Parlamentskorrespondenz Nr. 387 vom 27.06.2000

NOCH IMMER GROSSE EINKOMMENSUNTERSCHIEDE ZWISCHEN FRAUEN UND MÄNNERN

Wien (PK) - Vor 100 Jahren sind erwerbstätige Frauen in Österreich mit ihren Löhnen und Gehältern nur bis zur Hälfte der Erwerbseinkommen von Männern herangekommen, vor 30 Jahren war ein Großteil der diskriminierenden Regelungen gefallen, dennoch betrug Anfang der siebziger Jahre der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen noch immer knapp ein Drittel der Männerlöhne. - So heißt es in dem vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit dem Parlament übermittelten "Bericht über die Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung" (III-43 d.B.) der heute vom Gleichbehandlungsausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen wurde. Heute ist der Einkommensabstand zwischen Männern und Frauen jedoch kaum geringer als vor 30 Jahren; und daraus wird die Conclusio gezogen: Die gesetzliche Gleichstellung führte keineswegs zur wirtschaftlichen Gleichstellung.

Eine Studie der Synthesis Forschungsgesellschaft unternahm den Versuch, jene Tendenzen zu quantifizieren, die in den letzten Jahrzehnten verhindert haben, dass Frauen gegenüber Männern an "Einkommensterrain" gewinnen. Ausschlaggebend dafür sind: die wirtschaftlich unvorteilhafte Erstberufswahl von Mädchen und jungen Frauen, die Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit durch Karenz, der schlechtere Zugang zu betrieblichen Qualifikations- und Aufstiegsmöglichkeiten, die kürzere bezahlte Wochenarbeitszeit auf Grund von persönlichen Versorgungs- und Betreuungsaufgaben und die damit verbundenen Beschränkungen in der Wahl von Arbeitsplätzen beim Wechsel des Betriebes.

FRAUEN VERDIENEN UM 31 % WENIGER ALS MÄNNER

1997 betrug das mittlere Erwerbseinkommen von Männern in unselbständiger Beschäftigung rund 25.000 S, die Frauen erzielten ein Monatseinkommen von etwa 17.000 S. Rund 3 % des Einkommensunterschiedes hängen allein mit der geringfügigen Beschäftigung - 160.000 Personen waren 1997 ausschließlich geringfügig beschäftigt - zusammen. Frauen mit einem Universitäts-, Akademie- oder Fachschulabschluss können die Einkommensdifferenz auf 23 % bzw. 21 % verkürzen.

60 % DER BERUFSEINSTEIGERINNEN KONZENTRIEREN SICH AUF ZWEI BERUFSGRUPPEN

Wie aus den Unterlagen hervorgeht, beschränken sich fast 60 % aller EinsteigerInnen auf die Berufsgruppen "Verwaltungs- und Personalbüro" und "einfaches Dienstleistungspersonal". Diese Berufe haben für Männer weniger Attraktivität: Nur 23 % der männlichen Berufseinsteiger sind diesen Berufsgruppen zuzuordnen.

Unabhängig davon, in welchen Beruf die Frauen und Männer einstiegen, die Starteinkommen der Männer lagen durchwegs höher als die der Frauen. Im Schnitt verdienten die Berufseinsteigerinnen um 18 % weniger als die Berufseinsteiger. Die Gründe für diese Diskrepanz sind nicht bloß darin zu suchen, dass Frauen und Männer unterschiedliche Berufe wählen, selbst die Zugehörigkeit zur selben Berufsgruppe garantiert nicht automatisch gleiches Einkommen.

Hinsichtlich der Schulbildung, mit der die BerufseinsteigerInnen 1993 auf den Arbeitsmarkt strömten, gilt sowohl für Männer als auch für Frauen: Der Großteil verfügte über einen Lehrabschluss. Einen Universitätsabschluss, Matura oder einen Fachschulabschluss haben Frauen häufiger als Männer. In diesen Qualifikationsgruppen waren auch die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern unterdurchschnittlich.

