Zehn Jahre lang war Österreich zwischen 1945 und 1955 von den Alliierten besetzt. Zehn Jahre, in denen Gesetze beschlossen wurden, ohne dass Österreich ein souveräner Staat war. Wie sah die parlamentarische Arbeit in dieser Zeit aus?
Wie Gesetze während der Besatzungszeit entstanden sind
Erstes Kontrollabkommen: Alliierte müssen jedes Gesetz genehmigen
Gesetze wurden in der Zweiten Republik schon beschlossen, bevor es ein Parlament gab. Die Provisorische Staatsregierung unter Staatskanzler Karl Renner (SPÖ) nahm bereits am 27. April 1945 ihre Arbeit auf und war neben der Verwaltung auch für die Gesetzgebung des Bundes und der Länder zuständig.
Doch die Provisorische Staatsregierung arbeitete unter strengster Kontrolle der Alliierten. Am 4. Juli 1945 unterzeichneten Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion das Erste Alliierte Kontrollabkommen. Sie einigten sich darin auf ein Kontrollsystem für Österreich, bis eine frei gewählte Regierung das Amt antritt.
Mit dem Abkommen richteten die vier Besatzungsmächte die Alliierte Kommission ein, eine Militärregierung zuständig für das gesamte Staatsgebiet. Sie bestand aus dem Alliierten Rat, dem Exekutivkomitee und verschiedenen Abteilungen. Der Alliierte Rat, bestehend aus den Oberbefehlshabern der vier Besatzungstruppen, war zuständig für die Kontrolle der Regierung. Er musste jedes Gesetz einstimmig genehmigen, bevor es in Kraft treten konnte.
Der Alliierte Rat hatte das letzte Wort über die österreichische Gesetzgebung.
Parlament beginnt Arbeit unter starker Einschränkung
Nachdem Österreich dem Auftrag, freie Wahlen abzuhalten, rasch nachgekommen war, traten am 19. Dezember 1945 Nationalrat und Bundesrat zum ersten Mal zusammen. Damit ging das Recht der Gesetzgebung auf das Parlament über.
Das Procedere lautete zunächst: Nach einem Beschluss des Parlaments ging ein Gesetz an die alliierten Behörden. Nach einstimmiger Genehmigung durch den Alliierten Rat durfte es von der Republik Österreich kundgemacht werden. Eine Begutachtung durch die Alliierten erst nach dem abgeschlossenen parlamentarischen Verfahren drohte aber zu erheblichen Verzögerungen zu führen. Im Februar 1946 beschloss der Alliierte Rat daher, dass Gesetzesvorlagen dem Parlament und den Alliierten gleichzeitig zuzuleiten waren.
Der Einfluss der Besatzungsmächte zeigte sich schon bei der Regierungserklärung des neu gewählten Bundeskanzlers Leopold Figl (ÖVP), der seine Rede vorab den Alliierten übermitteln musste. Der Alliierte Rat verweigerte außerdem mehreren Gesetzen die Zustimmung, unter anderem dem Verfassungs-Übergangsgesetz.
Zweites Kontrollabkommen bringt Lockerung
Einen bedeutenden Wendepunkt brachte schließlich das Zweite Kontrollabkommen, das die Alliierten am 28. Juni 1946 verabschiedeten. Bereits im ersten Abkommen war geregelt, dass neue Vereinbarungen getroffen werden, sobald eine frei gewählte und von den Alliierten anerkannte Regierung im Amt ist. Österreich erhielt nun mehr Eigenständigkeit.
Für die Gesetzgebung regelte Artikel 6, dass Gesetze automatisch in Kraft treten, wenn der Alliierte Rat nicht binnen 31 Tagen einstimmig Einspruch erhob. Eine Genehmigung wie während der Zeit des ersten Kontrollabkommens brauchte es nur noch für Verfassungsgesetze.
Nach Inkrafttreten des Zweiten Kontrollabkommens war bei Vorlagen zu Verfassungsgesetzen ganz oben vermerkt: "Diese Maßnahme tritt nicht früher in Kraft, als sie nicht die Genehmigung des Alliierten Rates erhalten hat".
Viele Gesetze konnten nun als einfache Gesetze in Kraft treten, weil die Alliierten sich nicht auf ein einstimmiges Veto einigen konnten. Einige Verfassungsgesetze scheiterten dennoch. Immer wieder kritisierten Parlamentarier:innen das Vetorecht der Alliierten scharf. Nationalratspräsident Felix Hurdes (ÖVP) sprach etwa am 9. Juli 1953 von einem "dunklen Schatten", der nach wie vor über der Arbeit des Parlaments liege. "Wir fordern die endliche Freiheit für unser Österreich!", sagte Hurdes.
Die Erlösung brachte erst der Staatsvertrag. Doch sogar der Beschluss des Parlaments im Juni 1955 zur Ratifikation des Staatsvertrags betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich musste noch die Zustimmung des Alliierten Rates erhalten, der weiterhin im Amt war. Erst am 27. Juli 1955, als der Staatsvertrag nach der Ratifikation durch alle vier alliierten Mächte in Kraft trat, endete das Vetorecht der Alliierten in der österreichischen Gesetzgebung. Der Alliierte Rat hielt an diesem Tag seine letzte Sitzung ab.