Parlamentskorrespondenz Nr. 956 vom 04.12.2007

Vom Thema Pflege bis zum Arbeiterkammergesetz

Eine Palette von Themen aus dem Sozialausschuss im NR-Plenum

Wien (PK) – Mit einer Reihe von Vorlagen aus dem Sozialausschuss setzten die Abgeordneten ihre Debatte nach der Dringlichen Anfrage fort. Unter einem wurden zunächst eine Novelle zum Kriegsopferversorgungsgesetz und der Parallelgesetze und ein Antrag des BZÖ diskutiert. Abgeordneter KECK (S) begrüßte den verbesserten Zugang zur Beschädigtenrente, da damit eine Ungleichbehandlungen beseitigt und der Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert wird.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) schloss sich dem an und kündigte Anträge der Grünen zur Verbesserung der Opferfürsorge an.

Abgeordneter Ing. HOFER (F) bemerkte, viele Dinge im Sozialstaat seien "faul". Konkret sprach er die lange Verfahrensdauer in Vorarlberg für die Ausstellung eines Behindertenausweises an. Derzeit seien mehr als 800 Verfahren offen, berichtete er, was für die Betreffenden einen finanziellen Verlust bedeute, weil sie die Freibeträge nicht geltend machen können, so Hofer. Er ersuchte daher, diese organisatorischen Mängel zu beseitigen.

Bundesminister BUCHINGER reagierte sofort darauf und versicherte, dass zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt werde.

Abgeordnete HAUBNER (B)zeigte sich erfreut über die Fünf-Parteien-Einigung und bedauerte nur, dass der mit der Regierungsvorlage fast idente Antrag des BZÖ nicht schon vor einem Jahr beschlossen wurde.

Bundesminister BUCHINGER erwiderte, dass die Verspätung deshalb entstanden sei, weil die Vorgängerregierung nicht in der Lage gewesen sei, diese Verbesserung für die Kriegsopfer und Opferbefürsorgten durchzuführen.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert wird, einstimmig angenommen.

Der Ausschussbericht über den Antrag des BZÖ wurde mehrheitlich angenommen; das bedeutet, dass der Antrag nicht die erforderliche Mehrheit erhielt.

Vereinbarung mit den Ländern über Förderung der 24-Stunden-Betreuung

Drei Vorlagen waren dem Thema Pflege bzw. Betreuung gewidmet: eine Vereinbarung mit den Ländern, ein F- Antrag auf Einführung eines Pflegeberichts und ein weiterer F- Antrag betreffend ein Standardisierungsverfahren in der Begutachtung des Pflegebedarfs.

Abgeordnete MANDAK (G) bemerkte zunächst, kaum ein anderes Gesetz habe so viel Verwirrung und Verunsicherung verursacht wie die Regelung zur 24-Stunden-Betreuung. Die damit befassten Bundes- und Landespolitiker würden nur streiten anstatt Lösungen zu suchen, kritisierte sie. Sie forderte, die Pflegestufen neu zu definieren, die Höhe des Pflegegeldes an den Bedarf anzupassen und die Angebote im ambulanten Bereich zu erhöhen. Betroffene hätten oft keine Chance, zwischen Rundumbetreuung und mobiler Betreuung zu entscheiden, bedauerte Mandak. Es sei darüber hinaus fast unmöglich, vierzehn Tage einen schwer dementen Menschen rund um die Uhr zu betreuen, so Mandak weiter. Eine solche Belastung sei unmenschlich und kaum zu bewältigen. Mandak übte auch scharfe Kritik an der Vermögensgrenze, weil diese nicht kontrollierbar sei und zu großen Ungleichheiten führe.

Abgeordnete Mag. LAPP (S) nannte die 15a-Verträge mit den Ländern einen Lückenschluss. Bei den Verhandlungen seien viele Stellen und Institutionen eingebunden worden und es sei gelungen, ein einfaches und leistbares Modell zu finden, meinte Abgeordnete Lapp. Sie appellierte an die Opposition, die Menschen nicht zu verunsichern. Von einer Verlängerung der Amnestie hielt Lapp nichts, da dies ihrer Ansicht nach zu keiner Lösung führen würde. Das Modell werde begleitet und evaluiert, sagte Lapp und gratulierte dem Minister, dass ihm diese Vereinbarung gelungen sei.

