Parlamentskorrespondenz Nr. 671 vom 16.11.2000
GESUNDHEITSAUSSCHUSS BEFASST SICH MIT OPPOSITIONSANTRÄGEN
Wien (PK) - Mit einer umfangreichen Tagesordnung befassten sich heute die Mitglieder des Gesundheitsausschusses , wobei es sich ausschließlich um Anträge der Oppositionsparteien handelte. Zunächst war jedoch eine Aussprache mit dem zuständigen Staatssekretär angesetzt, in der Waneck zu aktuellen Themen der Gesundheitspolitik Stellung nahm.
Auf die einzelnen Fragen der Abgeordneten eingehend, stellte Waneck zunächst fest, dass das Problem der Krankenkassenfinanzierung ein Perpetuum mobile sei. In den vergangenen Jahren wurden mittels Beitragserhöhungen nur kurzfristige Erfolge erzielt, aber keine strukturellen Maßnahmen durchgeführt. Er sei der Auffassung, dass man tabulos an diese Fragen herangehen und eine öffentliche Diskussion darüber abführen müsse.
In Richtung der Abgeordneten Pittermann wies der Staatssekretär darauf hin, dass an einer umfassenden Reform der Gesundheitsberufe bereits gearbeitet werde. So befinden sich etwa das Sanitätergesetz und das Ärztegesetz in Begutachtung, im Bereich der zahnärztlichen Assistenten haben die Vorbereitungen für eine legistische Umsetzung begonnen und im Falle der medizinisch-technischen Dienste laufe gerade eine Studie für ein "Berufsbild neu", die aber noch nicht abgeschlossen ist. Ein prioritäres Projekt sei auch die Neugestaltung der Gesetzeslage für Heilmasseure, unterstrich er.
Hinsichtlich des medikamentösen Schwangerschaftsabbruches durch "Mifegyne" informierte Waneck darüber, dass die Erzeugerfirma einer partiellen Zulassung nicht zugestimmt hätte. Wenn zudem ein Gutachten vorliege, in dem empfohlen werde, das Medikament aufgrund der geringen Erfahrungen bei der Anwendung nur in Krankenhäusern anzuwenden, dann sollte man sich seiner Ansicht nach auch daran halten.
Zum Fragenkomplex Hepatitis führte Waneck aus, dass bei der Erforschung dieser Krankheit große Fortschritte, vor allem was die Impfstoffe betreffe, gemacht wurden. Derzeit werde etwa eine kostenlose Hepatitis-B-Impfung an den Schulen angeboten. Für Hepatitis-C-Erkrankte gebe es bedauerlicherweise noch keine wirksame Therapie und oft komme sie auch erst nach vielen Jahren nach der Ansteckung zum Ausbruch, erklärte er. Man habe intensiv an einer Lösung für Plasmapherese-Geschädigte gearbeitet und nunmehr alle Voraussetzungen für die Einrichtung eines Fonds geschaffen. Von Seiten des Bundes stehen heuer noch 5 Mill. S und im nächsten Jahr 15 Mill. S zur Verfügung.
Wie schon gestern im Budgetausschuss, drehten sich viele Fragen um die Einführung der sogenannten Ambulanzgebühr. Waneck argumentierte, dass es notwendig gewesen sei, auf die ständige überdurchschnittliche Zunahme bei den Ambulanzen zu reagieren. Es habe einen Hilferuf der Spitäler gegeben, sagte Waneck, und wies darauf hin, dass z.B. im SMZ-Ost die Selbsteinweisungsquote bei 50 % liege. Der Abgeordneten Haidlmayr versicherte er, dass behinderte Menschen, denen kein Facharzt mit einer barrierefreien Ordination zur Verfügung steht, von dem Behandlungsbeitrag befreit sind. Waneck stellte in diesem Zusammenhang noch fest, dass entsprechende Durchführungsverordnungen des Hauptverbandes noch fehlen.
Ein wichtiges Anliegen sei ihm auch die Senkung der Preise für Medikamente, die im letzten Jahr wieder um 12,3 % gestiegen sind. Dabei gebe es große Unterschiede zwischen den Bundesländern, da etwa Oberösterreich, das seit Herbst 1999 ein Programm laufen habe, die geringste Steigerung aufweise. Weiters wurde die Großhandelsspanne auf das Niveau von 1998 zurückgeführt und eine Vereinbarung mit den Apothekern abgeschlossen, damit überdurchschnittliche Gewinne nicht mehr lukriert werden.
