Parlamentskorrespondenz Nr. 27 vom 22.01.2009

Die Arbeit ist wieder Sache des Sozialministers

Nationalrat ordnet die Kompetenzen der Ministerien neu

Wien (PK) – Mit der Neuordnung der Zuständigkeiten der Ministerien begann heute, im Anschluss an die Fragestunde mit dem Bundeskanzler, der Nationalrat seine Beratungen. Auf der Tagesordnung stand ein entsprechender Antrag der Koalitionsfraktionen, der u.a. die Kompetenz für die Arbeitsmarktagenden wieder dem Sozialressort zuordnet. Im Jahr 2000 waren sie vom Sozial- ins Wirtschaftsministerium verschoben worden. Im Gegenzug wird der Wirtschaftsminister in Hinkunft für die Agenden Jugend und Familie zuständig sein.

Vor Eingang in die Tagesordnung teilte die Vorsitz führende Präsidentin Mag. PRAMMER mit, dass zwei Anträge auf Durchführung von Kurzdebatten zu Anfragebeantwortungen eingebracht wurden (175/AB und 182/AB); die erste Kurzdebatte findet um 15 Uhr statt, die zweite im Anschluss an die erste.

Als erster Redner zum Bundesministeriengesetz konstatierte Abgeordneter Mag. STEFAN (F), die Kompetenzverteilung symbolisiere das Herangehen der Regierung an ihre Aufgaben. Kritisch wandte er sich gegen die Überleitung der Familien- und Jugendkompetenzen in das Wirtschaftsressort, zumal es im Familienbereich "Handlungsbedarf" gebe und diese Materie besser in einem eigenen Ministerium angesiedelt wäre. Wegen der Zuständigkeit von zwei Ressorts (Infrastruktur und Wissenschaft) für Forschungsagenden befürchtete der Redner eine Schwächung der Forschung. Der Sport wäre bei der Bildung besser aufgehoben, meinte Stefan und bezeichnete die Zuständigkeit des Verteidigungsministers für Sportagenden wörtlich als "Unfug".

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) machte dem gegenüber geltend, mit der neuen Ressortverteilung habe man die Ziele Sparsamkeit und Synergie im Auge gehabt. So sei es vernünftig, die Sozial- und die Arbeitsmarktagenden wieder zusammen zu führen. Für das Thema Familie gebe es im Wirtschaftsministerium ein eigenes Staatssekretariat. Sport sei eigentlich Landessache, meinte Wittmann weiter, man achte auf die Autonomie des Sports und wolle keinen "Staatssport", sondern Sport und Staat weiter getrennt halten.

Abgeordneter Mag. STADLER (B) nutzte seine Wortmeldung zunächst zu einem Appell an Präsidentin Prammer, die Sanierung des Sitzungssaals voranzubringen. Anlass dafür bot eine undichte Stelle am Glasdach, durch die über Nacht Regenwasser eingedrungen war.

Stadler bestritt, dass die Regierung, wie vor der Wahl versprochen, verkleinert worden sei; zwar gebe es zwei Staatssekretäre weniger – aber die seien keine Regierungsmitglieder. Man habe zudem neue Verwaltungseinheiten geschaffen, "parteipolitische Umfärbe-Aktionen" und Umbesetzungen vorgenommen. Scharf wandte sich Stadler gegen angebliche Absichten von Sportminister Darabos, jegliches Dopingvergehen – bis hin zur Benutzung von Nasivin – zu kriminalisieren. Insgesamt sei das Bundesministeriengesetz nicht dazu angetan, Vertrauen zu schaffen, fasste der Redner zusammen.

Vom Vorsitz aus replizierte Präsidentin Mag. PRAMMER zum Thema Sanierung des Sitzungssaals, sie habe die Umbaunotwendigkeit nie bestritten, sondern immer daran gearbeitet. Die Unterstützung mancher Fraktionen sei allerdings "endenwollend" gewesen. Derzeit sei eine Erhebung der Baumängel im Gang; sie erwarte für das Sanierungsvorhaben die breite Unterstützung der Abgeordneten, betonte Präsidentin Prammer.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) sagte diese Unterstützung umgehend zu: "Ja, wir stehen zu diesem Umbau", betonte er. Betriebe, die ähnliche Mängel aufwiesen, würden von der Arbeitsinspektion gesperrt.

