News 03.07.2024, 22:15

Matura und Digitalisierung: Nationalrat gibt grünes Licht für Schulpaket

Zum Auftakt der Plenarwoche haben die Abgeordneten unter anderem neue Regeln für die Abschlussarbeit von Maturant:innen, die Einführung eines digitalen Schülerausweises und die digitale Bereitstellung von Abschlusszeugnissen beschlossen. Ebenso wurden die Gesetzesreparatur betreffend die Rechtsberatung von Asylwerber:innen und zahlreiche Gesetzesvorhaben aus dem Finanzbereich auf Schiene gesetzt. Dazu gehören etwa ein weiteres Hilfspaket für die Gemeinden und die Auflösung der COFAG. Auch die Abschlussberichte der beiden Untersuchungsausschüsse und das Hochwasserschutzprojekt "Rhesi" standen zur Diskussion. Die NEOS brachten einen Dringlichen Antrag zum Thema Bildung ein, der auf mehr Lehrpersonal und eine Überarbeitung der Lehrpläne abzielte. Nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit erhielt das neue Netz- und Informationssicherheitsgesetz samt begleitender Gesetzesänderungen: Die Opposition stimmte geschlossen dagegen.

Neue Regeln für vorwissenschaftliche Arbeit

Das von den Koalitionsparteien initiierte Schulpaket stand aufgrund einer Fristsetzung ohne Ausschussvorberatung auf der Tagesordnung der Sitzung. Es sieht unter anderem die Einführung eines digitalen Schüler:innenausweises als Handy-App (edu.digicard), ein Urkundenarchiv mit digital zugänglichen Jahres- und Abschlusszeugnissen sowie Vereinfachungen bei der Schulanmeldung und beim Schulwechsel vor.

Bildungsminister Martin Polascheks Gesetzesentwurf erweitert VWAs um multimediale Projekte.

Außerdem wurden in den Gesetzentwurf kurzfristig auch die von Bildungsminister Martin Polaschek vor kurzem vorgestellten neuen Regeln über die vorwissenschaftliche Arbeit von Maturant:innen eingebaut. Schüler:innen allgemeinbildender höherer Schulen erhalten damit die Möglichkeit, anstelle einer klassischen Abschlussarbeit ein Multimediaprodukt, eine Videoreportage, einen Podcast oder ein anderes, aus einem forschenden, gestalterischen oder künstlerischen Prozess hervorgegangenes Produkt, vorzulegen. Für einen Übergangszeitraum – einschließlich des Schuljahrs 2028/29 – können sie außerdem anstelle der Abschlussarbeit eine weitere schriftliche oder mündliche Maturaprüfung wählen. Keine Abschlussarbeit mehr wird es künftig an den berufsbildenden mittleren Schulen geben. An den berufsbildenden höheren Schulen bleibt die Diplomarbeit bestehen.

Freiwilligenpauschale auch für Tätigkeiten für Religionsgemeinschaften

Auch das Abgabenänderungsgesetz wurde mittels Abänderungsantrag noch um einzelne Punkte ergänzt. Demnach wird das große und kleine sogenannte "Freiwilligenpauschale", das Einkünfte aus ehrenamtlicher Tätigkeit bis zu einer gewissen Höhe von der Steuer befreit, auch Freiwilligen zustehen, die für gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften tätig sind. Außerdem bleiben befristete Mitarbeiterprämien, die im heurigen Jahr anstelle einer Lohnerhöhung gewährt werden, – analog zu anderen außerordentlichen Boni – bis zu einer Höhe von 3.000 € steuerfrei. Weiters bringt das Abgabenänderungsgesetz unter anderem eine Umsatzsteuerbefreiung von Lebensmittelspenden ab 1. August, die Ausweitung der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung und verschiedene Verbesserungen für Kleinunternehmen wie die Umwandlungsmöglichkeit virtueller Firmenanteile (sogenannter "phantom shares") in Mitarbeiterbeteiligungen.

920 Mio. € für Gemeinden

Ein vom Nationalrat beschlossenes Gemeindepaket sieht 920 Mio. € frisches Geld für die Kommunen vor. Damit soll unter anderem die Liquidität der Gemeinden gestärkt und der digitale Übergang gefördert werden. Im Gegenzug sind die Gemeinden angehalten, Bürger:innen bei Behörden- und Amtswegen und digitalen Förderanträgen zu unterstützen. Außerdem wird das laufende kommunale Investitionsprogramm bis Ende 2026 und ein neues kommunales Investitionsprogramm mit einem Volumen von 500 Mio. € aufgelegt, wobei die Hälfte der Mittel für Energieeffizienz- sowie Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsmaßnahmen reserviert sind. Auch für Feuerwehren wird es – aus Mitteln des Katastrophenfonds – mehr Geld geben.