KARENZEPISODEN WIRKEN SICH DEUTLICH AUF EINKOMMENSVERLAUF AUS

Während Frauen ohne Beschäftigungsunterbrechung 1997 im Schnitt um 20 % mehr verdienten als 1993, lag das Einkommen der Frauen, die die Möglichkeit, in Karenz zu gehen, in Anspruch nahmen, um 9 % niedriger. Dieser Einkommensverlust dürfte laut vorliegendem Bericht teilweise darauf zurückzuführen sein, dass ein Teil der Frauen nach der Karenz in ein Teilzeitbeschäftigungsverhältnis wechselte. Fest steht, dass sich familienbedingte Beschäftigungsunterbrechungen in hohem Maße auf den Einkommensverlauf auswirken. Mit einem besonders hohen Einkommensverlust müssen Frauen in höheren Positionen bzw. mit Matura, Universitäts- oder Akademieabschluss rechnen. Während Karenzzeiten die Höhe des Einkommens maßgeblich beeinflussen, haben Arbeitslosigkeitsepisoden - in Summe betrachtet - einen geringeren Einfluss auf das Einkommen, heißt es auch im Bericht.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) sprach von einem sehr aussagekräftigen Bericht, der eine Grundlage für entsprechende legistische Maßnahmen im Bereich der Frauen- und der Familienpolitik darstelle. Besonders bemerkenswert sei, dass die eklatanten Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen nur zu einem geringen Anteil (7,5 %) auf die Startnachteile zurückzuführen sind, als Hauptgründe jedoch die schlechteren betrieblichen Aufstiegschancen sowie die Karenzzeit angesehen werden. Bedauerlich sei auch, dass zwar drei Viertel der Frauen angeben, berufstätig sein zu wollen, die Erwerbsquote jedoch nur bei 60 % liege. Um all diese Themen intensiver behandeln zu können, beantragte sie sodann die Einsetzung eines Unterausschusses. Schließlich richtete sie eine Reihe von Fragen an die Ressortchefin, die u.a. die Bereiche Förderung von nicht-traditionellen Berufen, Berufseinsteigerinnen, Karenzgeld sowie Koppelung der Förderungen an betriebliche Frauenförderungspläne betrafen.

Abgeordnete SILHAVY (S) lobte - wie alle Redner - den informativen Bericht, der aufgrund seiner langfristigen Perspektive Tendenzen und Entwicklungen aufzeige. Da v.a. die Berufsunterbrechungen große Einkommensunterschiede bedingen, befürchtete sie, dass das Karenzgeldmodell der Bundesregierung die Situation noch verschärfen werde. Ein großes Problem stelle ihrer Meinung nach auch die Altersarmut bei Frauen dar.

Abgeordnete STEIBL (V) erinnerte daran, dass der "exzellente Bericht" auf einen Entschließungsantrag der ÖVP-Frauen zurückgehe. Es sei jedoch klar, dass Folgeuntersuchungen angestellt werden müssen. Weiters wies sie auf die steigende Erwerbsquote bei den Frauen hin, die beweise, dass junge Frauen ihre beruflichen Möglichkeiten wahrnehmen. In erster Linie ging es Steibl um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, da in einzelnen Bundesländern und Städten (wie Graz) bereits genug Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stehen. Gute Berufsaussichten für Mädchen sah sie insbesondere im Bereich der neuen Technologien.

Der Bericht komme zu einem traurigen Ergebnis, nämlich dass seit 30 Jahren die Frauen um etwa ein Drittel weniger verdienen als die Männer, zeigte Abgeordnete AUMAYR (F) auf. Die bisherige Politik betrachte sie daher als gescheitert. Bedenklich sei ihrer Auffassung nach, dass die Karenzzeit einen größeren Einfluss auf das Einkommen haben als die Arbeitslosigkeit. Die wichtigste Gegenmaßnahme wäre daher, dass sich die Familienarbeit auf die Pension auswirken müsse, betonte sie, weshalb das Karenzgeld für alle der Schritt in die richtige Richtung sei.

Solange die Familienarbeit ausschließlich den Frauen angelastet werde, solange könne keine Einkommensgleichheit erreicht werden, meinte Abgeordnete Mag. PRAMMER (S). Sie trete daher dafür ein, sich ein System zu überlegen, bei dem Väter zur Inanspruchnahme der Hälfte der Karenzzeit verpflichtet werden.

Aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen beim AMS habe er feststellen müssen, dass Frauen oft nicht zu gleichen Bedingungen angestellt werden können, weil die "so genannten Interessensvertretungen" dies verhindert haben, erklärte Abgeordneter STAFFANELLER (F). Frauen sollen natürlich nicht in die Nachtarbeit gedrängt werden, aber eine Freiwilligkeit müsse gegeben sein.

Bei der Bewältigung dieses Problems handle es sich um einen dynamischen Prozess, sagte Abgeordneter Dr. EINEM (S), und er sei gespannt, ob die neue Bundesregierung mit den geplanten Maßnahmen die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen beseitigen könne. Die von der Vizekanzlerin geforderte Verlängerung der Karenzzeit sei jedenfalls ein "Bärendienst an den Frauen", urteilte Einem.

Nach Auffassung des Abgeordneten RIEPL (S) seien in erster Linie die Unternehmer gefordert, da zwar die Gewerkschaften Kollektivverträge auf gleicher Basis der Geschlechter ausgehandelt haben, in der Praxis aber unterschiedliche Löhne und Gehälter bezahlt werden. Das Nachtarbeitszeitgesetz hindere Frauen nicht, Jobs anzunehmen, da es die Möglichkeit gebe, betriebliche Vereinbarungen zu treffen. Die Gewerkschaften wehren sich jedoch dagegen, wenn unter dem Deckmantel der Schaffung von Frauenarbeitsplätzen Sozialdumping betrieben werde, unterstrich er.

