Parlamentskorrespondenz Nr. 857 vom 07.11.2008

Ein Vorkämpfer für Recht und Freiheit

Wien (PK) - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer lud heute aus Anlass des Erscheinens einer von Peter Reichel verfassten Biographie Robert Blums zu einer szenischen Lesung ins Hohe Haus. An der Veranstaltung nahm ein ebenso zahlreiches wie prominentes Publikum teil, darunter auch der Dritte Präsident des Nationalrates Martin Graf.

Prammer verwies auf das heurige Gedenkjahr und meinte, man habe sich bis zur Jahresmitte primär dem Jahr 1938 gewidmet, nun stehe das Jahr 1918 im Mittelpunkt. Dabei erinnerte die Präsidentin an die Republiksausstellung, die kommende Woche eröffnet werde. Auch das Jahr 1848 sei kein unwichtiges für Österreich gewesen, gerade auch, was den Parlamentarismus betreffe.

Seitens des Parlaments wolle man Wissen an die Jugend weitergeben und entsprechende Akzente setzen, denn ein demokratisches Bewusstsein entstehe nicht ohne Geschichtsbewusstsein. Dem Autor beglückwünschte die Präsidentin zu seinem sehr interessanten Buch, das sich viel Erfolg und viele Leser verdiene.

Im Anschluss an die Begrüßung lasen Franziska Singer und Autor Peter Reichel aus dem Buch, Harald Edelbauer sang vormärzliche Lieder und Moritaten über die Revolution von 1848.

Robert Blum (1807-1848)

Robert Blum wird am 10. November 1807 in Köln in bescheidene Verhältnisse hineingeboren, die sich allerdings dramatisch verschlechtern, als sein Vater völlig unerwartet 1815 stirbt. Blum bleibt dadurch eine adäquate Ausbildung versagt und er muss früh arbeiten gehen, um seine Familie zu unterstützen. Er beginnt ein unstetes Wanderleben, stets der Arbeit nachziehend, und so findet er sich 1829 in Berlin wieder.

Dort gelingt es ihm, als außerordentlicher Hörer an der Universität doch noch zu standesgemäßer Bildung zu kommen. In Berlin ist damals die Creme de la Creme der Wissenschaft am Werk, Blum kann bei Friedrich Schleiermacher Theologie, bei Georg Friedrich Wilhelm Hegel Philosophie und bei Leopold von Ranke Geschichte hören. Illuster nimmt sich auch sein Freundeskreis aus. Der Verleger Philipp Reclam, der zukünftige Historikergenius Carl Burckhardt, der Komponist Albert Lortzing und der Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zählen zu seinem engen Umfeld, in dem sich Blums politisches Weltbild formt. Blum beginnt zu schreiben, und seine meisterlichen Miniaturen sind heute noch eine überaus wichtige Quelle zur Geschichte des Vormärz.

1832 tritt Blum in Leipzig eine neue Stelle an. Er wird Theatersekretär, doch erweist sich dieser Beruf rasch als persönliche Sackgasse. Umso mehr stürzte sich Blum, der zwischenzeitlich auch sein privates Glück gefunden hatte, in die politische Aktivität. Rund um den Schillerverein, der dem Andenken des Dichters gewidmet war, rangen Blum und seine Freunde um ein Mehr an Freiheit in einer Ära des Nachtwächterstaates. Als konsequenter nächster Schritt gibt man ab 1840 ein eigenes Presseerzeugnis, die "Vaterlandsblätter" heraus, die schnell zum Sprachrohr der linken Opposition in Sachsen werden. Blum spielt dabei eine derart zentrale Rolle, dass man bald allgemein vom "Blum-Kreis" spricht.

Blum geht 1843 noch einen Schritt weiter. Mit Fallersleben, Georg Herwegh und anderen gründet er den "Vorwärts", der unter dem Motto steht: "Partei, Partei, wer sollte sie nicht nehmen". Dieser Satz entstammt einem Gedichte Herweghs, das mit den Worten endet: "Nur offen, wie ein Mann: für oder wider, und die Parole Sklave oder frei. Selbst Götter stiegen vom Olymp hernieder und kämpften auf der Zinne der Partei."

Damit beginnt Blum freilich die Grenzen des damals Möglichen zu sprengen. Mehrmals kommt er mit der Justiz in Konflikt, lernt Kerker von innen kennen. 1845 werden die "Vaterlandsblätter" verboten, was von der Opposition zu Recht als "Kriegserklärung gegen die öffentliche Meinung" gebrandmarkt wird. Blum bleibt in der Offensive, bewirbt sich um ein Stadtratsamt und wird auch glatt gewählt. Allein, die herrschaftlichen Stellen verweigern der Wahl die Anerkennung. Blum kündigt derweilen nach 15 Jahren endlich den fruchtlosen Posten als Theatersekretär und macht sich im Sommer 1847 als Buchhändler selbständig.

Die Ereignisse vom Frühjahr 1848 kommen zwar lange ersehnt, letztlich aber doch überraschend. Ausgehend von Paris breitet sich die revolutionäre Stimmung rasch in ganz Europa aus und erfasst auch Berlin, Wien und Leipzig. Und abermals befindet sich Blum inmitten der Geschehnisse. Die Leipziger wählen in mit großer Mehrheit ins Vorparlament und schließlich auch in die Nationalversammlung, die in der Frankfurter Paulskirche tagen wird. Dort etabliert sich Blum als einer der wesentlichen Sprecher der Linken.

