Parlamentskorrespondenz Nr. 545 vom 06.07.2001

VERKEHRSTHEMEN ZUM NATIONALRATS-KEHRAUS VOR DER SOMMERPAUSE

Umstrittenes Thema Drogenkontrolle

Wien (PK) - Zum Kehraus vor der parlamentarischen Sommerpause befassten sich die Abgeordneten mit Themen aus dem Bereich Verkehr. Auf der Tagesordnung standen die 21. Novelle der Straßenverkehrsordnung , zusammen mit der Petition Nr. 1 betreffend "Alkoholisierte Lenker gefährden uns alle", ein Europäisches Abkommen ein Antrag der Grünen , ein Abkommen mit Ungarn und eine Änderung des Güterbeförderungsgesetzes .

ÄNDERUNG DER STRASSENVERKEHRSORDNUNG, PETITION BETR. ALKOLENKER

Abgeordneter EDER (S) hielt fest, dass bereits bei der geltenden Gesetzeslage Drogenmissbrauch im Straßenverkehr verboten sei. In den letzten Jahren hätten daher die zuständigen Minister mehrere Initiativen in Gang gesetzt. Die gegenständliche Regierungsvorlage hält er für untauglich, da auch alle ExpertInnen die geplanten Neuerungen für nicht beschlussreif hielten. Denn die darin vorgeschlagenen Bestimmungen seien kein taugliches Mittel, den Suchtgiftkonsum im Straßenverkehr wirksam zu bekämpfen. Die Ergebnisse der Blut- und Harntests seien wissenschaftlich nicht haltbar. Die SozialdemokratInnen lehnten eine Kriminalisierung unbescholtener Bürger ab, die mit diesem neuen Gesetz eingeführt würde, argumentierte Edler. Die notwendige Verfassungsmehrheit werde daher nicht zustande kommen.

Abgeordneter Mag. FIRLINGER (F) meinte, 98,9 Prozent der Aussagen seines Vorredners seien falsch. Die SPÖ betreibe seit Jahren Verzögerungstaktik und nun Fundamentalopposition. Bis jetzt sei Österreich einsames Schlusslicht, was die Rahmengesetzgebung in Bezug auf Fahren unter Drogeneinfluss betreffe. Es sei daher hoch an der Zeit anzufangen, Verkehrssicherheitspolitik zu machen. Die Regierung werde sich davon nicht abhalten lassen, sondern das Problem im Herbst wieder thematisieren.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) bedauerte, dass es nicht gelungen sei, auf sachlicher Ebene ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen, obwohl man so nahe bei einander sei, was das Ziel betreffe, nämlich beeinträchtigte FahrerInnen aus dem Straßenverkehr zu ziehen. Lichtenberger mutmaßte, dass es der Regierung im eigentlichen Sinne nicht um Verkehrssicherheit gehe, sondern um Polemik, sonst hätte man eine vernünftige Lösung finden können. Wesentlich wären Qualifikationsmaßnahmen, mit denen man das erreichen könne, was der Verkehrssicherheit diene, meinte Lichtenberger. Würden aber die vorgeschlagenen Bestimmungen in Kraft treten, würden viele Unschuldige getroffen, und das könne sie nicht mittragen. Die Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren seien fast einheitlich negativ gewesen. Sie hoffe jedenfalls auf eine sinnvolle Lösung im Herbst.

Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) wiederum warf der Opposition vor, die Zielgruppe der Drogenlenker im Auge zu haben. Die Regierung hingegen strebe an, Drogenlenker aus dem Verkehr zu ziehen. Wie Firlinger kündigte auch er an, im Herbst den Antrag wieder einzubringen, bis auch der letzte Österreicher wisse, auf welcher Seite SPÖ und Grüne stünden. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit habe sich jedenfalls der Meinung der Regierung angeschlossen und die vorgeschlagenen Änderungen sogar als eine Minimallösung bezeichnet. Kukacka kritisierte auch, dass die Opposition im Ausschuss nicht in der Lage gewesen sei, eine einzige praktikable Alternative anzubieten, dieses Problem zu bewältigen.

Abgeordneter PARNIGONI (S) meinte, Gesundheitspolitik könne nicht über die Straßenverkehrsordnung gemacht werden. Die SPÖ wende sich gegen die Kriminalisierung und gegen zwangsweise Blutabnahme, weil diese einer medizinischen und ethischen Sicht widerspreche, wie dies auch die Ärztekammer artikuliert hatte. Er lehne es auch ab, unausgereifte Gesetze auf dem Rücken von Exekutivbeamten auszutragen, da es an einer diesbezüglichen Ausbildung mangle. Gegen die Novelle spreche auch die Tatsache, dass es keine geeigneten Testgeräte gebe. Parnigoni plädierte für eine ordentliche und ausreichende Diskussion.

