Parlamentskorrespondenz Nr. 442 vom 31.05.2005

HAUBNER WILL STEUERLICHE ABSETZBARKEIT VON KINDERBETREUUNGSKOSTEN

Aktuelle Aussprache im Familienausschuss des Nationalrats

Wien (PK) - Sozialministerin Ursula Haubner sprach sich in der heutigen Sitzung des Familienausschusses für eine weitere steuerliche Entlastung von Familien aus. Insbesondere geht es ihr um die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, und zwar sowohl für häusliche als auch für außerhäusliche Kinderbetreuung. Haubner erwartet sich, dass eine solcher Schritt bei der nächsten Steuerreform umgesetzt wird. Verhandlungen mit dem Finanzminister führt sie außerdem, wie sie erklärte, über eine Anhebung der Mindestpension.

Von den Abgeordneten wurde die Frage der Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten unterschiedlich beurteilt. Während ÖVP-Familiensprecherin Ridi Steibl darauf hinwies, dass dies eine langjährige Forderung ihrer Partei sei, zeigten sich SPÖ und Grüne eher skeptisch. Sie fürchten, dass dann weniger Geld für Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen würde. Wenn Geld vorhanden sei, sollte es prioritär für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen eingesetzt werden, sagte etwa SPÖ-Familiensprecherin Andrea Kuntzl.

Im Mittelpunkt der Aussprache über aktuelle Fragen aus dem Arbeitsbereich des Familienausschusses standen der kürzlich vorgelegte Zwischenbericht über die Auswirkungen und die Akzeptanz des Kinderbetreuungsgeldes sowie eine Studienreise von Sozialministerin Ursula Haubner und FamilienpolitikerInnen aller Fraktionen nach Schweden und Finnland. Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) warf der Sozialministerin vor, die Ergebnisse des Zwischenberichts zu beschönigen, und verwies auf eine Studie der Arbeiterkammer, wonach 80 % der Eltern für eine Flexibilisierung des Kinderbetreuungsgeldes seien. Für sie ist es überdies Tatsache, dass ein immer größerer Teil der Frauen nach der Karenz den Wiedereinstieg in ihren alten Beruf nicht schafft.

Kuntzl machte darüber hinaus darauf aufmerksam, dass in Wien nur 30 %, in Oberösterreich aber 70 % der Frauen mit Kindern in Teilzeitjobs arbeiten. Das könne nicht nur an der unterschiedlichen Einstellung der Frauen liegen, meinte sie. Vielmehr spielten die Rahmenbedingungen wie bedarfsgerechte Kinderbetreuungseinrichtungen eine große Rolle.

Abgeordnete Sabine Mandak (G) wies darauf hin, dass die Armutsgefährdung von Familien laut jüngstem Sozialbericht immer stärker steige. Ihrer Ansicht nach gibt es bisher nur unbefriedigende Antworten auf diese Situation.

Mandak gab zudem zu bedenken, dass die Väterkarenz in Schweden in weitaus höherem Ausmaß als in Österreich in Anspruch genommen werde. Den steigenden Prozentsatz in Österreich führt sie, wie auch ihr Fraktionskollege Karl Öllinger und SPÖ-Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek fast ausschließlich auf den vermehrten Bezug von Kinderbetreuungsgeld von Bauern und Selbständigen zurück. Diese beiden Berufsgruppen könnten ihr Einkommen so gestalten, dass sie unter der Zuverdienstgrenze zum Kinderbetreuungsgeld bleiben würden, skizzierte sie.

Als Risiko für die Familien sieht Mandak, dass sich laut Zwischenbericht zum Kinderbetreuungsgeld ein überwiegender Teil der Männer als hauptsächlicher Erhalter und Ernährer der Familie fühlt. Gerade in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und geänderter Erwerbsbiographien könne dies, so Mandak, zu Problemen führen. Hier müsse die Politik gegensteuern, forderte sie.