Was die Umsetzung des Österreichischen Krankenanstaltenplans, der völlig umgearbeitet wurde, anbelangt, so sei er optimistisch, sagte Waneck. Es stünden derzeit keine Standortschließungen zur Diskussion, betonte der Staatssekretär. Den Abgeordneten Grünewald informierte er noch darüber, dass im Bereich der Akutgeriatrie 2.215 Betten umgewidmet wurden. Er hoffe, dass mit den Ländern eine entsprechende Vereinbarung (auch bezüglich der Umsetzung der Mindeststandards) bis Ende des Jahres gefunden wird.
Zur Drogenproblematik meinte Waneck, dass es seine Aufgabe sei, ein Drogenbekämpfungskonzept zu erarbeiten, die Beratungsstellen zu unterstützen und dafür Sorge zu tragen, dass das bewährte Konzept "Therapie statt Strafe" in keiner Weise geschmälert werde. Dem Abgeordneten Maier teilte er mit, dass er in einer norwegischen Fernsehsendung gehört habe, dass 5 Gramm Heroin auf bis zu 35 Rationen gestreckt werden könne. Die Wiener Polizei gehe davon aus, dass diese Menge für 14 Tage reiche.
Bezüglich der Gammahydroxibuttersäure sagte Waneck, dass geprüft werde, ob hier eine starke Gefahr der Abhängigkeit gegeben sei. Auch auf EU-Ebene gebe es bereits Überlegungen, ob GHB als Suchtmittel eingestuft werden soll. Als Lebensmittelzusatz sei diese Substanz jedenfalls nicht zugelassen.
Zur BSE-Problematik fügte Waneck an, dass seit 1. Oktober eine entsprechende EU-Richtlinie in Kraft sei, die für den gesamten EU-Raum gelte. Auch in Österreich habe man Vorsorgemaßnahmen ergriffen, z.B. gewisse Einschränkungen bei der Blutplasmaspende sowie das Importverbot gegenüber Frankreich. Eine Einfuhrsperre gelte auch für die Schweiz, da dort Futtermittel aus Frankreich bezogen wurden. Verschärft werden auch die Vorschriften im Bereich der Lebensmittelsicherheit durch die Möglichkeit der Rückverfolgung bis ins Ursprungsland und die Einsichtnahme in Aufzeichnungen der Betriebe. Dies soll nicht nur bei den Rindern gelten, sondern auch bei Schweinen ("Schweinedatenbank"), betonte er. Bezüglich der geplanten Ausgliederung der bundesstaatlichen Untersuchungsanstalten sei die Errichtung einer Holding GesmbH vorgesehen, in der jedes Institut eine eigene Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Wichtig sei ihm dabei ein Durchgriffsrecht von Seiten des Bundes sowie die Teilrechtsfähigkeit der Institute.
SPÖ FORDERTE GLEICHE ZUGANGSCHANCEN FÜR MTD-BERUFE
Abgeordnete Pittermann (S) wünschte sich - ungeachtet des Heimatbundeslandes - eine unentgeltliche Ausbildung an den MTD-Akademien. Da manche Akademien Ausbildungskosten bis zur Höhe von 360.000 S verlangen, müssten viele Studierende auf ihren Berufswunsch verzichten oder im Rahmen eines sogenannten "Ausbildungsdarlehens" weit reichende gravierende finanzielle Verpflichtungen in Kauf nehmen. Die S-Mandatare forderten daher den Staatssekretär auf, Verhandlungen mit den Ländern aufzunehmen, um im Sinne der von den Landesfinanzreferenten aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten (15a-Vereinbarung oder gemäß § 3 FAG) eine Regelung zu finden, nach der finanzielle Belastungen für TeilnehmerInnen an einer Ausbildung an einer MTD-Akademie künftig ausgeschlossen sind. (222/A[E]) Bei der Abstimmung wurde der Antrag von der Mehrheit abgelehnt.
Der Staatssekretär erinnerte daran, dass dieser Punkt auf der Tagesordnung der Sitzung der Landesgesundheitsreferenten stehe und er hoffe, dass eine Vereinbarung erzielt werden könne.
