Parlamentskorrespondenz Nr. 878 vom 21.11.2008

88 Jugendliche aus Vorarlberg erobern das Parlament

Wien (PK) – Es scheint ein typischer Tag im Parlament zu sein. Die Regierung hat zwei Gesetzesvorlagen vorgelegt, die zunächst in den Klubs und dann in den zuständigen Ausschüssen diskutiert werden. Es geht darum, Maßnahmen gegen die zunehmende Kinderarmut in Österreich zu setzen. Die Diskussion ist lebhaft und kontroversiell, nicht alle sind mit den Vorschlägen der Regierung einverstanden.

Was auf den ersten Blick nach parlamentarischer Alltagsroutine ausschaut, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als vollkommenes Gegenteil. Nicht nur, dass es lediglich vier Klubs mit äußerst ungewöhnlichen Parteifarben – gelb, weiß, türkis und violett – gibt, die Abgeordneten sehen auch ausgesprochen jung aus. Kein Wunder, handelt es sich bei ihnen doch um Schülerinnen und Schüler aus Vorarlberg. Insgesamt 88 Jugendliche sind ins Hohe Haus gekommen, einmal einen Tag lang PolitikerIn zu sein.

Die SchülerInnen, die am Rahmen des Jugendparlaments 11/08 teilnehmen, kommen vom Bundesgymnasium Dornbirn, der HTL Rankweil und der HAK Bregenz. Sie sind nun aufgefordert, zu den beiden fiktiven Regierungsvorlagen in ihren jeweiligen Klubs Positionen zu erarbeiten und dafür in weiterer Folge in Ausschüssen bzw. im Plenum Mehrheiten zu suchen. Sollen wirklich nur jenen bedürftigen Kindern Zuschüsse für die Teilnahme an Schulveranstaltungen wie Skikursen, Sport- und Projektwochen gewährt werden, die das vorangegangene Schuljahr mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen haben? Sind 500 € Förderung ausreichend oder angesichts der Budgetsituation in Österreich vielleicht schon zu viel? Und was soll die vorgesehene Verfassungsbestimmung, die Kindern und Jugendlichen das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard einräumt, bewirken?

Zur Unterstützung ihrer Arbeit stehen den Jugendlichen den ganzen Tag über Abgeordnete und MitarbeiterInnen des Parlaments zur Seite. So helfen etwa Lisa Hakel (S), Silvia Fuhrmann (V), Christian Höbart (F), Gerald Grosz (B) und Tanja Windbüchler-Souschill (G) bei der Formulierung von Abänderungsanträgen und der Suche nach Kompromissen. Daneben müssen auch noch Reden für die Plenarsitzung vorbereitet werden. Und vor der Tür wartet ein junges Reporterteam, das mit der Berichterstattung über das Jugendparlament beauftragt wurde und Interviews haben will.

Um den Parlamentstag so realitätsnah wie möglich zu gestalten, wird die Plenarsitzung am Nachmittag von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer geleitet. Überdies ist geplant, die Debatte live ins Internet zu übertragen und ein Stenographisches Protokoll zu erstellen. Ein erstes Kennenlernen mit der Nationalratspräsidentin haben die SchülerInnen bereits hinter sich – gleich in der Früh stand ein gemeinsames Fotoshooting am Programm.

Schon am Vortag hatten die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, das Parlament bei einer Führung kennenzulernen. Darüber hinaus stand ihnen Bundesratspräsident Jürgen Weiss für Fragen zur Verfügung. Weiss erklärte den SchülerInnen unter anderem, in welcher Form der Bundesrat an der Gesetzgebung mitwirkt, was ein Abgeordneter an einem Plenartag so alles zu tun hat und warum auf dem Parlamentsdach ein Fertigteilhaus steht.

Ziel des zweimal jährlich stattfindenden Jugendparlaments ist es, bei den Jugendlichen Interesse für demokratische Entscheidungsprozesse zu wecken und ein vertieftes Verständnis für parlamentarische Abläufe zu vermitteln. Im Hinblick auf die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 werden abwechselnd Schulklassen der 9. und 10. Schulstufe eingeladen, und zwar jeweils aus jenem Bundesland, das gerade den Vorsitz im Bundesrat inne hat. Im kommenden Jahr sind Schulklassen aus Wien an der Reihe.

Jugendparlament: Soziale Grundrechte für Kinder und Jugendliche

Die Jugendlichen nahmen ihre Arbeit als Abgeordnete sehr ernst. Das bewiesen sie sowohl in den beiden Ausschusssitzungen als auch im Plenum. Meinung prallte auf Gegenmeinung, es wurde inhaltlich argumentiert und um Kompromisse gerungen. Wie im realen Parlament zogen sich die Jungabgeordneten in ihre Klubs zu Beratungen zurück und sandten ihre SprecherInnen aus, um mit anderen Klubs über gemeinsame Abänderungsanträge und Entschließungsanträge zu verhandeln.

Beschlossen wurde schließlich eine Novelle des Bundes-Verfassungsgesetzes, mit dem das "Recht auf einen angemessenen Lebensstandard von Kindern und Jugendlichen" gesetzlich festgeschrieben wird. Darüber hinaus einigte man sich auf einen Entschließungsantrag, worin die Verankerung des Rechts auf Bildung in der Bundesverfassung sowie eine umfassende Reform des Schulsystems gefordert wird.

Ein weiterer Beschluss betraf das Schülerbeihilfengesetz, das eine finanzielle Unterstützung bedürftiger SchülerInnen hinsichtlich der Teilnahme an Schulveranstaltungen vorsieht.

Die Präsidentin des Nationalrats Barbara Prammer sagte den engagierten JungparlamentarierInnen zu, Ihre Beschlüsse und Anregungen an die zuständigen Ausschüsse des Nationalrats weiterzuleiten. (Schluss)

HINWEIS: Fotos vom Jugendparlament finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at

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