Parlamentskorrespondenz Nr. 535 vom 04.10.2000

MENSCHENRECHTS-AUSSCHUSS DEBATTIERT ÜBER SICH UND SEINE AUFGABEN

Wien (PK) Die Mitglieder des Ausschusses für Menschenrechte nutzten die für die heutige Sitzung anberaumte Diskussion über aktuelle Fragen zu einer Debatte über das Selbstverständnis des Ausschusses und dessen Aufgaben. Während die MandatarInnen der Koalitionsparteien für eine eher restriktive - z.B. auf Österreich-Themen beschränkte - Arbeitsweise des Ausschusses eintraten, möchten die Vertreter der Oppositionsfraktionen einen sowohl umfassenderen als auch expeditiveren Umgang des Ausschusses mit dem Thema Menschenrechte.

Zu Beginn der Sitzung, zu der Vorsitzende Mag. Terezija Stoisits Staatssekretär Franz Morak begrüßte, stellten Abgeordnete Mag. Lunacek für die grüne und Abgeordneter Mag. Walter Posch für die sozialdemokratische Fraktion Anträge auf Ergänzung der Tagesordnung. Die Ergänzungswünsche betrafen eine Reihe von Anträgen, deren Behandlung in früheren Sitzungen des Ausschusses vertagt worden war. Vorsitzende Stoisits wies in der Dabatte darauf hin, dass von 14 dem Ausschuss zur Behandlung zugewiesenen Vorlagen bisher nur 2 erledigt worden seien. In der Abstimmung blieben die Ergänzungsanträge der Grünen und der Sozialdemokraten in der Minderheit.

Eine kontroversielle Diskussion entwickelte sich auch über den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion , in dem ein jährlicher Bericht über die Einhaltung, den Stand und die Fortentwicklung der Menschenrechte in Österreich gefordert wird. Ein solcher Bericht böte nach Ansicht der SPÖ die Möglichkeit zu einer breiten öffentlichen Debatte über dieses Thema, "was dem Ziel eines weiteren Anhebens der Menschenrechtsstandards in unserem Land zuträglich wäre". Der Antrag wurde auch von den Grünen mit dem Argument unterstützt, dass Evaluierungen auch in der Wirtschaft Gang und Gäbe wären und damit der Regierung eine Chance geboten würde, Fortschritte öffentlich darzulegen. Außerdem sollten laut gegenständlichem Antrag Regierungsvorlagen im Hinblick auf ihre Verträglichkeit mit den Grundrechten überprüft werden auf deren Beachtung auch beim Gesetzesvollzug besonderes Augenmerk gelegt werden müsse.

Die Regierungsfraktionen sprachen sich gegen diesen Antrag aus, da ihrer Ansicht nach ohnehin eine aktuelle Analyse durch die drei unabhängigen Weisen vorliege, der die Menschenrechtssituation in Österreich positiv beurteile. Sie brachten daher ihrerseits einen eigenen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung ersucht wird, dem Nationalrat einen Bericht über die Situation von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern in den EU-Mitgliedstaaten vorzulegen sowie dem Nationalrat über den Entwurf der Grundrechtscharta zu berichten.

Grüne und sozialdemokratische Abgeordnete konterten, dass damit der ursprüngliche Antrag verwässert werde und es in diesem Ausschuss nicht darum gehen sollte, mit dem Finger auf andere zu zeigen, was nach Ansicht von Abgeordnetem Dr. Einem auch außenpolitisch nicht zielführend sei, sondern darum, sich mit den Problemen in Österreich zu befassen. Selbstverständlich sei ein Vergleich mit der EU wichtig, vor allem sollte auch die Situation in den Beitrittsländern beleuchtet werden, so Grüne und S-MandatarInnen unisono, aber das könne die Bundesregierung jederzeit tun. Die Opposition wies auch darauf hin, dass der zweite Teil des koalitionären Antrages überflüssig sei, da der Hauptausschuss des Nationalrates ohnehin nächste Woche über die Grundrechtscharta diskutiere.

Bei der Abstimmung fand der S-Antrag nur die Unterstützung der Grünen und wurde somit abgelehnt. Der von den Koalitionsparteien eingebrachte Antrag wurde mit F-V-Mehrheit angenommen.