Abgeordneter Ing. HOFER (F) schlug vor, in dieser Frage einen koalitionsfreien Raum zu vereinbaren, weil die bisherige Debatte in keiner Weise hilfreich gewesen sei. Er regte auch an, die Pflege über die Steuern zu finanzieren. Jedenfalls müsse es nach Auffassung Hofers eine einheitliche Finanzierung geben, die sicher stelle, dass nicht die Kinder zur Finanzierung herangezogen werden. Wie Abgeordnete Mandak zuvor sprach sich auch Hofer gegen die Vermögensgrenze aus. Schließlich brachte er zwei Entschließungsanträge ein, in denen einerseits eine einkommens- und vermögensunabhängige Zuwendung nach dem Bundespflegegesetz und andererseits ein Rechtsanspruch auf eine Fördermöglichkeit ab der 3. Pflegestufe verlangt wird. Es könnte durchaus so sein, argumentierte Hofer, dass eine 24-Stunden-Pflege auch in der Pflegestufe 3, etwa bei einem Kind, notwendig ist. Er hielt auch eine Standardisierung des Begutachtungsverfahrens zur Bewertung des Pflegebedarfs für notwendig, weil die Einstufungen in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich erfolgten.

Abgeordnete RIENER (V) machte darauf aufmerksam, dass die Leistbarkeit der 24-Stunden-Pflege keineswegs klar sei und zitierte den Minister, der in einem Interview gemeint hatte, die Regelung könnte auch scheitern. Riener machte darauf aufmerksam, dass es einen Unterschied zwischen einer Pflege im Heim, wo das meiste inkludiert sei, und einer Pflege zu Hause, wo man für Wohnungs- und Betriebskosten aufkommen müsse, gebe. Sie trat dafür ein, die Pflegestufen neu zu definieren und forderte den Minister auf, über die Vorschläge der ÖVP zu diskutieren.

Abgeordnete HAUBNER (B) vermisste noch immer ein legales, leistbares Modell für die 24-Stunden-Pflege. Es sei ein halbes Jahr Zeit gewesen, kritisierte sie, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Leider aber würden politische Machtkämpfe auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen. Haubner brachte abermals den Antrag ein, der auf eine Abschaffung der Vermögensgrenze abzielt. Die Betroffenen sollten keine Bittsteller sein, sondern über einen Rechtsanspruch auf Pflege verfügen, so die Intention Haubners. Darüber hinaus forderte sie eine Beschleunigung der Pflegegeldverfahren, eine Entlastung der Angehörigen und den Ausbau eines niederschwelligen Angebots in der Tagesbetreuung.

Abgeordnete KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) wünschte sich eine ehrlichere und weniger polemische Diskussion. Sie verteidigte die Regelung zur 24-Stunden-Pflege, zumal es bundeseinheitliche Regelungen geben werde, was zur Sicherheit beitrage. Außerdem sei dieses Paket nur ein kleiner Teil eines umfassenden Pflegepakets. Die legale Betreuung bringe wesentliche Verbesserungen für die Betreuerinnen wie auch für die zu pflegenden Personen, sagte Königsberger-Ludwig. Den Oppositionsparteien und der ÖVP warf sie vor, zur Verunsicherung der Betroffenen beigetragen zu haben.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) kritisierte die 15a-Vereinbarung auf Grund mangelnder einheitlicher und fehlender Regelungen. Man brauche ein Gesamtkonzept für Pflege und Betreuung, sagte er und unterstützte in diesem Zusammenhang den Antrag von Abgeordnetem Hofer. Der ÖVP hielt er entgegen, dass in den Bundesländern im Wege des Regresses bei der stationären Pflege "abkassiert" werde. Das Pflegegeld sei eine einkommens- und vermögensunabhängige Leistung, stellte er fest und schlug vor, die Einnahmen aus der Erbschafts- und Vermögenssteuer zu einem sozialen Ausgleich im Hinblick auf das Pflegerisiko zu verwenden. Die derzeitige Regelung sei jedenfalls nicht leistbar, rechnete Öllinger anhand eines Beispiels vor. Am Ende seiner Ausführungen brachte er einen Entschließungsantrag ein mit dem Ziel, die Amnestieregelung bis 30. Juni 2008 zu verlängern.

