Parlamentskorrespondenz Nr. 35 vom 20.01.2004

REFORM DES SEXUALSTRAFRECHTS PASSIERT JUSTIZAUSSCHUSS

Härtere Maßnahmen gegen Fälschung und Betrug bei Kreditkarten

Wien (PK) - Die Änderung des Sexualstrafrechts wurde heute teilweise einstimmig, teilweise mehrheitlich mit den Stimmen der Koalitionsparteien im Justizausschuss beschlossen. Die Verhandlungen darüber waren am 11. Dezember des Vorjahres nach einem Expertenhearing vertagt worden. Obwohl die Opposition grundsätzlich die Verbesserung des Schutzes Jugendlicher, die auf einem EU-Rahmenbeschluss basiert, unterstützt und die Änderungen großteils begrüßt, befürchtet sie doch eine Kriminalisierung Jugendlicher auf Grund mangelnder Differenzierung im Gesetz. Dem hielten die Abgeordneten der Regierungsfraktionen entgegen, durch die vorgenommene Präzisierung, was unter pornographischer Darstellung Minderjähriger zu verstehen sei, werde es zu keiner Kriminalisierung kommen. 

Die entsprechende Vorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 2003 (294 d.B.) verfolgt das Ziel, dem gestiegenen Respekt vor der Persönlichkeit des Menschen und vor allem seinem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verstärkt Rechnung zu tragen und einen wirksamen Schutz vor sexueller Ausbeutung zu gewährleisten.

Dieser Leitfaden kommt bereits in den Begriffen zum Ausdruck. Die so genannten Sittlichkeitsdelikte werden nunmehr als "strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung" bezeichnet. An inhaltlichen Neuerungen sieht das Gesetz die Umgestaltung des Tatbestandes der Kinderpornographie durch Einbeziehung von Darstellungen mündiger Minderjähriger in eine umfassendere Kriminalisierung vor. Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung durch Organentnahme und der Ausbeutung der Arbeitskraft wird in Zukunft ein eigener Tatbestand des StGB sein. Neu ist auch eine Strafbestimmung gegen das Anwerben, Anbieten und Vermitteln von Minderjährigen zur Prostitution sowie zur Mitwirkung an pornographischen Darstellungen. Beseitigt wird durch die Novelle zudem die bisherige Privilegierung für Vergewaltigung und geschlechtliche Nötigung in Ehe oder Lebensgemeinschaft.

Ein von ÖVP und FPÖ eingebrachter Abänderungsantrag sieht unter anderem eine Erhöhung der Strafsätze für den Fall vor, dass die Nötigung den Selbstmord oder Selbstmordversuch des Opfers zur Folge hat. Wenn die Vergewaltigung oder geschlechtliche Nötigung eine Schwangerschaft nach sich zieht, so soll dies in Hinkunft in allen Fällen strafsatzerhöhend wirken. Ebenfalls verschärft werden die Strafsätze für die Herstellung und Verbreitung pornographischer Darstellungen Minderjähriger.

Der Abänderungsantrag umfasst auch die Bestimmungen der Regierungsvorlage 309 d.B. zu einer weiteren Änderung des Strafgesetzbuches. Diese dient der Umsetzung eines EU-Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln. Zu diesem Zweck wird das StGB um einige neue Tatbestände ergänzt, etwa Fälschung von Kredit- und Bankomatkarten, Annahme, Weitergabe oder Besitz von falschen oder verfälschten unbaren Zahlungsmitteln, aber auch Entfremdung unbarer Zahlungsmittel. Die Strafdrohungen gehen im Fall der Fälschung bis zu Freiheitsentzug von drei Jahren.

Aufgrund eines Verlangens der Abgeordneten von SPÖ und Grünen, die zu den Paragraphen 207a, 212 und 218 StGB einen Abänderungsantrag eingebracht hatten, erfolgte eine getrennte Abstimmung. Das Strafrechtsänderungsgesetz 2003 wurde schließlich unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags der Regierungsfraktionen teilweise einstimmig, teilweise mehrheitlich angenommen. Die Regierungsvorlage 309 d. B. wurde somit als Teil des Abänderungsantrages miterledigt. Ebenso miterledigt wurde d ie Bürgerinitiative (10/BI), in welcher eine drastische Erhöhung der Strafen für Kindesmissbrauch gefordert wird.

Mit den Stimmen aller Fraktionen passiertedarüber hinaus das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, Kinderprostitution und Kinderpornographie (18 d.B.) den Justizausschuss. Damit werden die im geltenden Übereinkommen verankerten Schutzbestimmungen für Kinder ausgedehnt. Kinder sollen vor allen Formen sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs, der Prostitution oder pornographischen Darbietungen und Darstellungen geschützt und der Verkauf und der Handel von Kindern zu einem beliebigen Zweck verhindert werden.

