Parlamentskorrespondenz Nr. 162 vom 04.03.2009

Ministerin Bandion-Ortner präsentiert ihre Pläne

Aktuelle Aussprache im Justizausschuss

Wien (PK) – Eine umfangreiche Tagesordnung erwartete heute die Mitglieder des Justizausschusses, die ihre Sitzung unter Vorsitz von dessen Obmann Heribert Donnerbauer mit einer Aktuellen Aussprache einleiteten. Zum ersten Mal hatten die Abgeordneten Gelegenheit, mit der neuen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner über wichtige Themen ihres Ressorts ins Gespräch zu kommen. In einer über zwei Stunden dauernden Aussprache hatten die MandatarInnen die Gelegenheit, Standpunkte der Ministerin in ihnen wichtigen Fragen ausführlich kennen zu lernen.

Die Vorhaben des Justizressorts im Jahr 2009

Zunächst stellte Justizministerin Claudia Bandion-Ortner Vorhaben ihres Ressorts im laufenden Jahr vor. Zwei Vorhaben sind vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise zu sehen: die Reform des GmbH-Rechts, wo es Erleichterungen für Gründer und eine Herabsetzung des Startkapitals geben soll, und die Reform des Insolvenzrechts, wo die Fortführung von Betrieben erleichtert werden soll. Weiters plant die Ministerin Reformen beim Haupt- und Rechtsmittelverfahren und bei der Laiengerichtsbarkeit im Strafverfahren. Im Korruptionsstrafrecht sollen "Präzisierungen" erfolgen, weil derzeit die Rechtslage vielfach unklar sei und "nicht jede Sponsorleistung gleich kriminalisiert" werden dürfe. Ein besonderes Anliegen ist Bandion-Ortner der Schutz der Kinder; das wissentliche Aufsuchen von Web-Sites mit Kinderpornos soll daher strafbar werden. Den Interessen der Kinder wird auch die Einführung eines Kinderbeistands als "Stimme des Kindes bei Gericht" dienen; ein entsprechendes Pilotprojekt war nach Darstellung der Ministerin erfolgreich. Im Zuge der Familienrechtsreform soll es auch Änderungen beim Unterhaltsvorschuss geben.

Die beabsichtigten Reform dienten dem Ziel, durch Vereinfachung von Abläufen die Kernbereiche der Justiz abzusichern und zu stützen, betonte die Ministerin.

Korruption, Unterhaltsvorschuss und eine Fülle weiterer Fragen

Die Themen Korruptionsstrafrecht und die Regelung von Unterhaltsvorschüssen standen dann im Mittelpunkt von zwei intensiven Fragerunden im Justizausschuss. So plädierte Abgeordneter Ewald Stadler (F), auch aus seiner Erfahrung als Volksanwalt heraus, für eine generelle Unterhaltsbevorschussung, ohne dass betroffenen Frauen endlose Behördenwege zugemutet werden. Auch die Abgeordneten Gisela Wurm, Sonja Ablinger und Elisabeth Grossmann (alle S) sprachen sich für entsprechende Reformen aus.

Justizministerin Bandion-Ortner sah in der Frage nicht primär das Justizressort gefordert; es handle sich dabei vielmehr um eine Frage der Grundsicherung. Dieser Ansicht wurde von Abgeordnetem Stadler mit Hinweis darauf widersprochen, dass es in den meisten Fällen um Zahlungsunwilligkeit (und nicht Zahlungsunfähigkeit) gehe. Die Ministerin bekannte sich aber dazu, dass die Verfahren einfacher werden und rascher gehen müssten.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) sah, im Gegensatz zur Ministerin, in Punkto Korruptionsstrafrecht möglicherweise einen Präzisierungs-, aber keinesfalls einen Änderungsbedarf. Eine Arbeitsgruppe arbeite derzeit an Präzisierungen zu einzelnen Begriffen; es werde ein Paket erstellt, mit dem alle Fragen beantwortet werden sollten. Ziel sei es jedenfalls, "wahre" Korruption zu bekämpfen. Sponsoring sei nicht strafbar, betonte die Ministerin, sah aber in der Causa beträchtliche Unsicherheit gegeben. Auch nach Ansicht des Abgeordneten Peter Fichtenbauer (F) ist das Gesetz, "so, wie es ist, daneben gegangen", weil es auch "erwünschtes Sponsoring" treffe. Abgeordneter Steinhauser wandte sich u.a. entschieden dagegen, dass die Fortbildung von öffentlich Bediensteten von privaten Unternehmen "übernommen" werde.