Abgeordnete Ridi Steibl (V) wies darauf hin, dass die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten eine langjährige Forderung ihrer Partei sei, und zeigte sich darüber erfreut, dass nunmehr Bewegung in diese Frage komme. Zur Forderung der SPÖ nach einem Bundesrahmengesetz für Kinderbetreuungseinrichtungen merkte sie an, ihrer Fraktion sei es zunächst einmal wichtig, einheitliche Ausbildungskriterien und eine einheitliche soziale Absicherung für Tagesmütter zu gewährleisten, ein Anliegen, das auch SPÖ-Abgeordnete Andrea Kuntzl unterstützte.

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F) machte geltend, dass das Grundprinzip der Wahlfreiheit Pate bei der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes gestanden sei. Ihr zufolge zeigt der jüngste Zwischenbericht zum Kinderbetreuungsgeld jedoch klar, dass Eltern die ideale Betreuung für unter Dreijährige in der Familie sehen. Als Vorurteil qualifizierte Rosenkranz das Argument, dass mit flächendeckenden Kinderbetreuungseinrichtungen für Kleinstkinder die Geburtenrate erhöht werden könnte. Wien habe schließlich eine der niedrigsten Geburtenraten Österreichs, argumentierte sie.

Abgeordnete Gabriele Binder (S) wies darauf hin, dass eine Beschäftigung und damit ein eigenes Erwerbseinkommen von Frauen eine der wichtigsten Maßnahmen gegen Familienarmut sei. In Bezug auf die in Diskussion stehende steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten gab sie zu bedenken, dass eine Reihe von Beschäftigten seit der letzten Steuerreform keine Steuern mehr zahle, vielen eine solcher Schritt also überhaupt nichts bringen würde. Ein Bundesrahmengesetz für Kinderbetreuung erachtet Binder im Hinblick auf die notwendige Qualitätssicherung von Kinderbetreuungseinrichtungen für erforderlich.

Binders Fraktionskollege Franz Riepl übte Kritik an der Österreich-Tour der Sozialministerin und orangefärbigen Inseraten ihres Ressorts.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) meinte, immer mehr Frauen hätten, auch am Land, ein Bedürfnis, einen eigenständigen Weg zu gehen und - unabhängig von der Frage des notwendigen Familieneinkommens - eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Diese Tendenz könne nicht aufgehalten werden. Ihm zufolge ist es daher - analog zu Schweden - erforderlich, die Kinderbetreuungseinrichtungen quantitativ und qualitativ auszubauen. In Schweden sei man darüber hinaus schon seit Jahren bestrebt, dass Frauen "nicht nur irgendwas in irgendwelchen Berufen" arbeiten, sondern hoch qualifizierte Berufe ausübten, sagte er. Dem gegenüber sei Teilzeit in Österreich oft mit schlechtem Einkommen und beruflicher Abwertung verbunden.

Abgeordnete Barbara Riener (V) relativierte die positive Darstellung Schwedens und Finnlands in Sachen Kinderbetreuung und meinte, bei der ganzen Studienreise sei es nie Thema gewesen, wie gehe es dem Kind, es sei immer nur darum gegangen, wie gehe es den Eltern.

Sozialministerin Ursula Haubner skizzierte, das Sozialministerium habe das Österreichische Institut für Familienforschung damit beauftragt, das neu eingeführte Kinderbetreuungsgeld über drei Jahre hinweg zu begleiten und zu evaluieren. Momentan sei man in der dritten Phase der Evaluierung, wobei die Schwerpunkte des Zwischenberichts Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuung und Väterbeteiligung gewesen seien. Um die Frage der Zuverdienstgrenze sei es noch nicht gegangen, diesem Thema werde sich das ÖIF in einer eigenen Befragung widmen.

Die Ergebnisse des Zwischenberichts sind für Haubner, wie sie sagte, erfreulich. Das Kinderbetreuungsgeld sei aus Sicht der betroffenen Eltern eine positive Einrichtung, von der Mütter, Väter und Kinder profitierten. "Das wird man nicht wegdiskutieren können." Haubner zufolge hätte ein Viertel der nunmehrigen Bezieher von Kinderbetreuungsgeld - in erster Linie Hausfrauen, Studierende, Bäuerinnen und Selbständige - früher kein Karenzgeld bekommen.