Abgeordneter SODIAN (F) wies darauf hin, dass man Blut- und Harntests brauche. Aufgrund eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs sei aber derzeit eine Ablehnung der Tests ohne Konsequenzen möglich. Die SPÖ wolle nur verzögern, seit 1993 werde nämlich bereits im Hohen Haus über dieses Thema diskutiert, sagte Sodian.

Abgeordneter BROSZ (G) gab den Vorwurf, Klientelpolitik zu betreiben, an Abgeordneten Kukacka zurück, der sich vehement gegen die jetzt geltende Promilleregelung gewendet hatte. Heute reiche, so Brosz, ohnehin schon die Vermutung auf Verkehrsuntauglichkeit zum Führerscheinentzug. Der Regierung gehe es seiner Meinung nach darum, die Situation von Menschen, die Drogen konsumieren, insofern zu verschlechtern, als man sie kriminalisieren möchte. Brosz zweifelte auch die Qualifikation von Amtsärzten in diesem Zusammenhang an.

Abgeordneter KURZBAUER (V) zitierte aus einer Resolution von SchülerInnen der HTL aus 1999, die diese nach einem schweren Verkehrsunfall verfasst hatten. Darin wird vor allem ein höheres Verantwortungsbewusstsein im Straßenverkehr angesprochen. 

Bundesministerin Dr. FORSTINGER ging auf die Änderung des Güterbeförderungsgesetzes ein, erläuterte die Verwaltungsvereinfachungen und die Möglichkeit, bei Verstößen gegen Ökopunkteverordnung künftig auch die Unternehmer zu bestrafen. Beim Thema Drogen im Straßenverkehr erinnerte sie an die schweren Unfälle des letzten Jahres und sah die offenen Fragen im Zusammenhang mit den Drogentests ausgeräumt. Sie appellierte daher an die Abgeordneten, ihren diesbezüglichen Konflikt zu beenden, da die große Mehrheit der Verkehrsteilnehmer verlange, Drogentests im Straßenverkehr einzuführen.

Abgeordnete BINDER (S) signalisierte dazu Gesprächsbereitschaft ihrer Fraktion, stellte aber klar, dass das Lenken von Fahrzeugen im beeinträchtigten Zustand schon derzeit verboten sei und gesetzliche Bestimmungen sowohl für Alkohol als auch für Drogen bestehen. Für Drogen gäbe es aber weder geeignete Testverfahren noch Grenzwerte. Verfassungsprinzipien seien aber bei jedem Gesetz einzuhalten und eine Kriminalisierung unbescholtener Bürger zu vermeiden. "Prüfen wir alle Vorschläge gemeinsam", lautete der Vorschlag der Abgeordneten Binder.

Abgeordneter Ing. SCHEUCH (F) plädierte dafür, die Gesetzeslücke zu schließen, die es Suchtgiftlenkern ermöglicht, sich Blut- und Harntests zu entziehen. "Warum stimmen SPÖ und Grüne dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zu", lautete Scheuchs Frage. Seine Kritik galt einer "brutalen Verzögerungspolitik der Opposition", die lediglich den Suchtgiftkonsumenten entgegenkomme. Die Exekutive brauche die Möglichkeit, bei Verdacht auf beeinträchtigte Fahrtüchtigkeit Drogentests durchzuführen.   

Abgeordneter SCHWEMLEIN (S) schloss sich der Auffassung der Experten an, dass die von der Regierung vorgelegte Lösung zum Thema Drogen im Straßenverkehr keine Verbesserung der Situation bringe. Schwemlein plädiert für die Fortsetzung der Beratungen gemeinsam mit Experten und warnte davor, sich bei der Lösung von Verkehrs- und Drogenproblemen ausschließlich auf Strafen zu konzentrieren.

Auch Abgeordneter ZWEYTICK (V) klagte über die, wie er sagte, Verzögerungstaktik der Opposition und stellte fest, beim Thema Drogen im Straßenverkehr wäre eher eine Volksbefragung angebracht als beim Hauptverband. Die Vorlage der Bundesregierung bringe lediglich eine Gleichstellung zwischen Alkohol- und Drogenlenkern. Die Opposition sollte daran denken, dass ihre heutige Zustimmung schon morgen Leben schützen könnte. 

Abgeordneter SCHWEISGUT (V) berichtete über tragische Unfälle unter Drogeneinfluss und unterstrich die Notwendigkeit, unschuldige Verkehrsopfer zu vermeiden. "Warum soll nicht auch für Drogenlenker gelten, was für alkoholisierte Lenker längst gilt: Blutprobe bei Verdacht auf Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit", lautete die Frage des Abgeordneten.