Abgeordnete Anna Franz (V) thematisierte die Problematik der Geburt eines behinderten Kindes, die rechtlich als "Schaden" bewertet worden sei ("wrongful birth") und fragte nach den Absichten der Ministerin, Vorkehrungen gegen solche Vorkommnisse zu treffen. Abgeordneter Fichtenbauer verwies auf einen von ihm eingebrachten Entschließungsantrag und sprach sich für eine parlamentarische Enquete zu diesem Thema aus. Kunstfehler bei der Geburt sollten davon allerdings nicht berührt sein, betonte Fichtenbauer. Die Justizministerin kündigte eine rechtliche Klarstellung an; diese brauche aber Zeit, zumal es um eine gesellschaftspolitische und ethische Frage gehe.

Abgeordnete Gisela Wurm (S) wollte von der Ministerin erfahren, wie der aktuelle Stand in der Frage der eingetragenen Partnerschaft sei und welche Vorarbeiten bereits vorlägen. Ihre Fraktionskollegin Grossmann appellierte an die Ministerin, auf im Ressort unter Bandion-Ortners Vorgängerin Maria Berger geleistete Vorarbeiten zurück zu greifen, statt "das Rad neu zu erfinden"; Österreich sei in dieser Frage unter den "Schlusslichtern". Abgeordnete Judith Schwentner (G) erkundigte sich ergänzend nach dem Ort, wo diese Partnerschaft rechtsgültig geschlossen werde und erfuhr, dass dies noch nicht geklärt sei. Man sei aber mit der Vorlage bereits "relativ weit", sagte die Ministerin, bis Jahresende werde ein Gesetz auf dem Tisch liegen. Diese Zeit werde benötigt, um die Auswirkungen in eine große Zahl anderer Gesetze berücksichtigen zu können. Es werde eine gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften geben, ein Lebenspartnerschaftsgesetz "mit allen Rechten und Pflichten", aber keine "Ehe light".

Wurm thematisierte in Anknüpfung an einen aktuellen Fall den Schutz der Angehörigen von Opfern bzw. auch von Verdächtigen. In gleichem Sinn äußerte sich auch die Abgeordnete Ridi Steibl (V). Man arbeite bereits an einer Verstärkung des Opferschutzes bzw. an dessen Ausweitung auf Angehörige im Sinn eines Identitätsschutzes, erklärte Ministerin Bandion-Ortner. Davon solle auch das Paparazzi-Unwesen umfasst werden.

Abgeordneter Steinhauser kam in der Fragerunde im Justizausschuss auch auf den Fall des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Georg Aschner zu sprechen. Steinhauser wollte vor allem wissen, wie der aktuelle Stand in der Frage der Begutachtung der Vernehmungsfähigkeit Aschners sei, nachdem ausländische Gutachter entsprechende Aufträge zurückgelegt hätten. Über Österreich liege ein "Schatten der Vergangenheit", weil in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts Österreich seine Hand über Verdächtige gehalten habe, weshalb ein Generalverdacht vorliege. Die Ministerin wies dies zurück: Es sei bedenklich, österreichische Sachverständige unter Verdacht zu stellen. Ein ausländischer Gutachter habe den Auftrag unter Hinweis auf das österreichische Gebührengesetz zurück gelegt; dieses Gesetz gelte auch für ausländische Gutachter, betonte Bandion-Ortner.