Länder dürfen Wohn- und Heizkostenzuschüsse umschichten

Um einkommensschwache Haushalte angesichts der gestiegenen Wohn- und Energiepreise in den Jahren 2023 und 2024 zusätzlich zu unterstützen, hat der Bund den Ländern im vergangenen Jahr 675 Mio. € für Wohn- und Heizbeihilfen überwiesen. Eine kurzfristig eingebrachte Gesetzesnovelle ermöglicht es den Ländern nun, dieses Geld auch für andere Zwecke – beschränkt auf die Bereiche Soziales, Behindertenhilfe, Pflege und Wohnbauförderung – zu verwenden, wobei es stets um Beihilfen an natürliche Personen gehen muss.

Auflösung der COFAG, Betrugsbekämpfung

In Umsetzung eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom Oktober 2023 haben die Abgeordneten beschlossen, die COVID-19-Finanzierungsagentur (COFAG) aufzulösen und die Aufgaben der Gesellschaft auf das Finanzministerium zu übertragen. Außerdem wurden weitere Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung auf den Weg gebracht. So werden unter anderem Strafen verschärft, die Auftraggeberhaftung ausgeweitet und die Sozialbetrugsdatenbank ausgeweitet, um gegen Scheinfirmen, Scheinrechnungen und andere Formen von Abgabenhinterziehung vorzugehen. Zudem sollen Verfahren beschleunigt und die Finanzstrafbehörden – etwa durch die Ausstellung vereinfachter Strafverfügungen und die Möglichkeit der Strafaufhebung – entlastet werden.

Cooling-off-Phase für VfGH-Richter:innen

Für Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs wird eine dreijährige Cooling-off-Phase eingeführt. Das heißt, sie dürfen in den drei Jahren vor ihrer Ernennung nicht der Regierung, einer Landesregierung, dem Nationalrat, dem Bundesrat, einem Landtag oder dem Europäischen Parlament angehört haben und auch nicht Angestellte bzw. Funktionäre einer politischen Partei gewesen sein. Damit soll jeder Anschein einer politischen Einflussnahme auf den Verfassungsgerichtshof vermieden werden, wie die ÖVP im Plenum betonte. Für die VfGH-Spitze gibt es schon jetzt eine ähnliche Regelung.

Eine weitere Verfassungsnovelle solle es Gemeinden künftig ermöglichen, Flächenwidmungen mit vertraglichen Auflagen zu koppeln. Voraussetzung dafür sind entsprechende landesgesetzliche Bestimmungen. Dabei geht es etwa darum, die Umwidmung in Bauland an Auflagen wie die Errichtung eines Spielplatzes oder eines Radwegs zu knüpfen.

Netz- und Informationssicherheitsgesetz 2024 muss neu verhandelt werden

Neu verhandelt werden muss das neue Netz- und Informationssicherheitsgesetz. Da die Opposition geschlossen dagegen stimmte, erreichte das Gesetz samt begleitender Änderungen nicht die nötige Zweidrittelmehrheit. Mit dem Gesetzespaket sollte eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, die auf gemeinsame Cybersicherheitsstandards für systemrelevante Einrichtungen und Unternehmen abzielt. Nach Meinung der Opposition würde das Innenministerium mit dem neuen Gesetz allerdings zu weitreichende Befugnisse erhalten. Zudem warf sie Innenminister Gerhard Karner vor, nicht das Gespräch mit der Opposition gesucht zu haben.

Weitere Gesetzesvorhaben aus dem Zuständigkeitsbereich von Innenminister Karner haben hingegen den Nationalrat passiert. Das betrifft neben der Reparatur der gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Rechtsberatung von Asylwerber:innen infolge eines VfGH-Urteils auch eine Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes. Sie bringt unter anderem mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden bei Durchsuchungen. Zudem wird es der Polizei wieder gestattet, Kennzeichenerkennungsgeräte einzusetzen, um nach gesuchten Fahrzeugen zu fahnden.

Hochwasserschutzprojekt "Rhesi", "WAG Teil-Loop"

Genehmigt hat der Nationalrat auch einen Staatsvertrag mit der Schweiz und eine Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg bezüglich der Aufteilung der Kosten für ein großes Hochwasserschutzprojekt am Rhein an der Grenze zwischen Vorarlberg und der Schweiz. Die Regierung rechnet mit Gesamtkosten für Österreich in der Höhe von rund 1,1 Mrd. € bis zum Jahr 2052, wobei Vorarlberg maximal ein Viertel davon übernehmen soll. Bis zu 70 Mio. € haben die Abgeordneten für die Förderung des Gasleitungsinfrastrukturprojekt "WAG Teil-Loop" freigegeben. Das Projekt soll die Sicherheit der Gasversorgung erhöhen und die Abhängigkeit von russischem Gas verringern.