Bei der getrennten namentlichen Abstimmung über die Verfassungsbestimmung zur Feststellung einer Suchtgiftbeeinträchtigung per Blutabnahme oder Harnprobe wurden 168 Stimmen abgegeben. Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde mit 96 Ja-Stimmen gegenüber 72 Nein-Stimmen aber verfehlt. Auch die anderen Verfassungsbestimmungen der Regierungsvorlage zur Änderung der Straßenverkehrsordnung wurden mangels einer qualifizierten Mehrheit abgelehnt, die einfachgesetzlichen Teile des Gesetzentwurfs erhielten in zweiter Lesung eine Mehrheit. In Dritter Lesung fand der Gesetzentwurf keine Mehrheit.

VERKEHRSABKOMMEN, NOVELLE DES GÜTERBEFÖRDERUNGSGESETZES

Abgeordneter EDLER (S) beklagte Verzögerungen beim Ausbau der Eisenbahn-Hauptstrecken und machte auf die Gefahr einer Eisenbahn-Umfahrung Österreichs aufmerksam. Österreich brauche den Ausbau seiner Eisenbahntransversalen und überdies den Bau des Semmering-Basistunnels. Außerdem forderte Edler die Erhaltung von Nebenbahnen, um die Verödung von Regionen zu verhindern und plädierte für mehr Kostenwahrheit auf der Straße, denn dies sei die Voraussetzung für eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene.

Abgeordneter WATTAUL (F) begrüßte die Möglichkeit, auch ausländische Unternehmer behördlich zu verfolgen, wenn sie gegen die Öko-Punkte-Regelung verstoßen, und brachte einen V-F-Abänderungsantrag zu den Bestimmungen für Abstellplätze und Frachtbriefe ein.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) bedauerte den Zeitdruck, unter dem die heutige Verkehrsdebatte zu führen sei, und forderte künftig eine bessere Verhandlungszeit für das zentrale Thema Verkehr. Inhaltlich klagte die Rednerin über die Weigerung der Regierungsparteien, ihrem Antrag auf Erhaltung und Attraktivierung der Ausserfernbahn zuzustimmen. Durch die Änderung des Güterbeförderungsgesetzes befürchtete Lichtenberger einen höheren Druck von LKW-Unternehmern auf ihre Fahrer, bei Gesetzesübertretungen die - für diese - geringeren Strafen auf sich zu nehmen. Grundsätzlich verlangte Lichtenberger eine Verkehrspolitik, die sich nicht nur an wirtschaftlichen, sondern auch an gesamtgesellschaftlichen Interessen orientiere.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) bekannte sich zu umweltverträglichen Verkehrslösungen, zur Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene und zum Ausbau der Unterinntal-Strecke. Einen Widerspruch zwischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen, wie ihn die Grünen sehen, konnte sie nicht erkennen. Über die Erleichterungen für österreichische Spediteure und die Verbesserungen für Infrastruktur und Transportwesen zeigte sich die Rednerin erfreut.

Abgeordneter FINK (V) hielt es für nicht befriedigend, dass die Güterbeförderungskonzessionen aus Gründen der EU-Konformität künftig alle fünf Jahre überprüft werden müssen. Diesem vermehrtem Verwaltungsaufwand stünden aber Liberalisierungsschritte für das Güterbeförderungsgewerbe gegenüber, die administrative Vereinfachungen bringen werden.

Das Europäische Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs und das Abkommen mit Ungarn über Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Grenzabfertigung Dienstleistungen erbringen, erzielten jeweils einstimmige Genehmigung.

Die Änderung des Güterbeförderungsgesetzes wurde in der Fassung des V-F-Abänderungsantrages mehrheitlich verabschiedet, der (negative) Ausschussbericht über G-Antrag 362/A mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

IMMUNITÄTSAUFHEBUNG, ENDE DER ORDENTLICHEN TAGUNG 2000/2001

Der Nationalrat stellte auf Antrag des Immunitätsausschusses den Zusammenhang zwischen der politischen Tätigkeit der Abgeordneten und der behaupteten strafbaren Handlung fest und stimmte der behördlichen Verfolgung mehrheitlich zu.

Dann ersuchten die Abgeordneten den Bundespräsidenten einstimmig, die ordentliche Tagung 2000/2001 der XXI. GP des Nationalrates mit Freitag, dem 13. Juli 2001, für beendet zu erklären. 

In seiner Schlussansprache dankte Nationalratspräsident Dr. FISCHER den Mitarbeitern des Hauses für ihren Einsatz in der zu Ende gegangenen arbeitsreichen Tagung und wünschte allen einen schönen und erholsamen Sommer.

(Schluss)