Ebenfalls von Abgeordnetem Steinhauser angesprochen wurde die Finanzierung der Bewährungshilfe bzw. des damit beauftragten Vereins Neustart. Das Haftentlastungspaket greife, sagte der Mandatar, es gebe dreimal so viele bedingte Entlassungen. Dies sei aber nur im Zusammenhang mit einer Betreuung sinnvoll; bei der Bewährungshilfe halte diese aber nicht mit den vermehrten Aufgaben Schritt. – Eine Evaluierung des Haftentlastungspakets werde im September vorliegen, sagte die Justizministerin. Sie pflichtete Abgeordnetem Steinhauser bei, dass bedingte Entlassung nur in Verbindung mit Betreuung sinnvoll sei: "Wir werden schauen, dass wir das auch finanziell hinkriegen", versprach sie.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) kam auf die Schädigung vieler Kleinanleger im Fall Meinl zu sprechen und erkundigte sich nach den Möglichkeiten bezüglich der Wirtschaftsstaatsanwaltschaft. – Die Ministerin stellte klar, laufende Verfahren nicht zu kommentieren. Anlegerschutz und Transparenz auf dem Kapitalmarkt seien wichtige Anliegen – dafür sei allerdings das Finanzministerium zuständig.

Auf Fragen des Abgeordneten Johann Maier (S) zur StPO-Reform und der seinerzeit vereinbarten wissenschaftlichen Begleitung sagte die Ministerin, es seien Aufträge an Universitäten vergeben worden. Auch sei zu prüfen, ob bürokratische Vorgänge – wie eine Flut von Verständigungspflichten – in der derzeitigen Form notwendig seien. Außerdem sei die Schnittstelle zwischen Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei sensibel.

Abgeordnete Daniela Musiol (G) erfuhr auf ihre Frage nach Einzelheiten zum Kinderbeistand, dass diese Einrichtung "so bald wie möglich" geschaffen werden solle. Eine Möglichkeit sei, eine Liste entsprechend geeigneter Personen zu erstellen, aus der dann ausgewählt werden könne.

Eine Fülle weiterer Fragen bezog sich auf den Schutz religiöser Werte und Symbole (Stadler, B), die nach Ministerin Bandion-Ortner für alle Religionsgemeinschaften gleich gelten; auf den Übergang vom Haager zum Stockholm-Programm (Maier, S), wofür die Vorbereitungen bereits liefen; auf das Kaprun-Verfahren (Maier, S), bei dem die Staatsanwaltschaft derzeit Anzeigen prüfe und die Ministerin die mediale Veröffentlichung bedauert; der kollektiven Rechtsdurchsetzung (Maier, S), wo es einen Diskussionsprozess gebe; weiter die Frage der Angehörigenvertretung (Franz, V), die auch nach Ansicht der Ministerin einer Neuregelung bedarf; das Sachwalterrecht (Fichtenbauer, F), wo die Frage der Parteistellung naher Angehöriger zu prüfen sei und Fragen im Zusammenhang mit Suchtgiftkriminalität.

Darüber hinaus nutzten einzelne Abgeordnete die Gelegenheit, aktuelle und öffentlich dargestellte Fälle anzusprechen. So übte Abgeordneter Stadler (B) doppelt Kritik in der Causa Althaus: Sowohl in der Geschwindigkeit, mit der das Verfahren erledigt wurde, als auch im Verzicht auf die Anwesenheit des Beschuldigten vor Gericht befürchtete Stadler ein "Germanenprivileg". Die Ministerin betonte, zu einzelnen Strafsachen sich nicht zu äußern und sich nicht einzumischen. Sie verstehe aber im konkreten Fall die Aufregung nicht; denn während sonst Kritik an langsamen Verfahren geübt werde, würde hier ein schnelles Verfahren kritisiert.

Abgeordneter Steinhauser (G) kam auf die Causa des Staatsanwalts Schön zu sprechen, in dem ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs teilweise eingestellt worden sei. Steinhauser äußerte den Verdacht, dass "da jemand gedeckt oder geschützt" werde. Die Ressortchefin äußerte sich dazu ebenso wenig konkret wie zum von Abgeordnetem Fichtenbauer (F) erhobenen Vorwurf gegen einen Staatsanwalt, politische Äußerungen zu kontrollieren. Staatsanwälte prüften strafrechtlich, nicht politisch, betonte Bandion-Ortner.

Abgeordnetem Otto Pendl (S), der auf die Tätigkeit der Beamten im Strafvollzug zu sprechen kam, pflichtete die Ministerin bei: Es sei ihr ein großes Anliegen, in diesem Bereich effizientere Strukturen zu schaffen sowie Abläufe und Image der Bediensteten zu verbessern. (Fortsetzung)