Parlamentskorrespondenz Nr. 26 vom 20.01.2006

Platter: Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist Integrationsmotor

Verteidigungsausschuss: Weitere Gespräche über Militärbefugnisgesetz

Wien (PK) - Detaillierte Auskünfte über die Umsetzung der Bundesheerreform und über aktuellen Themen der Europäischen Sicherheitspolitik erteilte Verteidigungsminister Günter Platter den Mitgliedern des Landesverteidigungsaussschusses heute im Rahmen einer Aussprache. Die Heeresreform werde planmäßig umgesetzt, sagte der Ressortleiter und kündigte angesichts der veränderten sicherheitspolitischen Situation eine Reduktion der Panzer des Bundesheeres um 600 bis 800 bis 2010 an. Zugleich werden neue LKW zulaufen und die persönliche Sicherheit der Soldaten - Stichwort Minenschutz und neue Kampfausrüstung - ganz im Mittelpunkt der  Heeresrüstung liegen.

Unter dem Titel "Headline-Goals" erläuterte der Minister die sicherheits- und verteidigungspolitischen Schwerpunkte der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, wobei er sich davon überzeugt zeigte, dass diese Politik, die von 80 % der EU-Bürger befürwortet werde, zu einem Motor der Integrationspolitik geworden sei. Angesichts der spannenden Entwicklungen in Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo und in Montenegro sollte die EU und auch Österreich mehr Verantwortung auf dem Westbalkan übernehmen, sagte Minister Platter.   

Aus Anlass des Absturzes einer slowakischen Militärmaschine in Ungarn, bei dem möglicherweise bis zu 48 slowakische Soldaten ums Leben gekommen waren, die sich auf der Heimkehr von ihrem Friedenseinsatz im Kosovo befanden, hielten die Ausschussmitglieder vor Eingang in die Tagesordnung eine Gedenkminute ab und brachten ihre Anteilnahme für die Hinterbliebenen zum Ausdruck.

Aktuelle Themen: Heeresreform und Europäische Sicherheitspolitik

Abgeordneter Walter Murauer (V) leitete die aktuelle Aussprache ein, indem er das Ziel der Europäischen Union ansprach, eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik aufzubauen. Seine Detailfragen an den Verteidigungsminister richteten sich insbesondere auf die österreichischen Vorbereitungen für die Aufstellung rasch reaktionsfähiger Truppen. "Wie weit sind die Battlegroups gediehen?", fragte Murauer gezielt.

Abgeordneter Anton Gaal (S) unterstrich die Überzeugung seiner Fraktion, dass der Kampf gegen den Terrorismus in der Verantwortung der Innenminister bleiben soll.

Abgeordneter Markus Fauland (F) würdigte die schwierige Aufgabe, die die "Arbeitsgruppe 2010" bei der Umsetzung der Heeresreform leiste und drängte in diesem Zusammenhang darauf, bei der Teilung des Kommandos in Salzburg und Graz auf Ausgewogenheit zu achten. Auskunft erbat Fauland über den Stand der Dinge bei der Umsetzung des Sozialpakets, der Liegenschaftsverkäufe und beim Heeresgeschichtlichen Museum. Interessiert zeigte sich Fauland auch an der künftigen Entwicklung des Ministeriums.

Abgeordneter Peter Pilz (G) wollte wissen, welche Rüstungsgüter im Rahmen der Heeresreform ausgeschieden werden sollen. Außerdem sprach Pilz Medienberichte über Sicherheitsmaßnahmen des Heeres im Zusammenhang mit der EU-Ratspräsidentschaft in Wien an.

Abgeordneter Walter Tancits (V) erinnerte an 1998 und die Impulse der damaligen österreichischen Ratspräsidentschaft für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Aktuell interessierte sich Tancits für die Einrichtung einer gemeinsamen EU-Sicherheits- und Verteidigungsagentur, zumal er sich davon wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Effekte erwartete. Das Heeresgeschichtliche Museum will Tancsits zu einem mitteleuropäischen Militärmuseum entwickeln, in dem viele EU-Partner Österreichs ihre Geschichte vor 1918 wieder erkennen können.

Detailfragen der Abgeordneten Manfred Lackner, Werner Kummerer, Katherina Pfeffer und Christine Lapp (S) sowie Alfred Schöls (V) richteten sich auf Entwicklungen, EU-Vorhaben und geplante Truppenreduktionen auf dem Balkan sowie auf die projektierte "Zentrale für militärische und zivile Operationen".

