Parlamentskorrespondenz Nr. 527 vom 30.06.2004

FINANZAUSSCHUSS VERTAGT ANTRÄGE DER OPPOSITION

Die Themen: Irak-Schulden, Finanzausgleich, Alkopops

Wien (PK) - Zuletzt vertagte der Finanzausschuss j eweils mit VP-FP-Mehrheit eine Reihe von Anträgen der Oppositionsparteien. Zunächst verlangten die Grünen für die Entschuldung des Iraks ein von der UNO überwachtes Verfahrens (372/A[E]). Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) machte darauf aufmerksam, dass der Irak in den letzten Jahrzehnten Schulden in der Höhe von 120 Mrd. bis 130 Mrd. $ angehäuft habe. Der Anteil Österreichs betrage 1,2 Mrd. €. Lunacek plädierte dafür, zwischen legitimen und illegitimen Schulden zu unterscheiden. Dies sei im Interesse Österreichs, das kein Waffen an den Irak geliefert habe, sondern in Straßen, Schulen und Nahrungsmittellieferungen investiert habe. Da der Pariser Klub diese Unterscheidung nicht treffe, sollte sich Österreich bei den Vereinten Nationen dafür einsetzen, dass zwischen legitimen und illegitimen Schulden unterschieden werde.

Abgeordneter Michael Ikrath (V) stimmte mit der Antragstellerin in der Einschätzung der tragischen Situation im Irak überein. Der Pariser Klub sei aber eine bewährte Gläubigerorganisation, die kleinen Staaten wie Österreich den Vorteil des Einstimmigkeitsprinzips biete. Die Unterscheidung zwischen legitimen und illegitimen Schulden wäre auch nicht im Interesse jener Staaten, die Kredite am dringendsten brauchen.

Finanzminister Karlheinz Grasser konnte der Forderung für ein UN-Schiedsverfahren ebenfalls nichts abgewinnen, weil die österreichische Position im Pariser Klub gut vertreten werden könne. Beweisführungen zur Klärung der Frage, welche Schulden legitim seien und welche nicht, wären sehr schwierig zu führen.

FINANZMINISTER GRASSER LEHNT ANHEBUNG DES KILOMETERGELDES AB

Dann setzten sich die Abgeordneten mit dem Entschließungsantrag 339/A[E] auseinander, in dem Abgeordneter Anton Heinzl und seine FraktionskollegInnen eine Anhebung des amtlichen Kilometergeldes um mindestens 4 Cent pro Kilometer sowie des Kleinen und des Großen Pendlerpauschales um mindestens 30 % fordern. Begründet wird dies damit, dass das Kilometergeld von derzeit 36 Cent pro Kilometer seit 1997 nicht mehr angehoben worden ist und den Landwirten eine Senkung der Mineralölsteuer für Agrardiesel zugestanden worden sei.

Abgeordneter Jakob Auer (V) wies auf Erleichterungen für Pendler durch die Steuerreform hin und sprach sich überdies dagegen aus, Landwirte und Pendler gegeneinander auszuspielen. Der Agrardiesel sei deshalb teilweise von der Mineralölsteuer befreit, weil Traktoren wenig auf öffentlichen Straßen fahren, sagte er. Zudem würden überdurchschnittlich hohe Preise für Agrardiesel in Österreich die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft gefährden.

Abgeordneter Werner Kogler (G) verwahrte sich gegen die Diktion im Entschließungsantrag, wonach Autofahrer "massiv ausgeplündert" würden. Mit solchen Ausdrücken fördere man nur die "unsägliche Debatte" vom Autofahrer als Melkkuh der Nation, kritisierte er. Im Übrigen müssen man berücksichtigen, so Kogler, dass Pendler oft deshalb Pendler seien, weil sie in einem Einfamilienhaus außerhalb der Großstadt wohnten.