Staatssekretärin ROSSMANN verwies eingangs auf das Programm zur Lehrlingsförderung in nicht-traditionellen Frauenberufen, an dem derzeit 1.034 Mädchen teilnehmen. Ein weiterer Schwerpunkt seien Qualifizierungsmaßnahmen im Telekommunikationsbereich, führte Rossmann aus. Positiv stand sie dem Vorschlag von Petrovic gegenüber, betriebliche Förderungen an bestimmte Bedingungen zu koppeln. Sie selbst habe als Stadträtin in Graz ein derartiges Programm entwickelt, das sich auf die Beschäftigung von Lehrlingen bezog. In Richtung des Abgeordneten Einem machte sie darauf aufmerksam, dass alle Qualifizierungsmaßnahmen des NAP weitergeführt werden sollen, wobei sie insbesondere die Schaffung von Anreizen durch Lohnsubventionen und verstärkte Beratungstätigkeiten für wichtig erachte.

Bundesministerin Dr. SICKL stand dem Vorschlag der Abgeordneten Kuntzl, im Herbst eine Enquete zum Thema Einkommensunterschiede von Frauen und Männern abzuhalten, sehr positiv gegenüber. Ebenso wie Abgeordnete Petrovic hielt sie es für sinnvoll, keine Obergrenze beim Kinderbetreuungsgeld vorzusehen. Dies sei jedoch aus budgetären Gründen derzeit nicht machbar, argumentierte sie. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei ein sehr ambivalentes Thema, meinte Sickl, da zwar 90 % der Väter und Mütter die Kinder in den ersten Jahren betreuen wollen, andererseits die Berufsunterbrechungen das Lebenseinkommen der Frauen schmälern. Die pensionsbegründende Anrechnung von 1,5 Jahren Kinderbetreuungszeiten gehe daher in die richtige Richtung, zeigte sich Sickl überzeugt.

In Zusammenarbeit mit Ministerin Gehrer wolle sie auch den Zugang von Mädchen zu nicht-traditionellen Berufen fördern, wobei ihrer Meinung nach bereits in den Volksschulen angesetzt werden müsse. Überdies informierte die Ministerin über die Projekte Frauen und innovative Technologien sowie bezüglich Familienkompetenz, das Mentoring-Programm betreffend Frauen und beruflicher Aufstieg, die Auszeichnung von frauen- und familienfreundlichen Betrieben sowie die enge Kooperation mit der Industrie.

Vor Eingang in die Debatte wurde ein Antrag der Abgeordneten Dr. PETROVIC (G) abgelehnt, den Antrag 183/A(E) - betreffend frauendiskriminierende Regelungen in Rahmenverträgen - auf die Tagesordnung zu setzen, von der Ausschussmehrheit abgelehnt. Ebenfalls keine Zustimmung fand der G-Antrag auf Einsetzung eines Unterausschusses. Alle Fraktionen sprachen sich dafür aus, den Bericht im Ausschuss nicht endzuerledigen.

In einer AUSSPRACHE ÜBER AKTUELLE FRAGEN wurden von S-, V- und G-Ausschussmitgliedern eine Reihe von Anfragen an Ministerin Dr. Sickl gerichtet. Der Bogen reichte dabei von der Streichung des Frauenkunstpreises (S-Abgeordnete SCHASCHING) und den Interventionsstellen gegen Gewalt (S-Abgeordneter Dr. EINEM) über die Dislozierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft (V-Abgeordnete Dr. BRINEK) bis zur Diskriminierung von Frauen in privatrechtlichen Verträgen (G-Abgeordnete Dr. PETROVIC) und der beabsichtigten Neuregelung der Hinterbliebenenpension (S-Abgeordnete SILHAVY).

Bundesministerin Dr. SICKL teilte den Abgeordneten mit, dass angesichts der bestehenden Budgetlage kein Geld für den Frauenkunstpreis vorhanden sei.

Ein neues Gleichbehandlungsgesetz befinde sich derzeit in Ausarbeitung. Es sollen laut Sickl Verbesserungen im Bereich der Gleichbehandlungskommission geschaffen werden; zudem seien EU-Vorgaben zu berücksichtigen.

Im Zusammenhang mit den Interventionsstellen gegen Gewalt verwies die Ressortleiterin auf die vielen Initiativen, die bereits gesetzt wurden. Die Förderung der Interventionsstellen sei gesichert, beteuerte Sickl.

Engagierte Juristinnen der Bundessozialämter sollen die Agenden der Gleichbehandlungsanwältin in den Ländern übernehmen. In Salzburg und Oberösterreich ist dies laut Auskunft der Ministerin gelungen, nicht aber in Klagenfurt, wo man sich um eine externe Anwältin bemühen müsse.

Die Neuregelung der Hinterbliebenenpension stelle keine Benachteiligung der Frauen dar, sagte die Ressortverantwortliche, Männer und Frauen seien gleichermaßen betroffen. Eingegriffen wird lediglich in den Bereich der Überversorgung.

Wolle man das gute österreichische Sozialversicherungssystem erhalten, dann müsse das Pensionssystem langfristig abgesichert werden, betonte Sickl und machte darauf aufmerksam, dass die Zahl der Pensionisten explosionsartig zunimmt; lediglich 7 % der Arbeitnehmer gehen in die Regelpension. Der Absicherung der Pensionen diene das Sozialrechts-Änderungsgesetz, welches am Freitag im Sozialausschuss einer Diskussion unterzogen werde.(Schluss)