Parlamentskorrespondenz Nr. 551 vom 04.07.2007

Nationalrat: Pflege-Amnestie verlängert

Kritik an der Vermögensgrenze - BM Buchinger kündigt Überdenken an

Wien (PK) – Vor Eingang in die Tagesordnung wurde bei der 27. Sitzung des Nationalrats eine Einwendungsdebatte durchgeführt: Die Fraktion der Freiheitlichen hatte die Absetzung der Tageordnungspunkte 6 (Änderung des Bundesvergabegesetzes), 7 (Handy-TV) und 8 (Dienstrechts-Novelle) verlangt. F-Klubobmann STRACHE verlangte, dass die betreffenden Punkte – wie in der Präsidiale vereinbart – in der Plenarsitzung am Freitag debattiert werden sollten. Massiv sprach er sich gegen die Beendigung der Tätigkeit des Banken-Untersuchungsausschusses aus, weil dieser seinen Prüfauftrag noch nicht erfüllt habe. Die Koalition wolle hier "drüber fahren", die darin zum Ausdruck kommende "Kontrollfeindlichkeit" sei der Demokratie abträglich.

Abgeordneter Dr. EINEM (S) sprach sich für die Beibehaltung der Tagesordnung aus, zumal es sich bei den drei Punkten um wichtige Materien handle. – In ähnlichem Sinn äußerte sich Klubobmann Dr. SCHÜSSEL (V), der außerdem mit einer Entlastung der Tagesordnung für Freitag argumentierte.

Die Tagesordnung sei in Ordnung, befand auch G-Klubobmann Dr. VAN DER BELLEN, der geplante Fristsetzungsantrag der Koalition hingegen ein "Skandal". Die Arbeit des Banken-Untersuchungsausschusses würde auf diesem Weg "abgewürgt". Wichtige Zeugen seien eingeladen und nicht erschienen, wichtige Akten angefordert und nicht geliefert worden. Bevor dies erzwungen werden könne, werde der Ausschuss abgewürgt – und vielleicht sogar deswegen, meinte der Klubobmann der Grünen. Die Regierungsparteien würden damit die Kontrollrechte des Parlaments "unterlaufen und untergraben", kritisierte Van der Bellen.

Aus parlamentarischer Sicht sei diese Vorgangsweise eine "Farce", stellte Klubobmann WESTENTHALER (B) fest. Sein Fazit: Die FPÖ sei jetzt böse auf die SPÖ, weil diese wieder "umgefallen" sei.

"Wir sind nicht fertig", resümierte der Obmann des Banken-Untersuchungsausschusses, F-Abgeordneter Dr. GRAF. Als Hintergrund sah er "miesesten Postenschacher" der Koalitionsparteien im Blick auf den Posten des Nationalbankpräsidenten und im Vorstand der Finanzmarktaufsicht. Er präsentierte dem Plenum Akten, die erst heute eingelangt seien, die aber jetzt nicht mehr vom Ausschuss behandelt werden könnten.

Bei der Abstimmung blieben die Freiheitlichen in der Minderheit. Sie allein stimmten dann gegen das Absehen von der 24-Stunden-Auflagefrist bei den drei genannten Vorlagen aus dem Verfassungsausschuss.

Vor Eingang in die Tagesordnung teilte die Vorsitz führende Präsidentin Mag. PRAMMER mit, dass von den Grünen ein Dringlicher Antrag eingebracht wurde, und zwar betreffend  ausständige Aktenübermittlung an den Banken-Untersuchungsausschuss. Der Antrag wird ab 15 Uhr diskutiert. Im Anschluss daran findet eine Kurzdebatte über einen Antrag der Freiheitlichen statt, dem Banken-Untersuchungsausschuss eine Frist bis 30. November 2007 zu setzen. Am Ende dieser Kurzdebatte wird über den Antrag abgestimmt. Ein von den Koalitionsfraktionen eingebrachter Fristsetzungsantrag für den Banken-Untersuchungsausschuss, bis 5. Juli einen Bericht vorzulegen, wird – ohne Debatte – am Schluss der Plenarsitzung abgestimmt.

Die ersten vier Tagesordnungspunkte betrafen Vorlagen aus dem Sozialausschuss: V-Antrag 228/A betreffend Änderung des Pflege-Übergangsgesetzes, S-Antrag 253/A auf Änderung der Bundesfinanzgesetze 2007 und 2008 und G-Antrag 246/A hinsichtlich Änderung des Bundespflegegeldgesetzes, F-Antrag 136/A(E) betreffend finanzielle und verfassungsrechtliche Absicherung des Pflegeanspruchs und G-Antrag 112/A(E) betreffend jährlicher Bericht über die Tätigkeit der Behindertenanwaltschaft an den Nationalrat und Bundesrat.