Abgeordneter Dr. EDER (V) meinte, die Akzeptanz der Betroffenen sei schwer abschätzbar. Man sollte aber dem Modell eine Chance geben, zumal eine Evaluation vorgesehen sei. Er glaube, die meisten Länder könnten damit gut umgehen. Vor allem sollten die mobilen Dienste gefördert sowie die Schnittstellen geschlossen werden. Insgesamt müsse aber über die Neuordnung der Pflege nachgedacht werden.

Abgeordneter NEUBAUER (F) zeigte sich verwundert über die Demonstration des ehemaligen Nationalratspräsidenten Khol mit PensionistInnen vor dem Parlamentsgebäude während der Ausschusssitzung. Das sei populistisch gewesen und habe der Sache nicht genützt. Es sei notwendig, dass man nach einem Jahr endlich zu einer Lösung komme, sagte Neubauer, und auf die Bevölkerung höre, die sich zu 86 % für Seniorengärten ausgesprochen hätte. Eine Mehrheit sei auch für die Betreuung zuhause und für den Ausbau der mobilen Pflegedienste. Die FPÖ trete für eine Valorisierung des Pflegegelds und für die Erhöhung der Ausgaben für die Pflege, gemessen am BIP, ein.

Abgeordnete Mag. AUBAUER (V) stellte in Richtung der Grünen fest, dass sich die ÖVP an die Abmachungen halte und daher gemeinsam mit dem Koalitionspartner stimme. Bestürzend sei für sie jedoch, dass die SPÖ derzeit nicht bereit sei, die Amnestieregelung zu verlängern. Die betroffenen Menschen hätten nur mehr vier Wochen Zeit, um sich über die komplizierten legalen Modelle zu informieren; dies erzeuge einen unnötigen Zeitdruck. Außerdem entstünden durch die verschiedenen Regelungen bezüglich der Vermögensgrenzen "Gerechtigkeitslücken", die dringend geschlossen werden sollten.

Abgeordneter DOLINSCHEK (B) stimmte mit dem Minister darin überein, dass eine Verlängerung der illegalen Pflege dazu führen würde, dass die Förderungen nicht angenommen werden. Richtig sei aber auch, dass das nun vorgeschlagene Modell nicht ausreichend sei. Es müssten die optimalen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass eine optimale, sichere, qualitätsvolle und leistbare Pflege zu Hause möglich ist, forderte Dolinschek. Ein von ihm eingebrachter Entschließungsantrag betraf die Erhöhung der Förderung bei selbständigen Betreuungskräften auf zumindest 500 €.

Wenn Minister Buchinger davon spreche, dass bis August 2008 2.000 illegale Pflegekräfte legalisiert werden sollen, dann frage sie sich, so Abgeordnete HAIDLMAYR (G), was mit den restlichen 38.000 ist. Wenn die betroffenen Menschen nicht ins Heim gehen wollen, dann werden sie sich einen anderen illegalen Weg suchen müssen, befürchtete Haidlmayr. Dies führe dann etwa dazu, dass die Pflegekräfte geheiratet oder adoptiert werden, damit sie weiterhin nach Österreich kommen können. Die G-Rednerin forderte den Minister auf, die Vermögensgrenzen und die Regressansprüche zu beseitigen. Österreich sei ein so reiches Land, dass es sich die Betreuung und Pflege von alten und behinderten Menschen leisten könne, unterstrich Haidlmayr mit Nachdruck, es gehe nur darum, ob man es auch politisch wolle.