Abgeordneter Christoph  Matznetter (S) hielt dem dagegen, ein wesentlicher Teil der Bevölkerung suche es sich nicht aus, am Land zu leben und in der Stadt zu arbeiten. Er machte geltend, dass es im ländlichen Raum kaum adäquate Arbeitsplätze gebe und ein Wohnsitzwechsel oft aus familiären Gründen nicht zumutbar sei. Überdies könne ein immer größeres Wachsen von Ballungsräumen nicht das angestrebte Ziel sein.

Finanzminister Karl-Heinz Grasser lehnte sowohl eine weitere Erhöhung der Pendlerpauschale als auch eine Anhebung des amtlichen Kilometergeldes ab. Er legte Berechnungen vor, wonach die Preissteigerung bei Diesel von 1997 bis 2004 lediglich 6 % betragen habe, jene bei Superbenzin 5 % und jene bei anderen Benzinen 2 %. Unter diesem Aspekt sei die im Rahmen der Steuerreform durchgeführte Erhöhung der Pendlerpauschale um 15 % ohnehin "äußerst großzügig", sagte der Minister. Als ebenfalls großzügig wertete er die Höhe des amtlichen Kilometergeldes in Österreich, da, wie er argumentierte, Arbeitnehmer die Fixkosten für ihr Auto ohnehin tragen müssten und mit den 36 Cent die zusätzlichen Kosten, die bei Dienstfahrten entstehen, mehr als abgegolten seien. In Deutschland sei das Kilometergeld, so Grasser, weitaus niedriger.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) hielt dazu fest, viele Arbeitnehmer wären nicht auf ein Auto angewiesen, wenn sie es nicht am Arbeitsplatz brauchen würden.

GRUNDABTRETUNGEN: SPÖ WILL KOSTEN- UND VERWALTUNGSAUFWAND SENKEN

Mit der Begründung, das Thema werde ohnehin bei den Finanzausgleichsverhandlungen zur Sprache kommen, wurde ein Entschließungsantrag der SPÖ (378/A[E] ) zum Grunderwerbssteuergesetz vertagt. Der SPÖ geht es darum, den Verwaltungs- und Kostenaufwand im Zusammenhang mit Grundbucheintragungen von Straßengrundeinlösungen und Straßengrundabtretungen für den Bau, die Verbreiterung und die Übernahme von Straßen zu reduzieren. Sie fordert die Wiedereinführung der Befreiungsbestimmungen im Grunderwerbssteuergesetz bei Grundabtretungen für öffentliche Zwecke (z.B. Straßenerrichtung, Straßenverbreiterung) und einen Entfall der Wertgrenzen in den Paragraphen 17 und 18 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, wenn die Grundeigentümer ausdrücklich der Grundabgabe zustimmen.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) meinte, gerade weil die Finanzausgleichsverhandlungen derzeit stattfänden, wäre es wichtig, über das Thema zu reden. Die von der ÖVP gestellten Bürgermeister teilten das Anliegen des Antrags, zeigte er sich überzeugt.

Abgeordneter Reinhold Mitterlehner (V) gab zu bedenken, dass ein neuer Ausnahmetatbestand das Steuervolumen senken würde.

SPÖ VERLANGT BERICHT ÜBER PRODUKTPIRATERIE

Vertagt wurde auch der Entschließungsantrag 395/A(E), in dem die SPÖ die Vorlage eines jährlichen ausführlichen Berichtes über die Anwendung des Produktpirateriegesetzes an den Nationalrat fordert. Abgeordneter Johann Maier (S) machte in der Debatte geltend, dass der Finanzminister ohnehin der EU einen Bericht vorlegen müsse, es sei aber nicht vorgesehen, diesen Bericht dem Nationalrat zur Verfügung zu stellen.

SPÖ WILL MEHR GELD FÜR GEMEINDEN

Eine umfassende Diskussion führten die Abgeordneten über einen Entschließungsantrag der SPÖ (396/A[E]), in dem Abgeordneter Kurt Gaßner und seine FraktionskollegInnen fordern, bei den Finanzausgleichsverhandlungen auf die angespannte finanzielle Situation der Gemeinden Rücksicht zu nehmen. In der Begründung machen die Antragsteller darauf aufmerksam, dass die Gemeinden die größten öffentlichen Investoren seien, die viele Arbeitsplätze erhalten. Den Bürgern sei es nicht zuzumuten, auf Kindergärten, Schulen, Straßen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Wasserverbauungen, Krankenhäuser und Pflegeheime zu verzichten, heißt es im Antrag.