Verteidigungsminister Günter Platter sah die Aufgabe der österreichischen EU-Präsidentschaft in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik darin, Interessen zu bündeln und Konsens zu erzielen. Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die auf ein Verteidigungsministertreffen in Wien des Jahres 1998 zurückgeht, habe sich mittlerweile als ein Motor der Europäischen Integration erwiesen, zeigte sich Minister Platter überzeugt und untermauerte diese Ansicht mit dem Hinweis darauf, dass sich 80 % der Europäer für die Weiterentwicklung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der EU aussprechen.

Die Probleme mit der EU-Verfassung hinderten die Union nicht daran, die als "Headline goals" formulierten Ziele umzusetzen und die geplanten Battlegroups einzurichten. Die Operationen der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik werden planmäßig fortgesetzt, führte Platter aus und teilte mit, das neue notwendig werden könnten, wobei er auf die Bitte des UN-Generalsekretärs um EU-Unterstützung der Parlamentswahlen im Kongo hinwies.

Im Mittelpunkt der "Headline goals 2010", eine Frage des Abgeordneten Walter Tancits (V), stehe die größere Reaktionsfähigkeit der EU bei internationalen Operationen. Daher müssen Lücken im Battlegroup-Konzept geschlossen werden. Österreich werde sich wie geplant bis 2011 gemeinsam mit Deutschland und Tschechien an der Umsetzung dieses Konzepts beteiligen. Platter will in Österreich 1500 Soldaten für ständige internationale Einsätze zur Verfügung haben, ohne Aufgaben im Inland zu vernachlässigen. Mittelfristig gehe es darum, eine Brigade aufzustellen, die man für ein Jahr in das Ausland entsenden könne.

Die geplante europäische Verteidigungsagentur werde Thema beim informellen Verteidigungsministertreffen am 6./7. März in Innsbruck unter dem Vorsitz von Javier Solana sein. Die Aufgaben dieser Agentur liegen in der stärkeren Positionierung Europas in der militärischen Forschung und Entwicklung.

Die EU setzt sich intensiv mit dem Thema Terrorismusbekämpfung auseinander, erfuhren die Abgeordneten. Der Minister betonte aber, dass nicht an eine Ausweitung militärischer Befugnisse gedacht sei, Zuständigkeit und Verantwortung bleiben beim Innenressort. Das Bundesheer müsse aber auf Assistenzleistungen, etwa beim Objektschutz, vorbereitet sein. Im Falle eines Terroranschlags sei ein Mix militärischer und ziviler Einsätze geplant, wobei von militärischer Seite lediglich Assistenzeinsätze geleistet werden, unterstrich Platter.

Bei internationalen Einsätzen, sei es zur Friedenssicherung, sei es bei Naturkatastrophen, ist eine bessere Koordination zwischen zivilen und militärischen Kräften notwendig. Der Einsatz in Bosnien-Herzegowina etwa sei kein rein militärischer, er diene auch der Unterstützung ziviler Projekte. Bei Naturkatastrophen sei die Koordination der Hilfseinsätze auf EU-Ebene zu verbessern. Dem diene die Einrichtung einer zivil-militärischen Zelle, die im Falle einer Naturkatastrophe innerhalb von 24 Stunden Experten ins Einsatzgebiet entsenden, Informationsarbeit leisten und in der EU Einsätze organisieren könne. Denn es gelte rasch zu helfen.

Auf dem Westbalkan stehen wichtige Entscheidungen bevor, teilte der Verteidigungsminister mit und erinnerte an die Statusverhandlungen über den Kosovo, das Referendum über die Unabhängigkeit Montenegros im April und die Wahlen in Bosnien-Herzegowina im Herbst 2006. Vor diesem Hintergrund wäre es falsch, jetzt Truppen auf dem Westbalkan zu reduzieren. Die mittelfristig beabsichtigte Reduktion der Truppenstärken hänge von der Evaluierung der Situation nach diesen Entscheidungen ab. Denn die EU werde daran gemessen werden, wie sie die Probleme auf dem Westbalkan löse. Es gelte, den vielen jungen Menschen dort Zukunftsperspektiven zu geben und Auswanderungen zu verhindern.