Bundesminister Dr. BUCHINGER (S) widersprach der Abgeordneten Aubauer, wonach das neue Fördermodell kompliziert und unverständlich ist. Es sei für ihn fast unfassbar, mit welcher "Coolness" sich heute einige ÖVP-Mandatare von einer Regelung distanzierten, die von den Regierungsparteien in mehreren Schritten im Einvernehmen beschlossen worden sei. Von der Kritik nehme er ausdrücklich den Abgeordneten Dr. Eder aus, der gemeint habe, dass man dem neuen Modell eine faire Chance geben solle. Buchinger skizzierte sodann die genaue Entstehungsgeschichte der Rund-um-die-Uhr-Betreuung daheim, die bereits im Regierungsübereinkommen festgelegt wurde: "Die angestrebte Förderung durch die öffentliche Hand berücksichtigt Betreuungsausmaß, Pflegebedürftigkeit und die soziale Lage". Auch in der von Bundeskanzler Gusenbauer, Vizekanzler Molterer, den Ministern Buchinger und Bartenstein unterschriebenen Pflegeeinigung wurde vereinbart, dass Vermögen in Form von Bargeld oder Geldeswert bis zu einem Betrag von 5.000 Euro bei Inanspruchnahme einer Förderung (225 € bzw. 800 €) unberücksichtigt bleibt.

Im besonderen hob Buchinger hervor, dass nunmehr das erste Modell im Bereich der Betreuung und Pflege vorliege, das die Zersplitterung von neun Bundesländern überwinde. Es gebe nun eine einheitliche Förderhöhe für selbstständige und unselbständige Pflegekräfte, eine einheitliche Qualitätssicherung, eine einheitliche gesetzliche Grundlage und eine zentrale Anlaufstelle. Nur in einem Punkt, nämlich der Vermögensgrenze, wurde eine Differenzierung zugelassen. Dies geschah auf ausdrücklichen Wunsch von zwei von der ÖVP geführten Bundesländern, betonte der Sozialminister. Was die gesetzliche Absetzbarkeit der Pflegekosten angeht, so sei dies selbstverständlich möglich, erklärte Buchinger in Richtung der Abgeordneten Riener.

Bei der Abstimmung wurde die Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung mehrheitlich genehmigt. Die F-Entschließungsanträge betreffend "einkommens- und vermögensunabhängige Zuwendungen nach dem Bundespflegegesetz" und betreffend "soziale und rechtliche Absicherung der pflegenden Angehörigen, die B-Entschließungsanträge betreffend "Abschaffung der Vermögensgrenze für die Förderung der 24-Stunden-Betreuung" und betreffend "Erhöhung der Förderungen bei der 24-Stunden-Betreuung durch selbständige Betreuungskräfte" sowie der G-Entschließungsantrag betreffend "Verlängerung der Amnestie im Zusammenhang mit der 24-Stunden-Betreuung" verfielen der Ablehnung. Die dem Ausschussbericht angeschlossene Entschließung wurde mehrheitlich angenommen. Schließlich wurde noch der Bericht, den F-Antrag betreffend Standardisierung des Begutachtungsverfahrens, mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Arbeitslosengeld auch für freie Dienstnehmer

Durch eine Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz werden hinkünftig auch freie Dienstnehmer Arbeitslosengeld und Abfertigung erhalten. Abgeordnete Mag. SCHATZ (G) begrüßte aus der Sicht ihrer Fraktion die Einbeziehung von freien DienstnehmerInnen in das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz sowie die Änderungen im Bereich der Bildungskarenz. Gleichzeitig werde aber auch eine "erniedrigende Zumutung" für arbeitsuchende Menschen beschlossen, bemängelte Schatz, weshalb sie einen umfassenden Abänderungsantrag einbringe. Ihre hauptsächliche Kritik richtete sich u.a. gegen die erneute Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen sowie gegen die Datenerfassung des AMS sowie den Umgang mit diesen Daten. 

