Parlamentskorrespondenz Nr. 868 vom 15.11.2007

Vorlagen: Verfassung, Inneres

Regierung will Asylgerichtshof einrichten und Verfassung entrümpeln

Die Regierung hat dem Nationalrat einen ersten konkreten Gesetzentwurf zur Umsetzung der geplanten Staats- und Verwaltungsreform vorgelegt (314 d.B.). Mit diesem Entwurf sollen zum einen die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zur Einrichtung eines Bundesasylgerichtshofs geschaffen und zum anderen unter dem Titel Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz zahlreiche Verfassungsbestimmungen, die neben der eigentlichen Bundesverfassung existieren, entweder beseitigt oder in die Verfassung integriert werden. Gleichzeitig ist geplant, durch entsprechende verfassungsgesetzliche Ermächtigungen die Weisungsfreistellung von bestimmten Behörden zu erleichtern und das Ratifikationsverfahren für EU-Verträge zu vereinfachen.

Im Konkreten soll den Vorstellungen der Regierung zufolge das Bundesasylamt künftig erste und einzige verwaltungsbehördliche Instanz für Asylanträge sein. Als gerichtliche Rechtsmittelinstanz wird ab 1. Juli 2008 ein neuer Asylgerichtshof eingerichtet, der den Unabhängigen Bundesasylsenat ersetzt. Entscheidungen des Asylgerichtshofs sollen grundsätzlich in Zweiersenaten fallen – gibt es kein Einvernehmen zwischen den beiden Richtern, kommt ein verstärkter, fünfköpfiger, Senat zum Einsatz. In rein verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten und bei vorliegenden Grundsatzentscheidungen sind auch einzelrichterliche Entscheidungen möglich.

Stark eingeschränkt wird der Zugang von Asylwerben zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Anstelle von Einzelanfechtungen ist ein neues Procedere vorgesehen, gemäß dem bei grundsätzlichen bzw. häufig auftretenden Rechtsfragen der Asylgerichtshof künftig selbst – in einem verstärkten Senat – eine Grundsatzentscheidung fällen und diese dann automatisch dem Verwaltungsgerichtshof zur Beurteilung vorlegen soll. Äußert dieser innerhalb von sechs Monaten keine Einwände, gilt die Grundsatzentscheidung als bestätigt und kann für alle anhängigen und künftigen Fälle angewendet werden. Gleichzeitig wird es dem Verfassungsgerichtshof nicht mehr möglich sein, Asylsachen an den VwGH abzutreten.

Ziel der gesetzlichen Änderungen ist es den Erläuterungen zufolge, die Gesamtdauer von Asylverfahren zu verkürzen. Aus gleichem Grund sind kurzfristige Personalaufstockungen beim Bundesasylamt, beim Asylgerichtshof und beim Verwaltungsgerichtshof vorgesehen. Bis zum Jahr 2010 will die Regierung damit den Rückstau an offenen Asylverfahren weitgehend abgebaut haben. Zuständig für den Asylgerichtshof wird das Bundeskanzleramt sein.

Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf vor, unter dem Titel Verfassungsbereinigung mehr als 200 Bundesverfassungsgesetze, bundesverfassungsgesetzliche Bestimmungen und Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen aufzuheben bzw. als nicht mehr geltend festzustellen. Gleichzeitig sollen 22 Bundesverfassungsgesetze mit 1. Jänner in einfache Gesetzen und Dutzende Verfassungsbestimmungen in einfache gesetzliche Bestimmungen umgewandelt werden. Für zahlreiche Staatsverträge ist eine analoge Vorgangsweise vorgesehen.

Einige gesetzliche Bestimmungen in Verfassungsrang werden in die Bundesverfassung selbst integriert. Das gilt etwa für verfassungsrechtliche Bestimmungen im universitären Bereich, die in einen neuen Abschnitt "Universitäten" in die Verfassung Eingang finden. Um verfassungsrechtlichen Wildwuchs in Zukunft zu verhindern, wird außerdem vorgeschlagen, jenen Artikel in der Verfassung zu adaptieren, der den Abschluss von Staatsverträgen betrifft. Für die Einrichtung einer bestimmten Art weisungsfreier Behörden ist künftig ein einfaches Gesetz ausreichend, im Gegenzug werden dem Nationalrat und dem Bundesrat dafür gegenüber solchen weisungsfreien Behörden per Verfassung gewisse Kontrollrechte eingeräumt.

Die Vorschläge der Regierung zur Verfassungsbereinigung basieren auf Beratungsergebnissen einer zur Staats- und Verwaltungsreform eingesetzten Expertengruppe, der neben Franz Fiedler, Andreas Khol, Peter Kostelka und Theo Öhlinger auch Ewald Wiederin und Jürgen Weiss in Vertretung der Landeshauptleute Gabi Burgstaller und Herbert Sausgruber angehören. Grundlage für die Arbeit der Expertengruppe sind die Ergebnisse des Österreich-Konvents und eines in der letzten Legislaturperiode eingerichteten Besonderen Ausschusses des Nationalrats. (Schluss)