Auf das Bundesministeriengesetz bezogen meinte Molterer, nach den Wortmeldungen der Opposition gewinne man den Eindruck, dass die Regierung zu klein sei. Über die Zuordndung des Sports lasse sich diskutieren; "nicht mit uns" skizzierte Molterer die Haltung seiner Fraktion zur strafrechtlichen Verfolgung jeglicher Art von Doping. Bei der Zusammenführung von Wirtschafts- und Familienagenden habe man das Ziel im Auge, die Wirtschaft familienfreundlicher und nicht die Familien wirtschaftsfreundlicher zu machen. Angesichts der Erwartung, dass die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in der laufenden Legislaturperiode zu den "Sorgenkindern" zählen werde, sei zu hoffen, dass die neue Kompetenzverteilung richtig ist. In Sachen Forschung sei wichtig, dass die Entscheidungen mit einer Stimme bei der Forschung ankommen.

Die Regierung sei nicht zu klein, vielmehr seien die Prioritäten falsch gesetzt, urteilte Abgeordnete Mag. MUSIOL (G). So gebe es für das Thema Energie, trotz des notwendigen ökosozialen Umbaus des Wirtschaftssystems, keine eigene Zuständigkeit. Das Thema Umwelt bleibe weiter ein "Anhängsel" der von Klientelpolitik gekennzeichneten Landwirtschaftskompetenz. Die Ansiedlung eines Familienstaatssekretariats im Wirtschaftsressort fand Musiol in Ordnung; allerdings sei die Familienpolitik von massiver Ungleichbehandlung gekennzeichnet.

Musiol machte das an einem Vergleich deutlich: Eine alleinerziehende Mutter mit einem fünfjährigen Kind und einem Bruttoeinkommen von 1.100 Euro profitiere von den ins Auge gefassten Maßnahmen für die Familien in Höhe von knapp 200 Euro jährlich. Ein Elternpaar mit einem fünfjährigen Kind und einem Einkommen von 6.000 plus 4.000 Euro lukriere aus diesen Maßnahmen jährlich über 3.500 Euro. "Wo ist ihr soziales Gewissen?", fragte Musiol in Richtung der Koalitionsfraktionen.

Staatssekretär Dr. OSTERMAYER sah in der geplanten Kompetenzverteilung eine taugliche Grundlage zur Umsetzung des Regierungsprogramms, wenn sich darüber auch "trefflich streiten" lasse. In Europa sei der Sport sehr unterschiedlich zugeordnet, in der Schweiz – wie in Österreich – dem Verteidigungsressort. In Richtung Abgeordnetem Stadler stellte der Staatssekretär klar, dass jedenfalls "die Anzahl der Personen auf der Regierungsbank" verringert worden sei. Die Notwendigkeit, Themen zusammen zu fassen, führe dazu, dass auch für wichtige Themen kein eigenes Ministerium zuständig sei. Zum Thema Forschung stellte Ostermayer klar, dass für die Grundlagenforschung nunmehr ein einziges Ressort – Wissenschaft – zuständig sei; bei der angewandten Forschung habe sich die Teilung der Zuständigkeit bewährt.

Trotz des Zusammenziehens von Agenden sei sicher gestellt, dass allen wichtigen Themen Aufmerksamkeit gewidmet werde, stellte Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) fest. Es gebe klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten; der "Kompetenzball" solle möglichst wenig herumgeschoben werden. Es gehe darum, dass die Verwaltung einfach und schlüssig sei und dass Interessenkonflikte vermieden werden.

Ihm sei "das Grauen" gekommen, als er von der Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums für die Familienagenden Kenntnis erhalten habe, erklärte Abgeordneter HÖBART (F). Dies dokumentiere ein sehr geringes Interesse am Thema Familie, und er könne sich nicht vorstellen, dass sich dabei jemand etwas gedacht habe. Dass die Themen Jugend und Familie bloß ein "Wurmfortsatz" sei, ergebe eine fatale Optik, sagte Höbart und übte heftige Kritik an der früheren Familienministerin Kdolsky.