In der Aussprache über aktuelle Fragen wurden vor allem - neben dem Thema der Arbeitsweise des Ausschusses - die Behandlung homosexueller Menschen, die Möglichkeiten der Einbindung von NGOs in die Arbeit des Ausschusses, der Bericht der drei Weisen, die Volksgruppen-Thematik, die Qualifizierung der Massaker an Armeniern zu Beginn des vorigen Jahrhunderts als Völkermord und der aktuelle Stand der Arbeiten an einem Antidiskriminierungsgesetz angesprochen.

Abgeordnete Dr. Brinek (V) regte an, nachdem der Ausschuss mit "Schnittmengen" befasst sei, mit betroffenen Ressorts und anderen Ausschüssen die Zusammenarbeit zu suchen. Von Interesse sei in diesem Zusammenhang auch, was in den europäischen Institutionen geschehe. Vorsitzende Mag. Stoisits stimmte dem zu und erklärte ihre Bereitschaft, nicht nur mit dem Bundeskanzleramt zu diskutieren, sondern auch mit dem Außenministerium - etwa über die EU-Sanktionen - und mit dem Innenministerium - z.B. über die Flüchtlingsfrage. SP-Abgeordneter Mag. Walter Posch kritisierte, dass mit dem "Schnittmengen-Argument" im Ausschuss Anträge nicht zugelassen würden und trat für eine offene Diskussion von Menschenrechtsfragen im Ausschuss ein - etwa auch über das Thema Armenien, zumal auch in Österreich Armenier lebten. F-Abgeordneter Dr. Harald Ofner betonte, der Menschenrechtsausschuss des österreichischen Nationalrats sei "nicht für das Elend der ganzen Welt zuständig"; eine Armenien-Debatte schade eher als sie nütze, meinte VP-Abgeordneter Matthias Ellmauer. Der Ausschuss solle sich nicht mit Themen befassen, die Jahrzehnte zurückliegen, sondern konkret den Menschen helfen.

Diese konkrete Hilfe forderte die grüne Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek im Zusammenhang mit dem Thema Homosexuelle ein. Die Abgeordneten Dr. Maria Fekter und Ellmauer (beide V) verwiesen darauf, dass ein Unterausschuss des Justizausschusses zur Behandlung dieser Thematik eingesetzt worden sei.

Vorsitzende Mag. Stoisits übte Kritik daran, dass der G-Antrag zum Volksgruppenmemorandum vom Ausschuss nicht diskutiert werden könne. Ihre Fraktionskollegin Mag. Lunacek will die Aussagen des Weisenberichts zum Thema Minderheiten nicht als "Freibrief" verstanden wissen und teilte mit, dass ein Volksgruppen-Medium nach dem Ausbleiben von Förderungen die Arbeit einstellen habe müssen. V-Abgeordneter Dr. Zernatto warnte in diesem Zusammenhang davor, auf diese Weise Einzelthemen zur Beweisführung heranzuziehen. Andere Medien hätten unter den gleichen Problemen zu leiden. S-Mandatar Dr. Einem hielt dem entgegen, es mache einen Unterschied, ob eine von vielen Zeitungen in Schwierigkeiten oder ob eine Volksgruppe vom Verlust ihres einzigen Mediums bedroht sei.

Kontroversielle Standpunkte prägten auch die Debatte über die stärkere Einbeziehung von NGOs in die Arbeit des Menschenrechts-Ausschusses. So kritisierte F-Mandatar Mag. Eduard Mainoni die "Pilgerreise" von NGOs zu den drei Weisen nach Heidelberg, wo sie nur die Interessen der Sozialdemokraten vertreten hätten. Auch Dr. Zernatto (V) sprach sich gegen die Einbindung von NGOs in die Ausschussarbeit ein, weil damit demokratische Strukturen durch "sanfte Unterwanderung" in Frage gestellt werden könnten. Im übrigen sei auch der Raiffeisenverband eine NGO. Vorsitzende Stoisits stellte klar, dass es nicht um eine Einflussnahme dieser Einrichtungen auf die Ausschussarbeit gehe, sondern um einen Input in Form von Information und Expertenwissen; der Menschenrechts-Ausschuss sollte einen konstruktiven Rahmen für Gespräche bieten.