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter Mag. MAIER (S) gegenüber seiner Vorrednerin fest, dass gesundheitsbezogene Daten ausschließlich zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit vom AMS an den zuständigen Träger der Sozialversicherung und die Sozialhilfe übermittelt werden können; eine Weitergabe an Arbeitgeber sei ausdrücklich untersagt.

Abgeordnete CSÖRGITS (S) ging auf die Inhalte der Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz ein und griff drei wichtige Punkte heraus. Besonders erfreut sei sie darüber, dass nunmehr auch freie DienstnehmerInnen sozialrechtlich abgesichert sind. Ein weiterer positiver Punkt sei die Verbesserung der Bildungskarenz, zumal u.a. die Wartefrist von drei Jahren auf ein Jahr herabgesetzt wurde. Auch die sozialversicherungstechnische Absicherung der Selbstständigen sei ein wichtiger Teil des Regierungsübereinkommens.

Abgeordneter KICKL (F) machte insbesondere der SPÖ den Vorwurf, dass es ihr einfach nicht gelinge, wichtige Anliegen in einen Gesetzestext zu verpacken. Auch die Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes sei ein weiteres Beispiel dafür, dass kein Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber erreicht wurde. Es sei ja durchaus lobenswert, dass nun auch Selbständige in die  Arbeitslosenversicherung einbezogen werden. Gleichzeitig habe man aber wieder auf die immer größer werdende Gruppe der geringfügig Beschäftigten vergessen, zeigte Kickl auf. Außerdem lägen die Vorteile ausschließlich bei der Gruppe der Selbständigen, wobei die Kosten von der Solidargemeinschaft der Unselbständigen bezahlt werden müssten. Kickl befürchtete, dass ein "Türöffner in Richtung Sozialmissbrauch" geschaffen wurde, weil man sich mit einem Dumpingbeitrag eine tolle Absicherung schaffen könne. Schließlich brachte er noch einen F-Abänderungsantrag ein.

Abgeordnete Dr. KARL (V) hätte sich im Zusammenhang mit der 24-Stunden-Betreuung von Minister Buchinger gewünscht, dass man den Betroffenen Rechtssicherheit darin gegeben hätte, nicht zu Beitragsnachzahlungen herangezogen zu werden. Sodann ging sie auf die von Abgeordneter Schatz vorgebrachten Kritikpunkte ein und wies bezüglich der Zumutbarkeitsbestimmungen darauf hin, dass die vorliegende Regierungsnovelle, die sehr viele positive Maßnahmen enthält, die in der Arbeitsmarktpolitik bestehenden wechselseitigen Pflichten zum Ausdruck bringe.

Abgeordneter DOLINSCHEK (B) begrüßte die Gleichstellung freier Dienstnehmerinnen und Dientstnehmer mit Angestellten bezüglich des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Gleichzeitig zeigte er aber kein Verständnis dafür, dass künftig auch Selbstständige in die Arbeitslosenversicherung einbezogen werden sollen. Wenn Selbstständige schon Arbeitslosengeld erhalten sollen, wäre es seiner Meinung nach notwendig, einen eigenen Topf für sie einzurichten, um eine Quersubventionierung aus dem Topf der Unselbstständigen hintanzuhalten. Er verstehe nicht, wie die SPÖ dieser Maßnahme zustimmen könne, sagte Dolinschek.

Wirtschaftsminister Dr. BARTENSTEIN sprach von einem "sehr bemerkenswerten" Gesetzespaket im Sinne der heute notwendigen "Flexicurity". Es bringe nicht nur eine bessere sozialrechtliche Absicherung freier Dienstnehmerinnen und Selbstständiger, sondern auch verbesserte Rahmenbedingungen für lebenslanges Lernen, unterstrich er. Allerdings zeigte sich Bartenstein überzeugt, dass die Öffnung der Arbeitslosenversicherung für Selbstständige ein "Minderheitenprogramm" bleiben wird, nicht nur weil die Kostenbeiträge in der Höhe von 6 % erheblich seien, sondern weil Selbstständigen auch die unbefristete Rahmenfristerstreckung für früher erworbene Arbeitslosengeldanspruch zugute komme.

