Parlamentskorrespondenz Nr. 16 vom 19.01.2009
Wie viel darf Architektur der öffentlichen Hand wert sein?
Wien (PK) – Die Architektur stand heute im Mittelpunkt einer Veranstaltung im Parlament, zu der Nationalratspräsidentin Barbara Prammer gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Architektur (ÖGFA) eingeladen hatte. Ergänzend zur Präsentation der Zeitschrift "UmBau 24" und der Vorstellung des Siegerprojekts für den Umbau des Nationalratssitzungssaals durch den Architekten Andreas Heidl diskutierten Heidl, BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner und der Historiker Siegfried Mattl über Architektur und Repräsentation.
Thema dabei war auch der kürzlich von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer verkündete vorläufige Baustopp für den Parlamentsumbau. Moderator Christian Kühn, Studiendekan der TU Wien, bedauerte, dass man sich hier auf eine Warteposition zurückgezogen habe, weil man offensichtlich glaube, ansonsten unter "Verschwendungsverdacht" zu stehen. Überhaupt ortet Kühn seitens der öffentlichen Hand die Tendenz, die Budgetmittel von der "Hardware" zur "Software" zu verlagern und bei der Architektur und beim Bau zu sparen. BIG-Geschäftsführer Gleissner hielt dazu fest, gute Architektur bringe einen Mehrwert, der vermittelt werden müsse. Er gestand aber zu, dass der Sparstift eine zunehmende Rolle spiele.
Siegfried Mattl stellte generell in Frage, inwieweit ein Parlament ein Repräsentationsbau sein müsse und tatsächlich so etwas wie ein Image brauche. Wenn man das Parlament betrete oder sich die Parlaments-Website anschaue, habe man das Gefühl, es handle sich um einen Konzern, meinte er. Für ihn sind etwa allein schon Überlegungen, wie man den Umbau am besten verkaufen könne, ein Zeichen der Schwäche des gegenwärtigen Parlamentarismus.
Parlamentsdirektor Georg Posch, der in Vertretung von Prammer die Gäste begrüßte, äußerte zu Beginn der Veranstaltung die Hoffnung, dass die von politischer Seite verordnete "Nachdenkpause" in Bezug auf den Umbau des Nationalratssitzungssaals so kurz wie möglich sein wird. Alle, die an der Umsetzung des Projekts arbeiteten, seien von der Notwendigkeit der Instandsetzung nach wie vor überzeugt, betonte er und wies darauf hin, dass bereits 1999 die erste Mängelliste erstellt worden sei. Zur heutigen Veranstaltung hielt Posch fest, es sei mittlerweile schon Tradition des Parlaments, abseits der Gesetzgebung und der Kontrolle der Regierung als Diskussionsplattform für wichtige gesellschaftspolitische Themen zu fungieren.
Robert Temel, Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Architektur, stellte die 24. Ausgabe der Architekturzeitschrift UmBau vor. Eines der Schwerpunktthemen des aktuellen Hefts ist Transparenz in der Architektur. Beim Begriff Transparenz handle es sich um einen Schlüsselbegriff der architektonischen Moderne, betonte Temel, wobei sich der Begriff zwischen den Polen Emanzipation und Kontrolle bewege. Es gehe um die Durchschaubarkeit von Prozessen auf der einen und den gläsernen Menschen auf der anderen Seite.
Im zweiten Teil befasst sich das insgesamt mehr als 150 Seiten starke Heft mit dem Wiener Wohnbau. Es enthält unter anderem ein Interview mit Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und eine Analyse der gegenwärigen Förderungspraxis. Zudem werden vier aktuelle Wohnbau-Beispiele, die unterschiedliche Positionen markieren, präsentiert. "Nachrufe" sind unter anderem der zum Teil bereits abgerissenen "Stadt des Kindes" im 14. Wiener Gemeindebezirk und den traditionellen Wiener Würfeluhren gewidmet. Ein Fotoessay von Sabine Bitter und Helmut Weber sowie zwei Beiträge zur Thema Architekturforschung ergänzen die aktuelle UmBau-Ausgabe.
"UmBau" wird von der ÖGFA in Kooperation mit der Abteilung für Architekturtheorie an der Technischen Universität Wien herausgegeben. Die Zeitschrift, die heuer ihr 30-jähriges Jubiläum feiert, will sich laut Eigenverständnis nicht auf die zeichnerische und bildliche Präsentation von Architektur beschränken, sondern Hintergründe und Zusammenhänge sichtbar machen.