Abgeordnetem ÖLLINGER (G) blieb, wie er sagte, angesichts der Tatsache "die Luft weg", dass ein Gesetz novellierte würde, das erst vor wenigen Tagen in Kraft getreten sei und dies rückwirkend. Bis jetzt wüssten die Menschen nicht, was sie im Bereich der Pflege erwarte, kritisierte Öllinger und griff dann aktuelle Inserate des Sozialministers auf. "Es stimmt die Richtung", werde darin behauptet, aber welche Richtung, fragte Öllinger. Es sei ein Glück, dass sich Menschen fänden, unter den gegebenen Bedingungen Pflegeleistungen zu erbringen und 24 Stunden pro Tag, 14 Tage hindurch schwerkranke Menschen zu umsorgen. Eine Lösung des Problems sei dies mit Sicherheit nicht. "Es stimmt der Weg" ließ Öllinger auch nicht gelten, zumal es keinen Rechtsanspruch auf Unterstützung gebe und diese Unterstützung von Einkommen und allfälligem Vermögen abhänge. Scharf wandte sich der G-Mandatar gegen eine F-B-Sozialpolitik nach dem "Gewährungsprinzip". Zweifel äußerte Öllinger auch bezüglich der dritten Aussage der Buchinger-Inserate, "es stimmt der erste Schritt", weil nicht einmal gesagt werden könne, was dieser "erste Schritt" sei. In Anbetracht der Tatsache, dass billige Pflegehilfen vielleicht nur noch ein oder zwei Jahre zur Verfügung stünden, seien die derzeitigen Strukturen in der Pflege "nicht zukunftsfähig".

Die Pflege sei ein Thema, das die Politik weiter beschäftigen werde, räumte Abgeordnete Mag. LAPP (S) ein. Ihre Fraktion trete für gesetzliche Regelungen ein, betonte sie, und skizzierte den zahlenmäßigen Hintergrund des Pflegethemas: 80 % der Pflegebedürftigen würden zu Hause betreut, 55 % allein von Angehörigen, und 25 Prozent von Angehörigen und mobilen Diensten. 15 % befänden sich in stationärer Pflege. Für die restlichen 5 % erfolge jetzt der "Lückenschluss". Ausdrücklich begrüßte Lapp, dass Unterstützung jetzt auch für die Pflegestufen 3 und 4 möglich werde. 1,3 % des BIP würden für Pflege aufgewendet, 2 Mrd. € vom Bund und 1 Mrd. € von den Ländern. Lapp brachte einen Abänderungsantrag ein, mit dem Unterstützung ab Pflegestufe 3 und das Inkrafttreten der Novelle per 1. Juli 2007 sichergestellt wird.

Er hätte von der Großen Koalition erwartet, dass sie mit ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit große Probleme anpacke, meinte Abgeordneter HOFER (F), doch habe man den Eindruck, dass ein Partner auf der Bremse, der andere auf dem Gaspedal stehe. Nach wie vor offen seien die Organisation der Tagesbetreuung, die Kurzzeitpflege und die Finanzierung, kritisierte er. Gusenbauer hätte beim Pflegegeld eine Inflationsanpassung versprochen, das Pflegegeld habe hingegen real an Wert 18 % verloren. Hofer forderte eine Ausbildungsoffensive im Pflegebereich, zumal die Arbeitskräfte aus den östlichen Nachbarländern in absehbarer Zeit ausbleiben würden. Pflege sei eine Aufgabe des Staates, daher müsse dieser eine entsprechende Infrastruktur und finanzielle Mittel dafür bereitstellen. Scharf sprach sich der Abgeordnete in diesem Zusammenhang dagegen aus, dass Kinder für die Pflege ihrer Eltern aufkommen müssten. Den Hinweis eines Zwischenrufs, dies sei im ABGB so vorgesehen, parierte Hofer mit der Gesetzgebungskompetenz des Parlaments. Hofer brachte zwei Entschließungsanträge ein; in einem geht es um unzureichende soziale und rechtliche Absicherung der pflegenden Angehörigen, im zweiten um Maßnahmen zur Sicherung der Pflege.