Ablehnend stand Bartenstein der Forderung von Abgeordnetem Dolinschek nach einem eigenen Arbeitslosenversicherungstopf für Selbstständige gegenüber. Er gab zu bedenken, dass ein Missbrauch der neuen Bestimmungen weitgehend ausgeschlossen sei. Man werde die Entwicklung aber genau beobachten, versicherte er.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) wies darauf hin, dass mehr als die Hälfte der freien DienstnehmerInnen Frauen seien. Atypische Beschäftigung habe in den letzten Jahren stark zugenommen, skizzierte sie. In diesem Sinn begrüßte Heinisch-Hosek die vorgesehene bessere sozialrechtliche Absicherung freier DienstnehmerInnen. Im Konkreten hob sie die Einbeziehung dieser Beschäftigtengruppe in die Arbeitslosenversicherung, in die Abfertigung Neu und in den Insolvenzentgeltausfallsfonds hervor und verwies darauf, dass freien DienstnehmerInnen in Hinkunft auch Krankengeld und Wochengeld zustehe.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) übte Kritik am Gesetzentwurf. Ihm zufolge droht eine Umverteilung von unselbstständig Beschäftigten zu Selbstständigen. Selbstständige hätten ein ganz anderes Risiko, betonte er, ein gemeinsamer Arbeitslosentopf mit Unselbstständigen sei daher nicht angebracht.

Abgeordnete Königsberger-Ludwig (S) meinte, für sie sei es ein Wermutstropfen, dass für Teilzeitbeschäftigte künftig eine Anfahrtszeit von eineinhalb Stunden zum Arbeitsplatz als zumutbar gelte. Ebenso erachtet sie eine Valorisierung des Arbeitslosengeldes als erforderlich. Kritik an den Mitarbeitern des AMS und an sozioökonomischen Betrieben wies sie hingegen strikt zurück.

Die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes und damit in Zusammenhang stehender Gesetzesänderungen wurde vom Nationalrat in Dritter Lesung mehrheitlich beschlossen. Die Abänderungsanträge der Grünen und der FPÖ blieben in der Minderheit.

Betriebliche Mitarbeitervorsorge, Arbeiterkammergesetz

Abgeordnete MIKESCH (V) hielt fest, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelinge dem Nationalrat "ein Quantensprung" in der sozialen Absicherung von Selbstständigen. Gleichzeitig werde damit auch ein wichtiger Punkt des "Flexicurity-Pakets" umgesetzt. Nach Ansicht von Mikesch erleichtert soziale Absicherung ein erfolgreiches Wirtschaften. Generell führte sie die derzeitige gute Wirtschaftslage auf Maßnahmen der vergangenen Regierung zurück.

Abgeordneter SPINDELBERGER (S) führte aus, das moderne Erwerbsleben sei von notwendiger Flexibilität und häufigem Arbeitsplatzswechsel geprägt. Es werde aber nicht nur von Unselbstständigen, sondern auch von Selbstständigen immer mehr Flexibilität gefordert. Spindelberger zeigte sich daher erfreut, dass künftig sowohl freien DienstnehmerInnen als auch Selbstständigen die betriebliche Pensionsvorsorge offen steht.

Abgeordnete Mag. SCHATZ (G) stellte voran, dass auch die Grünen die Einbeziehung freier DienstnehmerInnen und Selbstständiger in die betriebliche Mitarbeitervorsorge begrüßen. Dass diese künftig auch freien Berufen offen steht, ist ihrer Ansicht nach aber unverständlich. Schatz verwies in diesem Zusammenhang auf eine aktuelle Studie, der zufolge die Schere zwischen niedrigen und hohen Einkommen weiter auseinander gehe und Einkünfte aus Vermögenswerten steigen. Man könne verschieden mit dieser Entwicklung umgehen und sie etwa als unvermeidliche Begleiterscheinung des Neoliberalismus akzeptieren oder auch dagegen ankämpfen, sagte Schatz, die Koalition wähle aber einen dritten Weg und fördere materielle Ungleichheiten konsequent. Angehörige freier Berufe haben ihrer Meinung nach keine weiteren steuerlichen Förderungen nötig. In Form eines Abänderungsantrages forderte Schatz namens der Grünen eine Erhöhung der Dienstgeberbeiträge für die betriebliche Pensionsvorsorge auf 2,5 %.