Im Oktober 1848 kommt es in Wien zu einer zweiten Welle der Revolution. Der Kaiser flieht ins mährische Olmütz (Olomouc), die Bürger übernehmen die Macht in der Stadt. Frankfurt steht dieser Entwicklung voller Anteilnahme gegenüber und entsendet eine Parlamentarierdelegation unter Blums Leitung nach Wien, um den dortigen Revolutionären beizustehen. Am 17. Oktober trifft sie in Wien ein, und Blum ist begeistert von der Stadt und ihren Bürgern. "Wien ist prächtig, herrlich, die liebenswürdigste Stadt, die ich je gesehen, dabei revolutionär in Fleisch und Blut. Die Leute treiben die Revolution gemütlich, aber gründlich", schreibt er seiner Frau nach Leipzig.

Doch es bleibt keine Zeit für Hochgefühl, schon am 20. Oktober erklärt der kaiserliche Feldmarschall von seinem Lager im mährischen Lundenburg (Breclav) aus der Stadt den Krieg. Fünf Tage später steht er mit seinen Truppen vor den Toren Wiens und fordert die bedingungslose Kapitulation binnen 24 Stunden. Die Revolutionäre geben nicht klein bei, tags darauf beginnt der Kampf. Blum führt eine Kompanie gegen den reaktionären Feind und hält sich, übereinstimmenden Quellen zufolge, bravourös. Doch nach zwei Tagen, in denen Blums Truppe die Angriffe der Kaiserlichen in Nußdorf abwehrt, geht Blums Leuten die Munition aus. Auch sinkt seitens des Bürgertums die Kampfmoral, sodass am 28. Oktober erste Rufe nach Kapitulation laut werden. Nur die Arbeiter und die Studenten stehen noch auf der Schanze und wehren die Angriffe der Reaktion weiter ab.

Am 30. Oktober resigniert auch Blum. "Die Schlacht ist verloren, das boshafte Glück hat uns geäfft", schreibt er resigniert nach Leipzig. Am Nachmittag des 31. Oktober erteilen die Kaiserlichen den Revolutionären den finalen Schlag. Stundenlang steht die Innenstadt unter massivem Artilleriebeschuss. Die Kanonen werden auf die Stallburg ausgerichtet, in welcher der Reichsrat tagt, wobei in Kauf genommen wird, dass Teile der Hofburg - so die Nationalbibliothek - und die Augustinerkirche in Flammen aufgehen.

Am 1. November ist alles vorbei. Am Stephansdom weht wieder die Flagge Habsburgs, das revolutionäre Banner ist eingeholt. Tausende Wiener werden verhaftet, die Standgerichtsbarkeit beginnt mit ihrer blutigen Arbeit. Blum wähnt sich nicht in Gefahr, er meint, seine parlamentarische Immunität schütze ihn. Doch den Kaiserlichen gilt diese nichts, am 4. wird er arretiert, wogegen förmlicher Protest erhoben wird. Auch innerhalb der Kaiserlichen ist man sich der Sache so sicher nicht. Die Gemäßigten plädieren für eine Ausweisung Blums zur Vermeindung diplomatischer Schwierigkeiten, die Falken jedoch treten dafür ein, "den hervorragendsten unter den deutschen Anarchisten" hinrichten zu lassen.

Blum ahnt im Kerker nichts von der Gefahr, schreibt seiner Frau noch, er hoffe, mit ihr am 10. November seinen Geburtstag feiern zu können. Am 8. November wird Blum zwei Stunden verhört, am Morgen des 9. November um 5 Uhr geweckt. Man verliest ihm sein Todesurteil, mit dem er nicht einmal ansatzweise gerechnet hatte.  Blum sei schuldig, heißt es in dem Urteil, mit seinen Reden zum Aufruhr angestiftet und an diesem in der Folge aktiv teilgenommen zu haben. Man gesteht ihm noch das Abfassen dreier Abschiedsbriefe zu, dann wird er, 18 Stunden vor seinem 41. Geburtstag, in die Brigittenau gefahren, wo er am dortigen Schießplatz erschossen wird. Mit ihm ermordet Habsburg in den folgenden Tagen zahllose weitere Revolutionäre.

Der Justizmord an Blum ist der Auftakt zu einer heldenähnlichen Verehrung des Politikers und Revolutionärs. Ferdinand Freiligrath verfasst eine Ballade über ihn, die "Deutsche Reichstagszeitung" spricht von kaltblütiger Ermordung, und das Parlament verurteilt feierlich das Habsburgsche Verbrechen. Es erscheinen Gedenkpostkarten, Broschüren und Erinnerungen an Blum, zehntausende gedenken seiner anlässlich seiner Beerdigung Ende November in Leipzig, indem sie seinem Sarg auf Blums letzten Weg folgen.

Jahrzehnte lang war Blum eine Ikone des fortschrittlichen Lagers, der immer wieder auf´s Neue gedacht wurde, ehe neue Märtyrer, die das Volks zu beklagen hatte - man denke an Liebknecht, Luxemburg oder Eisner -, Blum allmählich in den Hintergrund rückten. Dennoch ist er bis heute ein Blutzeuge für Freiheit und Volksherrschaft, sein Schicksal Mahnung gegen jedes Aufkeimen von Tyrannei.

Leben und Wirken Robert Blums hat Peter Reichel in einer ebenso informativen wie packenden Biographie festgehalten, die im Verlag "Vandenhoeck & Ruprecht" erschienen ist. Sie umfasst 232 Seiten und ist um 19 Euro 90 im Buchhandel erhältlich. (Schluss)

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie - etwas zeitverzögert - auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at