Beim Thema Pflege sei in der Bevölkerung Verunsicherung entstanden, die neuen Regelungen seien jetzt ein weiterer Schritt. V-Abgeordneter AMON, für den mit der Vorlage das "Molterer-Modell" umgesetzt werde, begrüßte die Gleichbehandlung von selbständigen und unselbständigen Pflegekräften und sah noch einen letzten offenen Punkt, nämlich die Einbindung der Bundesländer in die Finanzierung der Pflege.

Wie Abgeordneter Hofer vor ihr, sah auch Abgeordnete HAUBNER (B) das Valorisierungsversprechen gebrochen. Die 24-Stunden-Pflege bei gleichzeitiger Verlängerung der Amnestie sei nur ein "Hinausschieben des Problems" um ein halbes Jahr. Die Novellierung zeige einmal mehr, dass in der Koalition keiner mit dem anderen könne und keiner dem anderen traue. Im Zuschuss ab Stufe 3 sah Haubner eine BZÖ-Forderung erfüllt. Einschränkungen und die Vermögensobergrenze von 5.000 € wertete sie hingegen als "Wermutstropfen". Sie appellierte an ihren Nachfolger als Sozialminister, auf die Vermögensobergrenze zu verzichten, zumal es daran Kritik aus allen Parteien und Organisationen gebe. Haubner brachte einen Entschließungsantrag ein, in dem die Regierung ersucht wird, Maßnahmen zur Sicherstellung von Betreuung und Pflege zu setzen, etwa durch eine zehnprozentige Erhöhung des Pflegegelds und eine dauerhafte Valorisierung sowie durch Einführung eines zweckgebundenen Pflegeschecks zusätzlich zum Pflegegeld.

Bewegung nach sieben Jahren Stillstand ortete S-Abgeordneter SPINDELBERGER, der besonders die Ausweitung der Förderung auf die Stufen 3 und 4 hervorhob. "Keine Freude" habe er hingegen mit der Verlängerung der Amnestieregelung, die wegen der sonst gegebenen Unsicherheit nötig sei. Endlich werde die Betreuung leistbar, meinte der Abgeordnete und wertete den Entwurf demgemäß als "sozialpolitischen Meilenstein".

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) sprach sich vehement gegen den von Abgeordneter Haubner in die Debatte gebrachten Pflegescheck aus. Froh zeigte sie sich über den vorgesehenen jährlichen Bericht der Behindertenanwaltschaft; mit einem von ihr eingebrachten Entschließungsantrag soll sichergestellt werden, dass dieser Bericht bereits für das Jahr 2007 vorgelegt werden soll. Im Gegensatz zu ihrer SP-Kollegin Lapp sah Haidlmayr keinen "Lückenschluss": Es gebe keine Sicherheit, sondern einen geringen Zuschuss, sagte sie.

Niemand könne für 480 € netto zwei Wochen lang Tag und Nacht da sein, stellte Haidlmayr fest. Das könne man weder physisch leisten noch könne man davon leben. Die Folge werde sein, dass die ausländischen Pflegekräfte weitermachen. Wenn sich aber in deren Ländern die Lohnverhältnisse bessern, dann werden auch diese weg sein, befürchtete sie. Behinderte Menschen hätten ein Anrecht auf Sicherheit sowie auf selbst bestimmtes Leben, unabhängig vom Einkommen, unabhängig von der Art der Behinderung und unabhängig von Vereinigungen. Dies werde es jedoch nicht geben, meinte Haidlmayr. Sie übte auch Kritik an der Vermögensverwertung, denn wenn nichts mehr da sei, dann müsse man sowieso ins Heim. Damit würde die Heimunterbringung nicht verhindert, sondern lediglich hinausgeschoben.

Abgeordneter DONABAUER (V) gab zu bedenken, dass es sich beim vorliegenden Gesetz um eine schwierige Materie handelt, und warf der Opposition vor, nicht erkennen zu wollen, welche sozialpolitischen Leistungen bisher in Österreich aufgebaut worden sind. Mit seiner hohen Sozialquote brauche Österreich den Vergleich nicht scheuen, bemerkte Donabauer. So stünden aus dem Steuertopf allein für das Pflegegeld 1,6 Mrd. € zur Verfügung. Er lobte die Arbeit, der mit dem gegenständlichen Gesetz beteiligten Ressorts, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit sowie des Sozialministeriums, räumte aber gleichzeitig ein, dass man Erfahrungen sammeln und sicherlich nachbessern werde müssen. Mit dem nun zu beschließenden Gesetz bekämen nun jene, die selbständig und angestellt Betreuung leisten, eine angemessene Unterstützung. Wenn Bundesländer einen Sonderweg gingen, so sei das ihr gutes Recht.