Die Vorsitz führende Präsidentin Mag. PRAMMER erteilte Höbart dafür einen Ordnungsruf: wegen der Kritik an einem Mitglied einer frühren Regierung und weil er nicht zum Thema gesprochen habe. Außerdem ermahnte sie den Mandatar, sich einer sorgfältigeren Wortwahl zu befleißigen.

Abgeordneter DONABAUER (V) zeigte sich überzeugt davon, dass diese Regierung ihr Bestes geben und nach den Prinzipien der Sparsamkeit und der Zweckmäßigkeit agieren werde. Man sei gut aufgestellt für die Herausforderungen, die auf das Land zukämen. So sei etwa die Energiepolitik im Wirtschaftsressort gut aufgehoben, der Wirtschaftsminister und sein Vorgänger hätten hier Hervorragendes geleistet. Ähnliches gelte für die Umweltpolitik. Dieses Ministeriengesetz biete ergo eine gute Grundlage für die kommende Arbeit, unterstrich der Redner. Es gehe um entscheidende Fragen für unser Land, weshalb alle an der Zukunft dieser Republik mitwirken sollten.

Abgeordnete HAUBNER (B) kritisierte den mangelnden Einsparungswillen, der aus dieser Novelle des Ministeriumsgesetzes spreche. Suboptimal sei konkret die Zersplitterung des Generationenaspekts. Senioren, Familien, Frauen, all diese Themen ressortierten in unterschiedlichen Ministerien, was konkrete Politik für die Bevölkerung sicherlich nicht erleichtern werde. Mithin sei also diese Novelle Ausdruck einer Politik, die nicht funktioniere, meinte die Rednerin, die dann beispielhaft Bereiche ansprach, in denen es ihrer Ansicht nach Defizite gebe. Die Rednerin brachte einen Entschließungsantrag betreffend Arbeit in freiwilligen Organisationen wie Freiwillige Feuerwehren und Hilfsorganisationen ein.

Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) meinte, durch die Verkleinerung der Bundesregierung werde bereits eine Spargesinnung zum Ausdruck gebracht. Auch die Sozialpartnerschaft finde ihren Platz in dieser Regierung, was in schwierigen Zeiten fraglos der richtige Weg sei. Die Kritik der Opposition verfange vor diesem Hintergrund nicht, wie im übrigen das Gemeinsame vor das Trennende gestellt werden sollte.

Abgeordneter BROSZ (G) erklärte, er habe eine ambivalente Haltung zu der Entscheidung, den Sport dem Verteidigungsressort zuzuordnen. Ihm würde es besser gefallen, wenn diese Notwendigkeit nicht gegeben wäre, andererseits sei die vom Minister geplante Bündelung der Sportförderung ein vielversprechender Ansatz. Schließlich äußerte sich der Redner noch zu den beiden Themen Breitensport und Doping.

Abgeordneter Dr. SONNBERGER (V) vertrat die Ansicht, es sei nicht entscheidend, wo die Aufgaben zugeteilt seien, sondern wie sie erfüllt würden. Hier gelte es, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um die getroffenen Entscheidungen auch optimal umsetzen zu können. So sei etwa die Steuerreform ein Schritt in die richtige Richtung. Er ersuche daher um Zustimmung zu dieser Vorlage, schloss der Redner.

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) hielt fest, dass er noch keine Regierung erlebt habe, die von sich nicht geglaubt habe, das Beste zu wollen und zu tun. Ob und inwieweit ihr dies gelinge, werde aber vom Wähler beurteilt. Ein Ministerium für Familie, Jugend und Sport wäre sinnvoller gewesen als jene Variante, zu der die Regierung gegriffen habe, meinte der Redner. Weiters plädierte der Redner für die Einrichtung einer Verwaltungseinheit zur Wahrung der Sicherheit im staatlichen IT-Bereich. Diese für die nationale Sicherheit so evident wichtige Frage sollte durch einen eigenen Staatssekretär in Angriff genommen werden, schloss Fichtenbauer.