OPPOSITION BEFÜRCHTET UNNÖTIGE KRIMINALISIERUNG JUGENDLICHER

ÖVP UND FPÖ: DIES WIRD DURCH PRÄZISIERUNGEN IM GESETZ VERHINDERT

In der Diskussion unterstrichen die Abgeordneten der Opposition, dass sie die Initiative zur Verbesserung des Schutzes Jugendlicher unterstützen und die Intention des Gesetzes grundsätzlich gutheißen. Sowohl Abgeordneter Johannes Jarolim (S) als auch die Abgeordneten Terezija Stoisits (G), Christian Puswald (S), Gisela Wurm (S) und Johann Maier (S) bedauerten aus ihrer Sicht, dass die Regierungsparteien den von ExpertInnen beim Hearing im Dezember geäußerten Bedenken nicht Rechnung getragen haben. Mit dem § 207a setze man Jugendliche, die in Zuneigung einander verbunden seien, strafrechtlicher Verfolgung aus. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren würden gleich behandelt, was nicht sachgerecht sei. Durch diese Nichtdifferenzierung würden Probleme geschaffen, die der Gesetzgeber nicht wolle, so die Argumente der Oppositionsabgeordneten. Darüber hinaus befürchten die Abgeordneten eine zu weit gehende Auslegung des § 218 im Hinblick auf die Erregung öffentlichen Ärgernisses. Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S) bewertete die Tendenz des Gesetzes als einen "konservativen moralischen Fingerzeig", womit man den Jugendlichen keinen guten Dienst erweise.

Abgeordnete der Regierungsfraktionen stellten dies in Abrede und meinten, dass durch die Präzisierung hinsichtlich der Definition pornographischer Darstellungen die Gefahr unnötiger Kriminalisierung Jugendlicher gebannt sei (Abgeordnete Josef Trinkl und Karin Hakl, beide V). Sektionschef Miklau ergänzte, dass der EU-Rahmenbeschluss Kinder einheitlich von 0 bis 18 Jahren definiere, und eine Differenzierung zwischen einer mündig minderjährigen Person und einer minderjährigen Person nur im § 207a möglich sei. Weitere Ausnahmemöglichkeiten lasse der Rahmenbeschluss nicht zu.

Abgeordneter Johann Maier (S) hob die Bestimmungen hinsichtlich des Menschenhandels und der verbotenen Adoptionsvermittlung als wichtig und notwendig hervor, meinte aber, dass eine Verschärfung der Strafbestimmungen nicht ausreichend sei. Menschenhandel müsse aktiv bekämpft werden, und dazu liege auch eine Entschließung des Rates vom 20. Oktober 2003 vor. Bundesminister Böhmdorfer informierte die Abgeordneten, dass auch das Justizministerium in diesem Zusammenhang Initiativen setze, wenn auch das Innenministerium federführend sei.    

INWIEWEIT SOLLEN SEELSORGER IM GESETZ ERFASST SEIN ?

Eine intensive Diskussion entbrannte nach der Wortmeldung des Abgeordneten Jarolim (S) um die Seelsorger. Jarolim wies darauf hin, dass es im Bereich der Seelsorge immer wieder zu Missbräuchen komme, Seelsorger würden aber vom § 212 nicht erfasst. Dies sei aber notwendig, um Jugendliche konsequent zu schützen. Dem schlossen sich die Abgeordneten Stoisits (G), Stadlbauer (S) und Puswald (S)  vollinhaltlich an. Puswald warf der Regierung sogar vor, hier Klientelpolitik zu betreiben.

Dem gegenüber sahen die Abgeordneten Trinkl  und Hakl (beide V) keine Notwendigkeit, Seelsorger explizit in das Gesetz aufzunehmen, da diese ohnehin in der Funktion als Erzieher sowie als Aufsichts- und Betreuungsperson erfasst seien. Sektionschef Miklau räumte ein, dass man die Seelsorger nicht vollständig erfasst habe und hier durchaus Abgrenzungsprobleme bestünden. Absatz 1 treffe aber auch auf Seelsorger zu, wenn sie in Erziehung und Aufsicht tätig seien. Abgeordneter Detlev Neudeck (F) mutmaßte, dass die Opposition aus dieser Frage nur politisches Kleingeld schlagen wolle. Daraufhin betonte Abgeordnete Stoisits (G), dass es hier um ganz spezifische Beziehungen gehe und der Gesetzgeber hier präzise vorgehen müsse. Die vorliegende Formulierung sei jedoch völlig unklar.

Ohne Einschränkungen wurden die Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln begrüßt. (Schluss)