Abgeordneter NEUBAUER (F) übte scharfe Kritik an der vorliegenden Regelung und hielt aus seiner Sicht fest, dass diese zahlreiche Schwachstellen aufweise und lediglich einem "Fortpfuschen" gleichkomme. Sicherheit werde durch das Modell nicht geschaffen, betonte Neubauer und wies auf den Rechnungshof hin, der einen Fehlbetrag von 300 Mill. € festgestellt hatte. Neubauer schlug vor, das Dänische Pflegemodell zu übernehmen, und plädierte für eine Verankerung in der Verfassung, für eine Valorisierung des Pflegegeldes um 18 % und eine Erhöhung des Anteils an Ausgaben für die Pflege auf einen Anteil von 2 % am BIP. 

Abgeordnete KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) betonte, mit dem heutigen Beschluss schaffe man eindeutige Verbesserungen, vor allem die legale 24-Stunden Betreuung zu Hause ab dem 1. Juli 2007. Damit habe man einen ersten Schritt im Rahmen des gesamten Pflegekomplexes gesetzt. Man müsse sich noch über neue Finanzierungsmodelle, Tagesbetreuung, Kurzzeitpflege sowie über die Pflegeheime und deren personelle Ausstattung eingehend Gedanken machen. Die Vermögensgrenze sei von Bundesminister Buchinger nicht erfunden worden, verteidigte sie den Sozialminister, denn diese Vermögensgrenze gebe es zum Beispiel auch in Niederösterreich bei der Einweisung in ein Pflegeheim.

Abgeordneter DOLINSCHEK (B) stellte fest, der Pflegenotstand sei vor der Nationalratswahl herbeigeredet worden. Frustrierend sei für ihn, dass die Koalitionspartner auch in dieser wichtigen Frage einander keine Erfolge gönnen. Auch Dolinschek ortete Schwachstellen im Gesetz, etwa bei der Vermögensgrenze, bei der Richtlinie über die Einkommensgrenze sowie im Hinblick auf die nichtvorhandene Rechtssicherheit. Er forderte eine einmalige Erhöhung des Pflegegeldes um 10 % und die Einführung eines zweckgebundenen Pflegechecks.

Abgeordnete Mag. KARL (V) sprach das Inserat von Bundesminister Buchinger an und verlieh ihrer Verwunderung Ausdruck, dass dieser nur von Werkverträgen ausgeht. In der Realität werde es sich um freie Dienstverträge handeln, sagte sie, in beiden Fällen bestehe jedoch Pflichtversicherung. Sie bemängelte auch, dass es laut Gesetz keinen Rechtsanspruch an Förderung gibt und man gegen Rückforderungen des Bundessozialamtes nichts tun kann. Dem Entschließungsantrag der FPÖ könne sie nicht zustimmen, da dieser in Widerspruch zu liberalen Grundrechten stehen könne und das österreichische Verfassungssystem keine sozialen Grundrechte kenne.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) kritisierte die Diskussion über die Unfinanzierbarkeit der Pflege, weil dies die Betroffenen und vor allem ältere Menschen verunsichere und sich diese zunehmend als eine Belastung für den Staat empfinden. Von den rund 400.000 PflegegeldbezieherInnen benötigten zirka 20.000 eine 24-Stundenbetreuung mit Pflege, das seien 5 %. Davon werde sich nur das oberste Fünftel eine Pflege leisten können. Die anfallenden Kosten schätzte Grünewald auf 100 Mill. €, das seien etwas weniger als die geschätzten Einnahmen aus der Erbschaftssteuer in der Höhe von 117 Mill. €. Grünewald thematisierte weiters die noch immer große sozial Schere im Gesundheitsbereich und machte auf die hohen Belastungen der betreuenden Personen aufmerksam.

Abgeordneter DOBNIGG (S) begrüßte die Möglichkeit der legalen und leistbaren Pflege daheim sowie die Ausdehnung des Pflegemodells auf die Pflegestufe 3 und 4 und warf der ÖVP Blockadepolitik vor. Er bedauerte, dass es keine Valorisierung des Pflegegeldes gibt und sprach sich für die Anhebung der Ausgaben für die Pflege auf 2 % des BIP aus. Man werde auch langfristig darum nicht herumkommen, meinte er. Die nun vorgenommene Neuregelung bezeichnete Dobnigg als einen notwendigen Schritt, dem weitere Schritte folgen müssten. Vor allem sollten sich die Länder beteiligen, was auch im Rahmen des Finanzausgleichs eingehend zu diskutieren sei. Auch die Erhöhung oder Abschaffung der Vermögensgrenze sei mit den Ländern zu besprechen.