Abgeordneter SINGER (V) zeigte sich mit der vorliegenden Novelle überaus zufrieden und setzte sich sodann mit dem Breitensport und mit den Freiwilligenorganisationen auseinander.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) erklärte, er könne den Stopp des Umbaus des Plenarsaals im Lichte der genannten Begründung nicht nachvollziehen, vielmehr bräuchte man genau jetzt öffentliche Investitionen. Vor allem hätte er sich eine Diskussion zum Thema gewünscht, da es in diesem Zusammenhang Punkte gebe, die gleichfalls einer Lösung harrten, sodass man rasch mit Konjunkturmaßnahmen reagieren könnte, die sich positiv auf die Arbeitsbedingungen aller, die im Hohen Haus tätig seien, auswirken würden.

Sodann befasste sich der Redner mit der Forschungspolitik, wo er für eine Bündelung der Kompetenzen dieses Bereichs im Wissenschaftsministerium eintrat. In diesem Sinne brachte Graf auch einen eigenen Entschließungsantrag ein. Abschließend plädierte Graf auch für eine Bündelung der Ausschuss-Arbeit im Hohen Haus. Derzeit habe man zu viele Ausschüsse, es wäre wohl effizienteres Arbeiten möglich, würde man die Kompetenzen hier mehr konzentrieren.

Abgeordnete Mag. AUBAUER (V) sagte, es komme nicht auf die Größe der Regierung an, sondern auf die Qualität ihrer Arbeit. Man stehe vor einer Vielzahl von Problemen, und diese Regierung werde mit den neuen Strukturen in der Lage sein, diese zu lösen, wie sich bereits aus ihrem bisherigen Arbeiten ablesen lasse. Sodann ging die Rednerin auf die Seniorenpolitik ein.

Abgeordnete KITZMÜLLER (F) brachte einen Entschließungsantrag betreffend Einrichtung eines Ministeriums für Familien, Jugend, Frauen und Männer ein, sei eine Bündelung der diesbezüglichen Kompetenzen doch wesentlich erfolgversprechender als die derzeit vorhandene Zersplitterung. Weiters fokussierte die Rednerin auf einzelne Aspekte der Familienpolitik.

Abgeordnete GARTELGRUBER (F) kritisierte, dass die Frauenministerin auch in Zukunft kein eigenes Ressort haben werde, sondern Ministerin im Bundeskanzleramt bleibe. Damit könne Sie etwa die finanzielle Absicherung von Fraueninitiativen nicht von sich aus garantieren. Gartelgruber sprach sich für eine Zusammenlegung der Kompetenzen für Familie und Frauen aus.

Abgeordneter KUNASEK (F) wies darauf hin, dass zum ersten Mal seit Bestehen der Zweiten Republik dem Verteidigungsministerium mit dem Sport ein zweiter Kompetenzbereich zugeordnet würde. Er äußerte die Vermutung, dass Verteidigungsminister Darabos damit vom Scheitern der Bundesheerreform ablenken und sich im Sport profilieren und sein Image verbessern wolle. Statt "von einem VIP-Zelt zum anderen zu jetten", solle Darabos, so Kunasek, lieber die Truppen besuchen und sich für ein höheres Heeresbudget einsetzen. Die Forderung nach einer Trennung der Sportkompetenzen vom Verteidigungsministerium unterstrich Kunasek mit einem Entschließungsantrag.

Die Novellierung des Bundesministeriengesetzes wurde mit S-V-Mehrheit verabschiedet. In der Minderheit blieben der Entschließungsantrag des BZÖ betreffend Freiwilligenpolitik sowie die Entschließungsanträge der FPÖ betreffend Bündelung der Forschungskompetenzen in einem Ministerium, betreffend Schaffung eines eigenständigen Familienministeriums und betreffend Umbenennung des Landesverteidigungsministeriums. (Fortsetzung)