Staatssekretär Franz Morak trat für die Beachtung des Ressortprinzips ein, das die Arbeit erleichtere und unterstützte die Idee einer verstärkten Diskussion des Ausschusses mit den Ressorts. Für Volksgruppen-Medien gebe es eine Startförderung, dann würden sich der Staat zurückziehen. Morak kündigte an, dass der ORF seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag auf diesem Gebiet ab 2001 verstärkt wahrnehmen werde; dies werde für die Volksgruppen und ihre Medien zu einer Entlastung führen. Zum Thema Homosexualität und Strafrecht verwies auch der Staatssekretär auf den Unterausschuss des Justizausschusses. Zur Frage eines Antidiskriminierungsgesetzes sagte Morak, es sei noch nicht geklärt, ob die Frage durch ein eigenes Gesetz oder durch Novellierung von Materiengesetzen gelöst werden solle. Sektionschef Okresek (BKA) ergänzte, die Richtlinien des EU-Rats seien in diesem Punkt eine Vorgabe, die umgesetzt werden müsse.

Im Anschluss an die Aussprache über aktuelle Fragen des Ausschusses diskutierten die Abgeordneten den S-Antrag, in dem ein jährlicher Menschenrechtsbericht gefordert wird.

Abgeordneter Mag. Posch (S) erläuterte die Initiative und wies nochmals auf die drei Anliegen des Antrages hin.

Mit dem Hinweis auf den Weisenbericht meinte Abgeordneter Ellmauer (V), dass ein solcher Bericht zur Zeit nicht notwendig sei und brachte gleichzeitig einen eigenen F-V-Entschießungsantrag ein. Die diesem zugrunde liegende Intention sei es, auf Basis eines Vergleiches der Situation in den anderen EU-Mitgliedstaaten ein europäisches „best practice“-Modell zu erarbeiten. Man wolle damit nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern mitwirken, dass sich die EU im Menschenrechtsbereich weiterentwickle.

Mit dem Vorwurf, dass die Annahme des koalitionären Antrages eine Verwässerung der von den SozialdemokratInnen beantragten Zielsetzungen sei, sprach sich die Opposition gegen das Vorgehen von F und V aus. Abgesehen davon, werde das Ganze vom Inland weg auf die EU-Ebene gehoben. Abgeordneter Oberhaidinger (S) meinte sogar, dass er in Bezug auf das Verständnis von diesem Ausschuss schön langsam Probleme bekomme, weil inhaltliche Fragen andauernd vertagt würden.

Abgeordneter Mag. Plank (S) ergänzte, dass der Weisenbericht sich ja nur auf die derzeitige Situation beziehe und dass sich die heutige Debatte in erster Linie durch Verweigerung einer inhaltlichen Diskussion auszeichne. Er mutmaßte daher, dass sich in Hinkunft kaum etwas bewegen werde. Diesem Argument schloss sich auch Abgeordnete Mag. Lunacek (G) an.

Abgeordneter Dr. Einem (S) wies darüber hinaus auf die Kritik des Weisenberichtes am Justizminister hin, die man ernst nehmen müsse. Er frage sich, ob man in diesem Ausschuss tatsächlich bemüht sei, in der Frage der Menschenrechte weiterzukommen. Ein jährlicher Menschenrechtsbericht könnte seiner Ansicht nach auch eine Marketing-Maßnahme für die Bundesregierung sein.

Einer harten Kritik unterzog auch die Vorsitzende des Ausschusses Mag. Stoisits (G) den V-F-Antrag, da er jene Dinge nicht treffe, die maßgeblich angesprochen werden müssten. Einen Vergleich mit den anderen EU-Staaten hält sie für durchaus sinnvoll, dazu bedürfe es jedoch keines Auftrages an die Bundesregierung. Wichtig wäre es auch, über die Situation in den beitrittswilligen Ländern zu diskutieren.

Verwundert über die Beurteilung der Vorsitzenden und der S-Abgeordneten zeigte sich daraufhin Abgeordneter Amon (V), da es im Hinblick auf eine Vertiefung der Union durchaus Sinn mache, die Bundesregierung um einen vergleichenden Bericht zu ersuchen. Bei den beitrittswerbenden Ländern komme es ohnehin im Rahmen der Verhandlungen zu einem Screening. Als absurd bezeichnete er die Forderung des S-Antrages, Gesetze im Hinblick auf die Menschenrechte zu überprüfen, da die EMRK in Österreich im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten Verfassungsrang habe und daher selbstverständlich jedes Gesetz auf die Verfassungsmäßigkeit geprüft werde.

(Schluss)