Parlamentskorrespondenz Nr. 245 vom 24.03.2009

Diskussion über Gender Budgeting und EZA im Palais Epstein

Wien (PK) – Die Präsidentin des Nationalrats, Barbara Prammer, lud heute Nachmittag gemeinsam mit dem Wiener Institut für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit (vidc) zur Präsentation einer Studie zum Thema Gender Budgeting und Entwicklungspolitik ins Palais Epstein ein. Der genaue Titel der Studie, die von Katharina Mader, Katharina Muhr, Elisabeth Klatzer und Luise Gubitzer verfasst wurde, lautet "Geschlechtergerechtigkeit und die Rolle der zivilgesellschaftlichen Organisationen unter veränderten Rahmenbedingungen der EZA". Moderiert wurde die Veranstaltung von der Wirtschaftswissenschaftlerin Margit Schratzenstaller (WIFO).

Als Frauenpolitikerin sei es ihr natürlich ein großes Anliegen, dass der Gender Aspekt in den Budgets berücksichtigt wird, unterstrich Nationalratspräsidentin Prammer. Es sei deshalb sehr erfreulich, dass es seit Anfang des Jahres in Österreich die verfassungsrechtliche Bestimmung gibt, wonach die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Haushaltsführung von Bund, Ländern und Gemeinden anzustreben ist. Aufgrund ihrer internationalen Kontakte konnte sie allerdings feststellen, dass Europa in diesem Bereich den Entwicklungen etwa in Lateinamerika nachhinke. Den Kontrollinstitutionen, wie z.B. dem Rechnungshof, komme daher eine große Bedeutung zu, da sie die Umsetzung von Gender Budgeting in die Praxis zu überwachen haben.

Die S-Abgeordnete und Vorsitzende des Unterausschusses für Entwicklungspolitik, Petra Bayr, begrüßte die zahlreichen TeilnehmerInnen und betonte, dass Gender Budgeting nicht nur in der Entwicklungspolitik ein wichtiges Instrument sei, sondern in allen Politikbereichen.

Gender Budgeting als Gleichstellungsstrategie in der EZA?

Die vom Wiener Institut für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit (vidc) in Auftrag gegebene Studie geht der Frage nach, inwieweit Gender Budgeting ein Instrument sein kann, um zivilgesellschaftliche Beteiligung und Geschlechtergerechtigkeit durch die Programmhilfe zu befördern, erläuterte Renate Semler vom vidc. Programmhilfe (versus Projekthilfe) sei ein neues Instrument der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) mit dem Ziel der Armutsreduktion. Auch in Österreich werden die Anteile der Programmhilfe an der EZA nach und nach ausgeweitet. Dabei stellen sich für die zivilgesellschaftlichen Organisationen neue Herausforderungen: die Neubestimmung ihrer Rolle, die Veränderung der Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen sowie ihr Beitrag zur Realisierung von Geschlechtergerechtigkeit.

In der vorliegenden Studie wurde die Fragestellung bearbeitet, inwiefern Gender Budgeting eine Strategie sein kann, um Gleichstellung, Geschlechtergerechtigkeit und zivilgesellschaftliche Beteiligung durch das entwicklungspolitische Instrument der Programmhilfe zu befördern, erläuterte die Co-Autorin Elisabeth Klatzer. Im besonderen befasste sie sich mit den Herausforderungen für die Zivilgesellschaft unter den veränderten Rahmenbedingungen der EZA, die u.a. in den doppelten Rollen sowohl der Organisationen in Nord und Süd (Bereitstellung von Dienstleistungen und Anwaltschaft) als auch der zivilgesellschaftlichen AkteurInnen (EmpfängerInnen von staatlicher Finanzierung und gleichzeitig Kontrollfunktion) zu sehen sind. Problematisch sei, dass die Hinwendung zur Programmhilfe mit einer Entpolitisierung der Zielsetzungen einhergehe, die nunmehr einen sehr stark technokratischen Charakter bekommen, urteilte Klatzer. Die in der Programmhilfe zunehmend relevanten Institutionen und deren zentrale AkteurInnen seien zudem nach wie vor oft genderblind bzw. wenig gendersensibel. Auch die Instrumente, Methoden und zugrunde liegenden Modelle der Programmhilfe seien weitgehend geschlechterblind gestaltet.