Abgeordneter Jakob Auer (V) wertete die Besorgnis der SPÖ über die finanzielle Situation der Gemeinden als unglaubwürdig und erinnerte in diesem Zusammenhang an die Finanzausgleichsverhandlungen 2000. Den Hinweis auf die angespannte finanzielle Lage der Gemeinden halte er aber für gerechtfertigt, sagte er. Auer verwies darauf, dass Gemeinden mit immer neuen Aufgaben und Rahmenbedingungen konfrontiert seien, ohne dafür eine Abgeltung zu erhalten. Als ein Beispiel aus seiner Gemeinde führte er an, dass 40 % des Gemeindegebiets als Vogelschutzgebiet deklariert worden sei und nun beispielsweise nicht einmal die Errichtung eines Golfplatzes möglich wäre.

Auer plädierte dennoch für eine Vertagung des SPÖ-Antrags und begründete dies damit, dass die Finanzausgleichsverhandlungen gerade erst begonnen hätten. Es gebe von allen Seiten Zurufe, skizzierte er, zudem müssten sich Gemeinde- und Städtebund erst auf eine gemeinsame Vorgangsweise einigen. Kein Verständnis zeigte der Abgeordnete dafür, dass Gemeindebürger in städtischen Ballungsgebieten bis zu doppelt so viel wert seien wie in kleinen Gemeinden.

Abgeordneter Werner Kogler (G) wandte sich dagegen, kleine Gemeinden automatisch mit dem Terminus finanzschwache Gemeinden gleichzusetzen. Ob eine Gemeinde finanzschwach sei, hänge von ihren Aufgaben ab, betonte er. Kogler hält eine gerechte Mittelzuteilung an die Gemeinden für schwierig, über den Bevölkerungsschlüssel alleine ist das seiner Auffassung nach jedenfalls nicht zu machen. Vielmehr sprach er sich für aufgabenorientierte Zahlungen aus. Generell  äußerte Kogler den Wunsch, die Finanzausgleichsverhandlungen, für ihn "ein sehr stark ÖVP-dominiertes Match", transparenter zu machen.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) erinnerte an die Aussage von Finanzminister Grasser, wonach die Gemeinden keine zusätzlichen Mittel erhalten würden und ihren Beitrag dazu leisten müssten, dass wieder eine Null vor dem Komma beim Budgetdefizit stehe.

Abgeordneter Hans Langreiter (V) bezeichnete die Finanzsituation der Gemeinden als "dramatisch". Für ihn ist es legitim, dass alle Gebietskörperschaften um mehr Geld kämpfen, es gebe aber, so Langreiter, nicht nur ein "Wechselbad" Bund-Länder, sondern auch ein "Wechselbad" Gemeindebund-Städtebund.

Abgeordnete Heidrun Walther (S) unterstrich, dass nicht nur Kleinstgemeinden finanzschwache Gemeinden seien, sondern insbesondere jene, die wenig Betriebe auf ihrem Gebiet hätten, aber beispielsweise große Straßennetze verwalten müssten. Als Provokation wertete sie Zeitungsberichte, wonach die Gemeinden in den letzten Jahren zusätzliches Personal eingestellt haben, während der Bund und die Länder Personaleinsparungen vorgenommen hätten. Walther verwies in diesem Zusammenhang auf zusätzliche Aufgaben der Gemeinden.

Abgeordneter Kurt Gartlehner (S) hielt fest, so lange zwischen dem Gemeinde- und dem Städtebund eine Diskussion laufe und diese nicht die Kraft aufbrächten, gemeinsam ein neues Modell für den Verteilungsschlüssel zu entwickeln und gegenüber den anderen Finanzausgleichspartnern zu vertreten, werde es zu keinen Änderungen kommen. Gartlehner hält es für notwendig, ein Finanzierungsmodell aufzustellen, das nicht auf die Einwohnerzahl, sondern auf die Aufgabenbereiche abstelle.

