Parlamentskorrespondenz Nr. 209 vom 18.04.2000

BUNDESREGIERUNG WILL ENERGIEMÄRKTE ÖFFNEN

Wien (PK) - Die Errichtung des europäischen Energiemarktes ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Vollendung des EU-Binnenmarktes. Der produzierenden Wirtschaft in den Mitgliedsländern soll mit billigeren Gas- und Stromtarifen die Konkurrenz auf dem Weltmarkt erleichtert werden. Daher hat die EU-Kommission auf der Gipfelkonferenz in Lissabon eine raschere Umsetzung der diesbezüglichen Richtlinien vorgeschlagen. Geht es nach Wunsch der Kommission, sollen die traditionellen Energiemonopole im Jahr 2004 restlos beseitigt und der volle Marktzugang für alle Verbraucher hergestellt sein. Damit hätten dann auch private Haushalte die Möglichkeit, sich ihre Energielieferanten selbst auszusuchen.

Selbst dieses ehrgeizige Ziel der Kommissare will die österreichische Bundesregierung noch unterbieten. Der Entwurf eines Gaswirtschaftsgesetzes und eine Änderung des Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetzes sehen bereits den 1. Oktober 2001 als Beginn für den vollen Marktzugang aller Stromkunden und den 1. Oktober 2002 als Start für die Totalöffnung des Gasmarktes vor.

LIBERALISIERUNG BEI GAS

Unmittelbarer Anlass für die Gaswirtschaftsgesetz-Vorlage ist die Verpflichtung zur Umsetzung der EU-Gasbinnenmarktverordnung aus dem Jahr 1997 bis zum 10. August 2000. Gleichzeitig soll das stark zersplitterte, teilweise bis in die Monarchie bzw. auf das deutsche Energiewirtschaftsgesetz zurückreichende österreichische Gasrecht in einem einzigen Gesetz zusammengefasst und auch die gasrelevanten Bestimmungen des Preisgesetzes integriert werden. Von der Neukodifizierung unberührt bleiben die bestehende bundesverfassungsgesetzliche Kompetenzverteilung, die Landesgasgesetze, das mit dem Mineralrohstoffgesetz erst kürzlich modernisierte Bergrecht und die das Gas betreffenden Teile des Energielenkungsgesetzes.

Das neue zentrale Element im österreichischen Gasrecht stellt der geregelte Netzzugang für alle Verbraucher mit hundertprozentiger Marktöffnung dar. Erdgasunternehmen und zugelassene Kunden sollen das Recht erhalten, das Rohrleitungsnetz auf Grundlage veröffentlichter Tarife und sonstiger Bedingungen für ihre Geschäfte zu benützen. Ausnahmen davon kann der Wirtschaftsminister gewähren, wenn die Wettbewerbsfähigkeit eines Erdgasunternehmens durch Zahlungsverpflichtungen infolge eines oder mehrerer Gaslieferverträge spürbar beeinträchtigt wird. Ähnlich wie bei der seit Februar 1999 nach dem ElWOG praktizierten schrittweisen Öffnung des Strommarktes stellt auch auf dem Gasmarkt die Entflechtung der bislang integrierten Gasversorgungsunternehmen die Voraussetzung für die Netznutzung durch alle Marktteilnehmer dar. Die Regierungsvorlage schreibt daher die buchmäßige Entflechtung der Geschäftsbereiche Fernleitung, Verteilung und Speicherung vor.

Erdgasunternehmen werden ihre Tarife autonom bestimmen und veröffentlichen können. Ein Eingriffsrecht des Wirtschaftsministers ist aber bei den Grundsätzen der Preisbildung sowie für den Fall vorgesehen, dass Netzbenutzungsentgelte erheblich vom EU-Durchschnitt abweichen. Ähnlich wie in Elektrizitätsfragen wird sich der Wirtschaftsminister auch im Bereich Gas auf einen eigenen Beirat stützen können.

Der Übergang zu der im Gaswirtschaftsgesetz vorgesehenen Marktorganisation soll in zwei Stufen erfolgen: ab 10. August 2000 wird Stromerzeugern und Endverbrauchern mit einem Bedarf von mehr als 25 Mill. m3 pro Jahr das Recht auf Netzzugang für den Transport von Erdgas gewährt. Ab 1.10.2002 haben dann die Netzbetreiber allen Endverbrauchern Netzzugang zum Transport von Erdgas zur Deckung ihres Eigenbedarfs zu gewähren.

... UND STROM

Mit dem Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz (ElWOG), das der Nationalrat im Jahr 1998 beschlossen hat, wird die Elektrizitätsbinnenmarktverordnung seit dem 19. Februar 1999 umgesetzt. Auf Basis des dort verankerten Zeitplanes wurden bis dato 31,9 % des heimischen Strommarktes für Großkunden geöffnet. Laut geltender Zielsetzung sollten bis 19. Februar 2003 alle Verteiler und Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von mehr als 9 GWh vollen Marktzugang erhalten. Die Regierung will nun wesentlich rascher vorgehen und überdies alle Stromkunden, auch kleine Unternehmen und private Haushalte, einbeziehen. Unter den im Zusammenhang mit dem Gaswirtschaftsentwurf vorgelegten Gesetzesänderungen findet sich auch ein Entwurf zur Änderung des ElWOG, die vorsieht, "dass alle Stromkunden ab dem 1. Oktober 2001 berechtigt sind, mit Elektrizitätserzeugern, Elektrizitätshändlern sowie Verteilerunternehmen Verträge über die Lieferung von elektrischer Energie zur Deckung ihres Bedarfes zu schließen und hinsichtlich dieser Strommenge Netzzugang zu begehren."

