. Allerdings änderte sich die Mehrheit infolge der Konstituierung des Kärntner Landtages noch vor der nächsten regulären Plenarsitzung des Bundesrates am 14. April 2023 wiederum zugunsten der Regierungsfraktionen. Die Wahl des Salzburger Landtages am 23. April 2023 führte zu keinen Mandatsverschiebungen.

Hinzu kam, dass sich mit 27. Juni 2023 die Gesamtzahl der Mandate des Bundesrates von 61 auf 60 reduzierte. Denn der Bundespräsident hat die Zahl der Mitglieder des Bundesrates alle 10 Jahre auf Grundlage der Ergebnisse der Registerzählung ("Volkszählung") festzulegen (siehe die Entschließung vom 26. Juni 2023). Da ein Mandatar der FPÖ aus Wien sein Mandat verlor, verfügen die Regierungsfraktionen seither über eine knappe Mehrheit von 31 zu 29 Stimmen.

Nunmehr sollte die Mandatsverteilung im Bundesrat wieder länger stabil bleiben, da die nächsten Landtagswahlen (Steiermark und Vorarlberg) regulär für Herbst 2024 vorgesehen sind. 

Insgesamt fanden seit der XXII. GP Anträge, keinen Einspruch zu erheben, in 46 Fällen keine Mehrheit. Dementsprechend konnten diese Gesetze erst nach Ablauf der 8-Wochen-Frist in Kraft treten. Diese Vorgehensweise ist eine Möglichkeit der Opposition, Gesetzesbeschlüsse zumindest zu verzögern. Das Erheben eines Einspruchs hat im Vergleich dazu meist einen geringeren Verzögerungseffekt, da die Fassung eines Beharrungsbeschlusses sehr zeitnah nach einem Einspruch erfolgen kann.

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