Auch der vorliegende Entschließungsantrag der SPÖ wurde vertagt.

FINANZAUSSCHUSS STELLT MASSNAHMENPAKET GEGEN "ALKOPOPS" IN AUSSICHT

Einig waren sich die Mitglieder des Finanzausschusses darin, dass es notwendig ist, ein Maßnahmenpaket gegen den zunehmenden Konsum so genannter "Alkopops" durch Minderjährige zu schnüren. Ausschussvorsitzender Günter Stummvoll will in dieser Frage mit Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat Kontakt aufnehmen und stellte gemeinsame Beratungen der Mitglieder des Finanzausschusses und des Gesundheitsausschusses über mögliche Gegenmaßnahmen in Aussicht. Gleichzeitig sagte Finanzminister Karl-Heinz Grasser zu, Informationen über die Wirksamkeit von Sondersteuern auf Alkopops im Ausland einzuholen.

Auslöser für die Diskussion war ein Entschließungsantrag der SPÖ (409/A(E) ), in dem Abgeordneter Johann Maier und seine FraktionskollegInnen eine steuerliche Sonderabgabe für "Alkopops" (Mixgetränke aus Limonade, Spirituosen und Chemie) und ähnliche Mixgetränke fordern. Die süßen Drinks würden gerade junge Menschen zum Alkoholmissbrauch hinführen und seien zunehmend die Einstiegsdroge für Jugendliche, warnen sie. Neben der Sonderabgabe urgiert die SPÖ eine Vereinheitlichung der Jugendschutzbestimmungen der Länder sowie Änderungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung und der Gewerbeordnung. Der Antrag wurde vertagt.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (V) wies in der Debatte auf die Gefahren für Jugendliche durch Alkopops hin. Maßnahmen seien notwendig, sagte sie, sie glaube aber nicht, dass eine Sonderabgabe die richtige Lösung sei.

Abgeordneter Johann Maier (S) verwies darauf, dass Alkopops bereits an Zwölf- und Dreizehnjährige ausgeschenkt würden. Dabei entspreche der Alkoholgehalt derartiger Mixgetränke zwei Schnäpsen, warnte er. Überdies seien in diesen Getränken Stoffe enthalten, die nicht gekennzeichnet seien und teilweise für Allergien verantwortlich gemacht würden.

Von einer Sonderabgabe auf Alkopops erwartet sich Maier Lenkungseffekte. Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine massive Verteuerung dieser Produkte in Frankreich und der Schweiz, durch die der Markt dort eingebrochen sei. Der Abgeordnete forderte auch strengere Sanktionen für Gastwirte, die Alkohol an Minderjährige ausschenken.

Abgeordnete Astrid Stadler (V)  und ihr Fraktionskollege Hans Langreiter stimmten Abgeordnetem Maier in vielen Punkten zu. Man müsse sich mit der Verschleierung alkoholhaltiger Limonaden beschäftigen, forderte Stadler, sprach sich aber für eine eingehendere Diskussion und daher für eine Vertagung des SPÖ-Entschließungsantrages aus.

Abgeordneter Josef Bucher (F) meinte, das Problem sei generell der leichte Zugang Minderjähriger zu Alkohol. Eine Sonderabgabe für Alkopops hält er für nicht angebracht, da damit auch all jene bestraft würden, die älter als 18 Jahre seien und diese Zusatzabgabe auch zahlen müssten. Sinnvoller wäre eine umfassende Aufklärungskampagne, konstatierte Bucher.

Ausschussvorsitzender Günter Stummvoll meinte, der Finanzausschuss sei mit dem Thema überfordert, das Problem könne nicht einfach mit einer Sonderabgabe erledigt werden. Er sprach sich aber dafür aus, sich gleich zu Herbstbeginn dieses Themas gemeinsam mit den Abgeordneten des Gesundheitsausschusses anzunehmen und ein Maßnahmenpaket zu erarbeiten. (Schluss)