Mit dem Hinweis auf bereits eingeleitete Maßnahmen wurde auch ein S-Entschließungsantrag betreffend umfassende Reform der Gesundheitsberufe abgelehnt. Angesichts der Reformbedürftigkeit bei einer Reihe hochqualifizierter Gesundheitsberufe forderten sozialdemokratische Abgeordnete aufeinander abgestimmte Reformen einzelner Gesundheitsberufe, und zwar betreffend Neuregelung des Berufsbildes der Heilmasseure bzw. der Ausbildung und des Tätigkeitsbildes der Sanitäter, die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die zahnärztlichen AssistentInnen und eine MTD- und MTF-Reform. (223/A[E])
GRÜNE FÜR BARRIEREFREIE ZUGÄNGE ZU DEN ARZTPRAXEN
Vor allem alte und behinderte Menschen seien oft mit dem Problem konfrontiert, dass Arztpraxen aufgrund baulicher Barrieren für sie schwer zugänglich sind, konstatierten die Grünen, die daher eine gesetzliche Regelung begehren, welche die barrierefreie Zugänglichkeit von Arztpraxen umfasst. Diese Massnahme diene auch dem Prinzip der freien Arztwahl, so die Grünen. (250/A (E)) In einem Abänderungsantrag trat Haidlmayr dafür ein, bei neu errichteten Arztpraxen die Zugänglichkeit gemäß ÖNORM B 1600 vorzusehen und bei bereits bestehenden eine Übergangsfrist von 10 Jahren zu gewähren.
Waneck unterstrich, dass sein Ressort in Gesprächen und schriftlichen Aufforderungen immer wieder auf die Bedeutung dieses Themas hinweise. Eine Änderung des Ärztegesetzes sei aus verfassungsrechtlichen Gründen jedoch nicht möglich.
Die Forderungen der Grünen fanden keine Zustimmung.
SOZIALDEMOKRATEN TRETEN FÜR VORLAGE EINES DROGENBERICHTS EIN
In der Drogenpolitik werde nun der Weg zurück beschritten, werfen die SozialdemokratInnen der Bundesregierung in einem Entschließungsantrag vor. Die bisher erfolgreiche Entwicklung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Prävention, Therapie und Repression sei stark eingeschränkt worden. Der Umgang mit dem Drogenproblem unter der Prämisse "Therapie statt Strafe" sei beispielhaft für Europa gewesen und könnte für die anstehenden Reformen in Europa "innovative Kraft" haben. Die "neue Drogenpolitik" führe jedoch wieder zu einer verstärkten Kriminalisierung der Suchtkranken, so die Begründung des Antrages.
Die S-Abgeordneten halten die Vorlage umfassender Daten und Analysen für sinnvoll und notwendig, um auf dieser Grundlage eine parlamentarische Diskussion führen zu können. Sie fordern daher die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen in Zusammenarbeit mit den Bundesministern für Justiz und Inneres auf, dem Nationalrat einen Drogenbericht über das Jahr 1999 vorzulegen. (272/A[E])
Ein von den Regierungsparteien eingebrachter Entschließungsantrag, in dem der Sozialminister aufgefordert wird, den Gesundheitsausschuss über den Inhalt des vom ÖBIG erstellten Berichts zu informieren, wurde mit F-V-Mehrheit angenommen. Der S-Antrag verfiel der Ablehnung.
ZAHLREICHE ANTRÄGE DER OPPOSITION MIT F-V-MEHRHEIT VERTAGT
In einem S-Entschließungsantrag wurde der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen aufgefordert, bis Jahresende einen Gesetzesentwurf bezüglich Ausbildungsordnung und Berufsausbildung der Lagerungs- und Stützverbandstechniker (Gipser) in Spitalsambulanzen vorzulegen. (221/A[E]) Waneck anerkannte die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme und schlug vor, mit den Betroffenen zu diskutieren. Vor allem sollte geklärt werden, ob eine zu große Spezialisierung nicht zu sehr einenge, gab er zu bedenken.
In einem Entschließungsantrag wies S-Abgeordnete Pittermann darauf hin, dass das Ärztegesetz keine Regelungen für den datenschutzkonformen Umgang mit Patientendaten im Fall einer Übergabe oder Auflösung einer ärztlichen Ordination vorsieht. Aus diesem Grund forderte sie den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen auf, bis Ende des Jahres 2000 dem Nationalrat einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen, um einen umfassenden Schutz dieser hochsensiblen Daten zu gewährleisten (224/A[E]). Auch Abgeordnete Haidlmayr (G) kritisierte, dass die Daten automatisch weitergegeben werden.
Waneck hielt Pittermann entgegen, dass man sich des Problems bewusst sei und wies auf das - bereits in Begutachtung befindliche - Ärztegesetz sowie das Telematikgesetz hin, das derzeit vorbereitet wird. Der Entwurf zum Ärztegesetz sehe vor, dass die Patientendaten bei einer Ordinationsübergabe vom Nachfolger bzw. von der Kassenplanstelle übernommen werden müssen. Außerdem soll den Patienten ein Widerspruchsrecht eingeräumt werden.