Obwohl die Studie primär auf die Rolle der Zivilgesellschaft ausgerichtet ist, brauche es vielfach staatliche Voraussetzungen und Ressourcen, aber auch ausreichenden Gestaltungsspielraum, um kontinuierliches Handeln und kontinuierliche Einflussnahme von zivilgesellschaftlichen Organisationen zu ermöglichen. Daher nehmen auch Empfehlungen an staatliche AkteurInnen auf regionaler, nationaler, supranationaler sowie internationaler Ebene einen bedeutenden Raum ein. Allen öffentlichen Institutionen in Geber- und Partnerländern sowie internationalen Organisationen wird folgendes empfohlen: Öffentliche Mittel sollen im Rahmen der Programmhilfe so eingesetzt werden, dass eine gemischte Gesamtwirtschaft gestärkt wird. Nur so könne die Versorgung aller Menschen, insbesondere von Frauen und Kindern, gesichert, und deren Armut bekämpft werden. Weiters sollen Maßnahmen gesetzt werden, die die informelle/illegale Wirtschaft an die formelle/legale Wirtschaft heranführen. Im konkreten geht es etwa um die gezielte Grundfinanzierung und direkte Förderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Schaffung bzw. Verstärkung von NGO-Netzwerken, die systematische Unterstützung von Partnerländern beim Aufbau von Know-how und Kapazitäten hinsichtlich Gleichstellungsarbeit und Gender Budgeting, die systematische und durchgängige Berücksichtigung der Gender-Perspektive in den entsprechenden Programmen etc.

Im Anschluss daran berichtete die Schweizer Ökonomin und Expertin in Gender Budgeting-Fragen, Mascha Madörin, über ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet. Zunächst halte sie es für sehr positiv, dass dieses wichtige Instrument in Österreich gesetzlich verankert sei. Man habe in zahlreichen Projekten schon sehr viel Wissen über die Implementierung von Gender Budgeting gesammelt, führte sie weiter aus, dies müsse nun aber systematisiert werden. Wichtige Anliegen waren ihr auch der Ausbau und die Finanzierung von internationalen Netzwerken sowie die Stärkung der politischen Institutionen in den Partnerländern.

Der Vertreter des Außenministeriums, Klaus Steiner, sah die Ausweitung der Programmhilfe als neue Chance, um in einen verstärkten politischen Dialog mit den Partnerländern zu treten und um die Entwicklungshilfe effizienter und wirksamer zu gestalten. Gender Budgeting sei u.a. deshalb wichtig, weil eine wirkungsorientierte Haushaltsführung mit dem Ziel der Armutsreduktion im Vordergrund stehe.

Was ist eigentlich Gender-Budgeting?

Gender Budgeting zielt darauf ab, die geschlechtliche Strukturierung und geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Budgets zu eruieren, um eine geschlechtergerechte Finanzpolitik – eine Revision öffentlicher Budgets hin zu einer Orientierung an Geschlechtergleichstellung – zu erwirken. Dabei sind zwei Aspekte relevant: inhaltliche und prozessbezogene. Inhaltliche Aspekte beziehen sich auf die inhaltliche Gestaltung von Budgets bzw. die inhaltlichen Forderungen an die Budgetpolitik. Hinsichtlich der Prozessebene wird die Erreichung eines transparenten und partizipativen Prozesses der Budgeterstellung angestrebt, in dem es möglich ist, auf Budgets Einfluss zu nehmen. Mit dem am 1.1.2009 in Kraft getretenen neuen Bundeshaushaltsrecht wurde eine Verfassungsbestimmung eingeführt, die besagt, dass Bund, Länder und Gemeinden bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben haben (Gender Budgeting) (Art. 13 (3) B-VG). Diese Verpflichtung umfasst demnach auch die EZA-Ausgaben. (Schluss)

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at