Weitere Gesetzesbeschlüsse und internationale Abkommen

Weitere Gesetzesbeschlüsse aus dem Finanzbereich betreffen die Beteiligung Österreichs an internationalen Finanzhilfen für die Ukraine und für Entwicklungsländer, die Neufeststellung von Einheitswerten im Bereich der Land- und Forstwirtschaft im Falle gravierender Wertsteigerungen bzw. Wertverluste und die Verkürzung des Intervalls zur Überprüfung der klimatischen Verhältnisse im Bereich der Bodenschätzung. Zudem stimmten die Abgeordneten zwei Gesetzespaketen zu, mit denen zwei EU-Verordnungen – DORA und MiCA – in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei geht es auf der einen Seite um Cybersicherheit im Finanzsektor und auf der anderen Seite um die Regulierung von Märkten für Kryptowährungen wie Bitcoin. Ebenso wurden Neuerungen im Bereich der betrieblichen Pensionsvorsorgekassen fixiert, etwa was das Risikomanagement, die Gewährung von Zinsgarantien und die grundsätzliche elektronische Übermittlung der jährlichen Kontonachricht betrifft.

Eine Änderung des Bundes-Personalvertretungsgesetzes hat unter anderem die Erleichterung der Briefwahl bei Personalvertretungswahlen zum Inhalt. Überdies ist es nachgeordneten Dienststellen des Land- und Forstwirtschaftsministeriums wie dem Bundesamt für Wasserwirtschaft und der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen künftig gestattet, teilrechtsfähige Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit zu eröffnen. Zwei Staatsverträge sehen die Zusammenarbeit mit Serbien bzw. mit Georgien in Katastrophenfällen vor.

Untersuchungsausschüsse, "Agenda 2030"

Wenig Konsens zwischen den Abgeordneten gab es, was die Ergebnisse des COFAG-Untersuchungsausschusses und des Rot-Blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschusses betrifft. So sieht sich etwa die SPÖ in ihrer Vermutung bestätigt, dass Milliardäre in Österreich steuerlich besser behandelt werden, während die ÖVP keine Bevorzugung bestimmter Unternehmer:innen erkennen kann. Die NEOS kritisierten, dass mit der COFAG eine "Blackbox" ohne parlamentarische Kontrolle eingerichtet wurde. Immer wieder fiel in der Debatte auch der Name René Benko.

Im Ausschussbericht zum Rot-Blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss regt Verfahrensrichterin Christa Edwards unter anderem die Einsetzung eines "Russland-Untersuchungsausschusses" an, um dem Verdacht von Spionagetätigkeiten nachzugehen. Auch werden eine Novellierung des Bundesarchivgesetzes und des Bundesvergabegesetzes empfohlen.

NEOS-Abgeordneter Yannick Shetty war zum ersten Mal Fraktionsführer eines U-Ausschusses.

In Form einer Entschließung sprachen sich die Abgeordneten für vorbeugende Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Radikalisierung auf TikTok aus. Auch ein aktueller Zwischenbericht von Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler über die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (Agenda 2030) stand im Plenum zur Diskussion. Die Grünen nutzten die Debatte dabei auch dazu, um Kritik an der Haltung der ÖVP in Sachen EU-Renaturierungsgesetz zu üben.

Dringlicher Antrag der NEOS

Keine Mehrheit erhielt ein Dringlicher Antrag der NEOS. Sie hatten darin unter anderem mehr finanzielle Mittel und Verbesserungen für das Bildungssystem gefordert. "In keinster Weise" sei das österreichische Bildungssystem so desolat, wie die NEOS es behaupten, erklärte Bildungsminister Martin Polaschek und verwies auf bereits umgesetzte und noch kommende Maßnahmen.

Aktuelle Stunde, Angelobung

Thema der Aktuellen Stunde mit Gesundheitsminister Johannes Rauch waren die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels, wobei es unter anderem um den Hitzeschutzplan des Gesundheitsministeriums ging. Zu Beginn der Sitzung war Kerstin Fladerer (ÖVP) als neue Abgeordnete angelobt worden. Sie übernahm das Mandat von Reinhold Lopatka, der in das Europäische Parlament gewechselt ist.

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