Abgeordneter Dr. HUAINIGG (V) zufolge bedeutet die heutige Beschlussfassung einen wesentlichen Schritt zur Lösung der Pflegethematik. Kritisch setzte er sich mit der Vermögensverwertung auseinander, da die Pflege im Heim nicht mit jener von zu Hause zu vergleichen sei. Zu Hause habe man vorzusorgen und müsse Zahlungen wie für Miete, Energie etc. leisten. Er hoffe daher, dass sich die übrigen Bundesländer Niederösterreich und Vorarlberg anschließen werden. Huainigg setzte sich abschließend mit der Trennung zwischen Pflege und Betreuung auseinander und zeigte an Hand konkreter Beispiel auf, dass diese nicht immer sinnvoll ist. Er sieht daher in dieser Frage einen dringenden Regelungsbedarf.

Bundesminister Dr. BUCHINGER unterstrich, das Thema Pflege und Betreuung stelle eine neue große Herausforderung dar. Das nun vorliegende Paket sei ein wichtiger Teil des gesamten Pflegekomplexes, weil es unter anderem eine wesentliche Verbesserung der pensionsrechtlichen Absicherung für pflegende Personen bringe. Damit setze man sowohl ein moralisches als auch ein geldwertes Signal, betonte er. Mit dem heutigen Tag werde der Pflegenotstand beseitigt, vor dem man jahrelang die Augen verschlossen habe. Buchinger gab zu, dass es keinen generellen Pflegenotstand gegeben hat, weil Pflegegeld und Sachleistungen zur Verfügung stehen, im Bereich der 24-Stundenbetreuung sei dieser Notstand jedoch vorhanden gewesen. Die Betroffenen seien gezwungen gewesen, illegale Methoden anzuwenden. Nun würden die Lücken geschlossen. Damit stimme die Richtung und es werde auch weiterhin Verbesserungen in Abstimmung mit Ländern und Gemeinden geben müssen.

Buchinger ging im Anschluss daran auf konkrete, von Abgeordneten vorgebrachte Kritikpunkte ein. Er gab zu, dass die Entgeltbedingungen sich an niederen Löhnen orientieren, diese knüpften jedoch an bestehende Lohngrundlagen an. Daher bedürfe es hier einer Weiterentwicklung, wobei die Gewerkschaft gefordert sei. Im Bereich von Sachleistungen sei es üblich, keinen Rechtsanspruch festzusetzen, erläuterte Buchinger, aber es bestehe keinerlei Willkür, da die Abwicklung auf der Basis einer Richtlinie erfolge. Damit seien Transparenz und Sicherheit gewährleistet. Der Sozialminister sprach sich gegen eine über das Jahr 2007 hinausgehende Verlängerung der Amnestieregelung aus, da dies einem Sozial- und Rechtsstaat nicht zuträglich sei. Die Amnestie beziehe sich lediglich auf die verwaltungsstrafrechtliche Seite, nicht jedoch auf die zivilrechtlichen Ansprüche, erläuterte er. Was die Selbständigkeit bei der Hausbetreuung betrifft, so müsse man hier Vorsicht walten lassen, damit dies nicht in Scheinselbständigkeit ausarte. Seitens seines Ressorts habe man unter anderem mit Musterverträgen das möglichste getan, damit das Ganze nicht in die falsche Richtung laufe. Buchinger verteidigte auch die Vermögensverwertung, weil der Zweck beider Betreuungsformen, zu Hause und im Heim, gleich sei. Anders stelle sich die ambulante Betreuung dar. Vermögensgrenzen gebe es überall, sagte er, und Niederösterreich habe die Grenze von 5.000 auf 10.000 € angehoben. Die Summe von 9.600 € im Jahr seien wesentlich mehr als ein kleiner Zuschuss, da damit zwischen 80 und 90 % der Sozialversicherungskosten abgedeckt würden. Buchinger machte auch darauf aufmerksam, dass die Anhebung des Anteils der Pflegekosten auf 2 % des BIP 2,3 Mrd. € zusätzliche Ausgaben pro Jahr bedeuten würden. Eine solche Forderung gehe daher an der Realität vorbei, aber das könne durchaus ein Zukunftsprojekt im Rahmen eines Gesamtprojekts darstellen. Hinsichtlich der Trennung zwischen Pflege und Betreuung schloss er sich der Kritik von Abgeordnetem Huainigg an, betonte aber gleichzeitig, dass die Überarbeitung, die in die Kompetenz der Gesundheitsministerin falle, ein außerordentlich schwieriges Unterfangen darstelle. Am Ende seiner Stellungnahme appellierte Buchinger an die Opposition, mit geschärften Auge auch die realen Verbesserungen zu sehen.