Abgeordneter HOFER (F) nahm zur Einbeziehung freier DienstnehmerInnen in die Arbeiterkammer Stellung und befürwortete diesen Schritt. In einem Entschließungsantrag trat er namens der FPÖ dafür ein, dass auch Menschen, die in geschützten Werkstätten arbeiten, ohne Pflicht zur Beitragsleistung von der Arbeiterkammer vertreten werden.

Abgeordneter DOLINSCHEK (B) erinnerte daran, dass er zwölf Jahre lang an einer Änderung der alten Abfertigungsbestimmungen gearbeitet habe. Das Ergebnis, die Abfertigung Neu, habe sich trotz ursprünglicher Widerstände seitens der Wirtschaft als sinnvoll erwiesen, betonte er. Auch gegen die Einbeziehung Selbstständiger in die betriebliche Mitarbeitervorsorge hat er, wie er sagte, keine Einwände. Den geltenden Dienstgeberanteil zur Abfertigung Neu wertete Dolinschek hingegen als "um Etliches zu wenig", er mahnte daher in einem Entschließungsantrag die Erhöhung des Beitrags auf mindestens 2,5 % ein.

Auch Wirtschaftsminister Dr. BARTENSTEIN qualifizierte die Abfertigung Neu als erfolgreiches Projekt. Künftig könnten weitere 500.000 Menschen von der betrieblichen Mitarbeitervorsorge profitieren, skizzierte er. Die Abgeordneten Schatz und Dolinschek erinnerte der Minister daran, dass der Dienstgeberanteil von 1,53 % für die betriebliche Mitarbeitervorsorge auf einem Konsens der Sozialpartner beruhe. Eine Erhöhung dieses Beitrags auf 2,5 % wäre eine Belastung für die Dienstgeber, die nicht ohne weiteres in Kauf genommen werden könne. Die Verteilungsgerechtigkeit in Österreich erachtet Bartenstein als "besser als anderswo".

Abgeordnete STEIBL (V) machte darauf aufmerksam, dass freie DienstnehmerInnen künftig ab dem vierten Krankentag Krankengeld beziehen könnten und ihr Wochengeld nach dem tatsächlichen Einkommen errechnet werde. Im Zusammenhang mit der Flexibilisierung des Kinderbetreuungsgeldes übte Steibl scharfe Kritik an der Arbeiterkammer und meinte, diese solle sich um die Interessen ihrer Mitglieder kümmern und nicht Parteipolitik machen.

Abgeordneter RIEPL (S) hielt fest, es sei eine logische Konsequenz, dass die freien DienstnehmerInnen infolge ihrer Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung und in die betriebliche Mitarbeitervorsorge Arbeiterkammer-zugehörig werden. An den Wirtschaftsminister appellierte er, auf eine Erhöhung der Dienstgeberbeiträge zur Abfertigung Neu hinzuwirken.

Abgeordneter MUCHITSCH (S) begrüßte die vorliegenden Gesetzentwürfe und dankte allen Beteiligten für deren Zustandekommen.

Die Änderung des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes und damit in Zusammenhang stehender Gesetzesänderungen wurde vom Nationalrat einstimmig und damit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen. Der Abänderungsantrag der Grünen blieb in der Minderheit. Ebenfalls einstimmig billigten die Abgeordneten die Änderung des Arbeiterkammergesetzes.

Keine Mehrheit fanden der Entschließungsantrag des BZÖ betreffend Erhöhung der monatlichen Beitragsleistung in der Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbstständigenvorsorge und der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend Interessenvertretung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen. (Schluss Pflege/Forts. NR)