Für die von der Bundesregierung beabsichtigte komplette ElWOG-Novelle mit allen notwendigen Voraussetzungen, deren ein vollliberalisierter Elektrizitätsmarkte in Österreich bedarf, fehlt aber noch die legistische Umsetzung eines Konzepts für die technisch-organisatorischen Rahmenbedingungen mit der Verankerung der "unabhängigen Regulierungsbehörde" und den Bestimmungen für die Einrichtung eines Öko-Zertifizierungssystems (66 d.B.).

NUKLEARINFORMATIONSABKOMMEN MIT DER SCHWEIZ

Die Bundesregierung hat dem Nationalrat ein Nuklearinformationsabkommen mit der Schweiz vorgelegt. Es Beinhaltet die Einrichtung eines umfassenden Informations- und Konsultationssystems für Fragen der nuklearen Sicherheit sowie die Errichtung eines multilateralen Strahlenfrühwarnsystems (53 d.B.).

ÄNDERUNG DES STEUERABKOMMENS MIT KANADA

Die Revision des Steuerabkommens mit Kanada ist notwendig geworden, weil die Bestimmungen für Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren, Veräußerungsgewinne und den zwischenstaatlichen Informationsaustausch nicht mehr den international anerkannten Grundsätzen des diesbezüglichen Musterabkommens der OECD entspricht.

Die Neuerungen im Einzelnen: Die Quellensteuer auf Schachteldividenden wird bei Kontrolle von mindestens 10 % der Stimmrechte durch die ausschüttende Gesellschaft von bisher 15 % auf 5 % reduziert. Die Besteuerung von Portfoliodividenden bleibt unverändert bei 15 %. Die kanadische Zusatzsteuer auf Erträge von Betriebsstätten wird von 15 % auf 5 % gesenkt.

Die Quellensteuer auf Zinsen wird von 15 % auf 10 % vermindert, die Zinsen von Pensionskassen uns sonstigen Arbeitnehmervorsorgeeinrichtungen sowie die Zinsen bei Warenkreditgeschäften und Ausrüstungsdarlehen für Gewerbe, Handel und Wissenschaft werden von der Quellensteuer befreit.

Lizenzgebühren für Computer-Software, Patente und Know-how dürfen nur noch im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.

Neu geregelt wird unter anderem auch die Besteuerung von Gewinnen, die aus der Veräußerung von Anteilen an Grundstücksgesellschaften resultieren.

Die zwischenstaatliche Auskunftspflicht umfasst alle Informationen, die zur Durchführung dieses Abkommens notwendig sind, auch solche im Zusammenhang mit einem Finanzstrafverfahren. Unter bestimmten Bedingungen sieht das Abkommen ausdrücklich auch eine Vollstreckungsamtshilfe vor (71 d.B.).

SCHWEIZ-ÖSTERREICH - NUR EIN MILITÄRDIENST FÜR DOPPELBÜRGER

Österreich und die Schweiz haben ein Abkommen unterzeichnet, das die Militär- bzw. Zivildienstpflicht ihrer Doppelbürger auf einen der beiden Staaten beschränkt. Im Einzelfall wird jeweils an den Hauptwohnsitz des Doppelstaatsbürgers angeknüpft. Lebt ein Doppelbürger in einem Drittstaat, sollen er vor Vollendung seines 19. Lebensjahres schriftlich erklären, gegenüber welchem seiner beiden Heimatstaaten er seine Dienstpflicht erfüllen will. Zivile Ersatzdienste werden dem Wehrdienst vollständig gleichgestellt (75 d.B.).      

Die vollen Titel der Regierungsvorlagen:

66 d.B.: Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Erdgaswirtschaft erlassen werden (Gaswirtschaftsgesetz - GWG), das Bundesgesetz betreffend den stufenweisen Übergang zu der im Gaswirtschaftsgesetz vorgesehenen Marktorganisation erlassen wird und das Preisgesetz 1992, die Gewerbeordnung 1994, das Rohrleitungsgesetz, das Reichshaftpflichtgesetz sowie das Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz geändert werden

53 d.B.: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem schweizerischen Bundesrat über den frühzeitigen Austausch von Informationen aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes ("Nuklearinformationsabkommen" Österreich - Schweiz) samt Anhang und Gemeinsamer Erklärung

71 d.B.: Protokoll zur Abänderung des am 9. Dezember 1976 in Wien unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

75 d.B.: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend den Militärdienst der Doppelbürger samt Anhang

(Schluss)