Abgeordnete RIENER (V) begrüßte die Verlängerung des Pflegeübergangsgesetzes, weil die Kommunikation nicht so weit fortgeschritten sei. Eine Schwierigkeit sah sie vor allem im Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Sie kritisierte insbesondere, dass sich die Länder über Regressforderungen etwas vom Bundespflegegesetz zurückholen können.

Abgeordneter WÖGINGER (V) brachte jene Punkte zur Sprache, die aus seiner Sicht bedeutende Verbesserungen darstellen. Die Verlängerungen der Amnestieregelung bringe für die Betroffenen Sicherheit. Er begrüßte die Ausweitung der Pflegeförderung auf Stufe 3 und 4 sowie die Einbindung der Organisationen in der ambulanten Pflege. Schließlich setzte er großes Vertrauen in das Verhandlungsgeschick im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen.

Abgeordnete GRANDER (V) thematisierte die Tatsache, dass die Begutachtung der Pflegebedürftigen nur vom Arzt durchgeführt werden darf. Das widerspreche nicht nur dem Berufsbild der gehobenen Pflegedienste, sondern widerspreche auch der Tatsache, dass sowohl eine medizinische als auch eine pflegerische Diagnose nötig ist.

Abgeordnete Mag. AUBAUER (V) fasste die positiven Punkte aus ihrer Sicht zusammen. Positiv sei die Verlängerung der Amnestieregelung bis Ende 2007, wobei sie eine weitere Verlängerung bis Ende 2008 anregte. Die legalen Modelle der 24-Stundenpflege daheim und deren finanzielle Förderung stellten einen guten Anfang dar. Sie appellierte jedoch, die Vermögensgrenze zu überdenken, da diese nicht gerecht sei. Jemand, der für sein Alter vorsorge und spare, werde gegenüber denjenigen benachteiligt, die ihr Geld etwa für Urlaube und dergleichen ausgeben und im Alter nichts haben, bemerkte sie.

Sozialminister Dr. BUCHINGER kündigte gegenüber seiner Vorrednerin, dass er die Vermögensgrenze in der Höhe von 5.000 Euro gerne noch einmal – gemeinsam mit Finanzminister Molterer – überdenken werde. Was die von Abgeordneter Riener angesprochenen Ruhensbeiträge des Bundes nach Paragraph 13 Bundespflegegeldgesetz angeht, "so fließe hier bedauerlicherweise nichts zurück". Diese Beträge in der Höhe von etwa 50 Mill. € werden bereits bei der Budgetierung in Abzug gebracht. Die Rechtsgrundlage dafür finde sich in der Artikel-15a-Vereinbarung aus dem Jahr 1993, informierte Buchinger.

Bei der Abstimmung wurde zunächst die Änderung des Pflege-Übergangsgesetzes mehrheitlich angenommen; die F-Entschließungsanträge betreffend Maßnahmen zur Sicherung der Pflege sowie betreffend unzureichende soziale und rechtliche Absicherung der pflegenden Angehörigen fanden keine Zustimmung. Die Änderungen des Bundespflegegeldgesetzes sowie des Bundesgesetzes über die Bewilligung des Bundesvoranschlages wurden in der Fassung des S-V-Abänderungsantrages mehrheitlich angenommen. Der B-Entschließungsantrag betreffend finanzielle Sicherstellung der Betreuung und Pflege von pflegebedürftigen Menschen blieb in der Minderheit. Schließlich wurden auch noch die beiden (negativen) Ausschussberichte betreffend den F-Antrag ("finanzielle und verfassungsrechtliche Absicherung des Pflegeanspruchs") sowie betreffend den G-Antrag ("jährlicher Bericht über die Tätigkeit der Behindertenanwaltschaft") zur Kenntnis genommen. (Forts. Arbeitszeit)


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