Die EU sollte den Einsatz im Kosovo gänzlich übernehmen, sagte Platter, der es für möglich hielt, dass Österreich im Falle einer mittelfristigen Truppenreduktion im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina mehr Verantwortung übernehme. In Syrien bleibe das österreichische Kontingent hinsichtlich Aufgaben, Stärke und Einsatzgebiet gleich aufgestellt wie bisher, erfuhr Abgeordneter Werner Kummerer (S).

Die Umsetzung der Heeresreform gehe exakt nach Zeitplan vor sich, teilte der Minister mit. Das Streitkräftekommando werde seine Struktur bis Mitte 2006 einnehmen; der Masterplan sei fertig. Die notwendige Teilung des Kommandos Salzburg/Graz soll ausgewogen und mit jeweils ungefähr gleichem Personalstand umgesetzt werden. "Salzburg wird nicht untergeordnet", bekräftigte der Minister.

Das Sozialpaket im Zusammenhang mit der Heeresreform werde derzeit mit dem Bundeskanzler verhandelt, wobei es darum gehe, die dreijährige Behaltefrist zu verbessern.

Liegenschaftsverkäufe werden von der dafür eingerichteten Gesellschaft sehr selbständig durchgeführt. Ihm gehe es um einen finanziellen Mehrwert für das Ressort und zugleich um die Liegenschaftsentwicklung im Interesse der Region.

Dem Thema "Heeresgeschichtliches Museum" müsse man sich angesichts der stark rückläufigen Besucherzahlen stellen, sagte der Minister und sah die aktuelle Diskussion als Chance, zusätzliche Angebote im Bereich der Zeitgeschichte ins Auge zu fassen. Diebezügliche Gespräche mit Experten werden bis Mitte des Jahres beendet und dann eine Entscheidung über die Entwicklung des Museums getroffen.

Im Zusammenhang mit der Heeresreform sei es ein wichtiges Signal an die Truppe, auch in der Zentralstelle die Verwaltung zu reduzieren. Seine Vorgabe dafür bezifferte der Verteidigungsminister mit einem Abbau um 20 %.

Weiters informierte der Minister über die geplante Reduktion des Bestandes an Panzern um 600 bis 800 bis 2010. Diese Absicht begründet der Minister mit der veränderten sicherheitspolitischen Situation. Andererseits werden bis 2009 576 neue Lkw mit Wechselaufbauten angeschafft. Im Vordergrund der Heeresbeschaffungen stehe die Sicherheit der Soldaten, führte Platter aus und wies auf minensichere Truppentransporter und die neuen Kampfanzüge hin.

Medienberichte über die Aufstellung von Fliegerabwehrraketen im Wiener Stadtgebiet im Zusammenhang mit der EU-Ratspräsidentschaft wies der Verteidigungsminister als "völlig absurd" zurück. Das Bundesheer stehe - wie bei Großveranstaltung üblich - für Assistenzleistungen bereit, sagte der Minister.

Was die Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheers betrifft, präzisierte Platter Abgeordnetem Karl Freund (V) gegenüber, es werde auf dem Balkan nur schrittweise zu Truppenreduktionen kommen, ein genauer Zeitpunkt für das Ende der österreichischen Truppenpräsenz in dieser Region könne heute noch nicht genannt werden. Zu Afghanistan bemerkte der Minister, die österreichische Beteiligung am internationalen Kontingent sei äußerst erfolgreich gewesen, an eine weitere Truppenentsendung sei aber nicht gedacht. Auslandseinsätze des Bundesheers können nur im Konsens mit den Parteien und auf Basis eines UN-Mandates durchgeführt werden, versicherte Platter Abgeordnetem Karl Dobnigg (S).

Auf Fragen des Abgeordneten Rudolf Parnigoni (S) nach einer möglichen neuen Organisationsstruktur des Heeresabwehramtes und des Heeresnachrichtendienstes betonte der Minister mit Nachdruck, eine Zusammenlegung der beiden Dienste zu einem Geheimdienst stehe nicht zur Diskussion.

Militärbefugnisgesetz: Weitere Parteiengespräche über Rechtsschutzbeauftragen

Einstimmig vertagt wurden schließlich die Beratungen über einen Antrag der Regierungsparteien auf Änderung des Militärbefugnisgesetzes (760/A), der auf die verfassungsrechtliche Absicherung des Rechtsschutzbeauftragen abzielt. Wie Abgeordneter Walter Murauer (V) mitteilte, sollen nun noch weitere Parteiengespräche geführt werden, um einen möglichst weit reichenden Konsens zu erzielen. (Schluss)