Haubner sieht das Kinderbetreuungsgeld als finanzielle Unterstützung in der Kleinkind-Phase, wobei ihr, wie sie meinte, der Aspekt wichtig sei, dass Eltern selbst entscheiden könnten, ob sie sich einige Zeit ausschließlich der Kinderbetreuung widmen oder ob sie nebenher auch berufstätig sind. An diesen Eckpfeilern werde, so die Ministerin, sicher nicht gerüttelt. Dass die Wahlfreiheit greife, zeigt ihr zufolge die Tatsache, dass heute wesentlich mehr Frauen neben der Kinderbetreuung erwerbstätig sind als beim alten Karenzgeld. Ein Viertel der Frauen habe parallel zum Kindergeldbezug ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze.

Ein zentrales Ergebnis des Zwischenberichts ist für Haubner aber auch, dass die meisten Eltern das Kind in den ersten Lebensjahren selbst betreuen wollten und sich eine außerhäusliche Kinderbetreuung vor dem dritten Lebensjahr des Kindes nur schwer vorstellen könnten. Sie nützten lieber familiäre Netzwerke. Haubner hält daher flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen für unter Dreijährige für nicht erforderlich, für berufstätige Eltern müsse es aber ein entsprechendes Angebot geben.

Die im Anstieg begriffenen Geburtenzahlen führt Haubner nicht zuletzt auf die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes zurück.

Von 1,6 % auf 3,2 % verdoppelt hat sich laut Haubner der Väteranteil beim Bezug von Kinderbetreuungsgeld. Es gebe aber, wie der Zwischenbericht zeige, nach wie vor zahlreiche Barrieren für Väterkarenz, etwa die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen und das oft geringe Verständnis des Arbeitgebers. Auch Frauen müssten nach der Karenz häufig einen neuen Arbeitsplatz suchen, der besser als die alte Beschäftigung mit Kinderbetreuung vereinbar sei. Haubner zieht daraus den Schluss, dass verstärkt Anreize für die Wirtschaft im Hinblick auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesetzt werden müssten.

Die hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen in Schweden hat Haubner zufolge ihre Ursache darin, dass Schweden bereits in den siebziger Jahren versucht habe, Frauen verstärkt ins Arbeitsleben einzubinden. Österreich liege mit 62 % Frauenerwerbstätigkeit jedoch "auch nicht so schlecht", meinte sie. Zudem gingen in Österreich 78 % der Mütter mit einem Kind und 66 % der Mütter mit zwei Kindern einer Beschäftigung nach, in Deutschland lägen die entsprechenden Vergleichszahlen bei 66 % bzw. bei 55 %. Jedes Land gehe in Fragen der Kinderbetreuung einen eigenen Weg, sagte Haubner, Österreich habe den Weg des Kinderbetreuungsgeldes gewählt. 

In Bezug auf ein Bundesrahmengesetz für Kinderbetreuung sollte der Bund nach Meinung Haubners "grundsätzlich Vorsicht walten lassen", schließlich seien die Länder für Kinderbetreuung zuständig. Einheitliche Qualitätskriterien für Tagesmütter kann sie sich aber, wie sie erklärte, nicht vorstellen.

Als "entbehrlich" wertete Haubner Vorwürfe, wonach die Regierung bestrebt sei, Frauen in ihre traditionelle Rolle zurückzudrängen. Der Staat habe Rahmenbedingungen zu schaffen, um Eltern Entscheidungsfreiheit zu ermöglichen, bekräftigte sie, er habe aber nicht vorzugeben, welche Rolle eine Mutter oder ein Vater zu spielen habe. SPÖ-Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek hatte zuvor gemeint, seit die nunmehrige Regierung im Amt sei, gehe die Tendenz wieder dahin, Frauen als Zuverdienerinnen zu sehen und alte Rollenbilder zu verstärken.

Zum Thema Jugendschutz merkte Haubner an, eine Vereinheitlichung der Jugendschutzbestimmungen werde Thema der nächsten Landesjugendreferenten-Konferenz sein. Ihre Tour durch Österreich und die orangefarbenen Inserate wurden von ihr verteidigt. (Fortsetzung Familienausschuss)