Heidl: Neugestaltung des Sitzungssaals war enorme Herausforderung
Bei der Präsentation des Siegerprojekts des Architektur-Wettbewerbs zum Umbau des Nationalratssitzungssaals wies Architekt Andreas Heidl darauf hin, dass es eine enorme Herausforderung gewesen sei, den Sitzungssaal des Nationalrats, der für sich ein bedeutsames architektonisches Werk im "Gesamtkunstwerk" Parlament ist, neu zu gestalten. Noch dazu, wo es enge denkmalschützerische Vorgaben gegeben habe.
Sein Büro habe sich, so Heidl, für eine Transformation des Saales entschieden und versucht, vorhandene Defizite durch neue Konstruktionen zu kompensieren. So soll ihm zufolge etwa die weiße Lasierung des Holzes die Personen im Raum sichtbarer machen. Durch die zurückgenommene Galerievorderkante sollen die Sichtkurven verbessert werden und der Saal großzügiger wirken. Außerdem werden durch die Teilung der Regierungsbank und Niveauänderungen Redner und Regierungsmitglieder künftig in Augenhöhe miteinander kommunizieren.
Heidl verwies darüber hinaus darauf, dass nur in eine Richtung durchscheinende Elemente Durchblicke vom Couloir in den Saal ermöglichen werden, ohne die Personen im Saal abzulenken. Überdies wird durch ein transparentes Dachelement der Blick auf die Quadrigen am Dach vom Saal aus frei. Geplant ist auch die Einrichtung eines Besucherfoyers unter dem Sitzungssaal, von wo aus man mit zwei Liften auf die Besuchergalerie gelangen wird. Dort könnte neben einem Informationspult auch ein kleines Cafe eingerichtet werden.
Kühn: Erwartungen an Architektur haben sich geändert
Bei der anschließenden Diskussionsrunde zum Thema Architektur und Repräsentation ging es unter anderem um die Frage, welche Anforderungen an Bauten der öffentlichen Hand heute gestellt werden. Diskussionsleiter Kühn meinte in seinem Einleitungsstatement, dass in den Erwartungen an die Architektur heute allgemein der Aspekt der Repräsentation zugunsten neuer Anforderungen zurücktrete: Funktionalität, Transparenz und Kostengünstigkeit. Der letztlich ausgewählte Entwurf für den Nationalratssitzungssaal zeige eine sehr gelungene Lösung dieser Fragen.
Architekt Andreas Heidl erklärte, der Entwurf seines Büros habe sich darauf konzentriert, die besten Rahmenbedingungen für das Funktionieren einer Institution zu schaffen, die das gesprochene Wort in den Mittelpunkt stelle. Daher habe man sich bemüht, durch die Architektur die Person hervorzuheben und eine Überbetonung der heute unumgänglich notwendigen technischen Einrichtungen zu vermeiden.
Siegfried Mattl sah grundsätzlich viel Positives an der Veränderung der Raumsituation des Sitzungssaals durch die Umgestaltung. So werde die bisherige Überhöhung der Regierungsbank beseitigt. Kritisch hinterfragte er, ob die Forderung nach Transparenz nicht eine architektonische Formensprache begünstigt habe, welche dem politischen Charakter des Geschehens im Haus nicht immer angemessen sei, da sie zu sehr das "Spektakel" betone. Allerdings stelle sich die Frage, inwieweit heute überhaupt eine Öffentlichkeit denkbar sei, die als Gesamtheit durch repräsentative Architektur angesprochen werden könnte.
Wolfgang Gleissner für die BIG betonte, es sei nicht zuletzt darum gegangen, einen zeitgemäßen Arbeitsplatz für die Abgeordneten zu schaffen. Es seien dabei sehr viele Vorgaben zu erfüllen gewesen, was auch ein sehr kompliziertes Ausschreibungs- und Bewertungsverfahren nach sich gezogen habe.
Im Rahmen der Publikumsdiskussion wurde aus dem Saal in Frage gestellt, ob das Aussetzen des Umbauprojekts für den Sitzungssaal in der derzeitigen Situation tatsächlich das richtige Signal sei. Die Frage, wann an den Beginn der Arbeiten gedacht sei, beantwortete Gleissner dahingehend, das sei ihm nicht bekannt. Man gehe weiterhin von zwei Jahre Planungsstadium und zwei Jahre Bauzeit bei einem Kostenrahmen von 17 Mio. € aus. (Schluss)
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at