Die Grünen plädierten in einem Antrag für eine Beibehaltung der bisherigen Beitragsordnung des Österreichischen Hebammengremiums und wollten daher eine diesbezügliche Änderung des Hebammengesetzes gestrichen wissen, da diese nicht nur keine Vorteile brächte, sondern auch verwaltungstechnisch schwer administrierbar wäre. (252/A)
Staatssekretär Waneck war der Auffassung, dass die Betroffenen selbst, d.h. das Bundeshebammengremium, entscheiden sollen.
Weiters vertagt wurden zwei Anträge der Opposition bezüglich der Entschädigungen für Hepatitis-C-Opfer: Abgeordnete der SPÖ machten in einem Entschließungsantrag darauf aufmerksam, dass es in den späten Sechziger- und Ende der Achtzigerjahre zu zahlreichen Infektionen von Plasmaspendern und -empfängern mit dem Hepatitis-C-Virus kam. Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird deshalb aufgefordert, bis Jahresende den versprochenen Fonds einzurichten, um allen - durch Plasmapheresen - Geschädigten (sowohl Spendern als auch Empfängern der Produkte) eine entsprechende Entschädigung zu gewähren. Die Mittel für diesen Fonds sollten nach Auffassung der sozialdemokratischen Mandatare in erster Linie von den verursachenden Firmen und deren Versicherungen zur Verfügung gestellt werden. (225/A[E]) Ebenso forderten die Grünen in einem Entschließungsantrag die Schaffung eines Unterstützungsfonds bis zum Jahresende 2000 nach dem Vorbild des HIV-Unterstützungsfonds. (271/A[E])
Die Verhandlungen mit den Pharmafirmen seien positiv verlaufen, erläuterte Staatssekretär Waneck, derzeit nehmen sie allerdings eine etwas zögerliche Haltung ein. Überdies gebe es auch noch keine Zusage von den Ländern. Von Seiten des Bundes wurde aber alles unternommen, um einen Fonds einrichten zu können, wobei heuer 5 Mill. S und nächstes Jahr 15 Mill. S zur Verfügung stehen werden. Insgesamt wird von einem Primärbedarf in der Höhe von 28,5 Mill. S ausgegangen. Dieser Berechnung liege eine Einteilung in drei Krankheitsstufen zugrunde; "mäßig" Erkrankte sollen 5.000 S monatlich erhalten und "schwer" Erkrankte 10.000 S monatlich.
Die Grünen beantragten noch die Einführung einer verschuldensunabhängigen Medizinhaftung, die system-, strukturbedingte und von den Gesundheitsberufen verursachte Behandlungsschäden abdeckt und von einer Risikogemeinschaft mit Ausnahme von PatientInnen getragen wird. Ihre Intention geht dahin, vom zivilgerichtlichen Verfahren weg und hin zum sozialgerichtlichen zu kommen, sich an der gesetzlichen Unfallversicherung zu orientieren, von der persönlichen Haftung der ÄrztInnen abzugehen und eine einheitliche Haftung für den gesamten medizinischen Dienstleistungssektor zu erreichen. (140/A[E])
Waneck verwies auf das Beispiel der Gemeinde Wien, wo ein Fonds eingerichtet wurde, der mit 4 Mill. S pro Jahr ausgestattet sei.
Er erläuterte in diesem Zusammenhang, dass der Spitalskostenbeitrag erhöht wurde und im Gegenzug die Spitäler 10 S pro Tag und Patient abliefern müssen. Überdies wurde zu diesem Thema eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die einen Bericht vorgelegt hat. Waneck versprach, diese Unterlage den Abgeordneten zuzuleiten.
Auch dieser Antrag wurde mit F-V-Mehrheit vertagt. (Schluss)
Stichworte
Links
- 140/A(E) - Einführung einer verschuldensunabhängigen Medizinhaftung
- 222/A(E) - unentgeltliche Ausbildung für alle medizinisch-technischen Dienste über die Bundesländergrenzen hinweg
- 223/A(E) - umfassende Reform der Gesundheitsberufe
- 272/A(E) - die Vorlage eines umfassenden Drogenberichtes über das Jahr 1999 an das Parlament
- 271/A(E) - Entschädigungsfonds für durch Plasmaspenden mit Hepatitis-C infizierte Personen
- 250/A(E) - Schaffung von barrierefreiem Zugang zu Arztpraxen
- 221/A(E) - gesetzlicher Regelungen für Lagerungs- und Stützverbandstechniker in Spitalsambulanzen
- 224/A(E) - Schließung datenschutzrechtlicher Lücken im Ärztegesetz 1998
- 252/A und Zu 252/A - Bundeshebammengesetz,
- 225/A(E) - Entschädigungen für die Hepatitis-C-Opfer der Plasmapheresefirmen