Parlamentskorrespondenz Nr. 251 vom 25.03.2009

Ein Abend im Palais Epstein mit Texten von Anton Kuh

Wien (PK) - Anton Kuh war ein österreichischer Schriftsteller, Essayist und Feuilletonist, der mit Humor und Satire die politischen Ereignisse rund um den Zerfall der Monarchie beschrieb und literarische Sitten- und Stimmungsbilder der Zwischenkriegszeit zeichnete. Der Wiener mit Wurzeln im Prager Judentum lebte von 1928 bis 1933 in Berlin, wo er von den Nazis vertrieben wurde. Anton Kuhs Leben war exemplarisch für einen Künstler seiner Zeit: 1938, vor dem Einmarsch Hitlers nach Österreich, floh Anton Kuh neuerlich, diesmal nach New York, wo er 1941 starb. Eine Lesung aus Werken des zeitweise vergessenen, in den letzten Jahren wiederentdeckten Autors fand heute Abend auf Einladung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer im Palais Epstein statt. Der Koordinator der Republikausstellung im Parlament, Peter Fritz, gab eine Einleitung zu Leben und Werk des Schriftstellers. Mit viel Beifall bedachte das zahlreiche Publikum den Schauspieler Stephan Paryla-Raky für dessen Rezitation literarischer Höhepunkte aus dem Schaffen Anton Kuhs.

Die Lesung fand in der prachtvollen Bel Etage des Palais Epstein statt. Für Präsidentin Barbara Prammer Grund genug, ihre Gäste zur Begrüßung mit Erinnerungen aus der beziehungsvollen Geschichte des Hauses auf den Abend einzustimmen. Das Palais Epstein war im 19. Jahrhundert im Auftrag des Privatbankiers Gustav von Epstein errichtet worden. Der wohltätige und kulturell engagierte Bankier verteilte jährlich umgerechnet 800.000 Euro an Bedürftige und veranstaltete in seinem Haus Gesellschaftsabende mit Vorträgen, Konzerten und Diskussionen. Nachdem das Ringstraßenpalais jahrzehntelang sehr unterschiedlichen Zwecken gedient habe, nutze es das Parlament nun wieder im Sinne seines Erbauers, sagte die Nationalratspräsidentin nicht ohne Stolz und erwähnte Leon Zelman, den Begründer des Jewish Welcome Service in Österreich, der sich sicher über die heutige Nutzung des Palais Epstein freuen würde, insbesondere auch über die gute Entwicklung der "Demokratiewerkstatt", die im "Epstein" ihre Heimatstätte gefunden hat und von den Kindern und Jugendlichen sehr gut angenommen werde.

Wie Gustav von Epstein stammte auch Anton Kuh aus einer deutsch-jüdischen Prager Familie, leitete die Nationalratspräsidentin zum Thema des Abends über. Anton Kuh gehörte zum Kreis um Peter Altenberg, Egon Friedell und Alfred Polgar, berichtete die Präsidentin, und beschrieb mit seiner berühmten Antwort auf die Frage "Was ist ein Kaffehausliterat?" zugleich sein Dasein als journalistischer Schriftsteller auf seine typisch pointierte Weise: "Ein Kaffeehausliterat ist ein Mensch, der Zeit hat, im Kaffeehaus über das nachzudenken, was die anderen draußen nicht erleben." 

Berühmt sei Anton Kuh auch als Stegreifredner geworden, etwa mit einer Replik gegen seinen literarischen Widersacher Karl Kraus im Jahr 1925 im Wiener Konzerthaus. 1928 ging Anton Kuh nach Berlin und begeisterte dort in Matineen Max Reinhardts das Publikum mit seinen Spontanreden, von denen leider nur wenige von Stenographen für die Nachwelt festgehalten wurden.

Anton Kuh starb 1941 im Exil in New York, sein größter Wunsch, den Niedergang Nazi-Deutschlands noch zu erleben, sei nicht in Erfüllung gegangen, sagte Präsidentin Prammer und brachte ihre Genugtuung über die Wiederentdeckung des von der NSDAP verfolgten Autors zum Ausdruck.

Der Koordinator der Republikausstellung Peter Fritz vertrat den verhinderten Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs Lorenz Mikoletzky und führte das Publikum in das literarische Programm über Anton Kuh ein.

Anton Kuh wurde am 16. Juli 1890 als Sohn des aus Prag stammenden Redakteurs Emil Kuh und seiner Gattin Auguste Pelsec in Wien geboren. Er knüpfte Kontakte zu den Kaffeehausliteraten und begann seine schriftstellerische Tätigkeit mit Feuilletons für das "Prager Tagblatt", den "Frieden" und den "Morgen". In Berlin arbeitete er für die "Weltbühne". Essaybände wie "Von Goethe abwärts" 1922, "Der unsterbliche Österreicher" 1930 und die Aphorismensammlung "Physiognomie" 1931 lassen die Breite seines Schaffens erkennen. Anton Kuh starb am 18. Jänner 1941 in New York. Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts leben die Werke Anton Kuhs in seiner alten Heimat Österreich durch Publikationen, Erinnerungen von Zeitgenossen wie Milan Dubrovic oder Géza von Cziffra und Zeitungsartikel wieder auf.

Für die vom Publikum mit viel Beifall bedachte Lesung aus den Werken des "Mannes mit dem Monokel" sorgte der Wiener Sänger-Schauspieler Stephan Paryla-Raky, der dem Publikum durch seine Arbeit in Volkstheater, Josefstädter Theater, Kabarett Simpl und Grazer Schauspielhaus sowie durch seine Mitwirkung in internationalen Filmproduktionen wie "Holocaust" und "Wagner" gut bekannt ist. (Schluss)

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at

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