Parlamentskorrespondenz Nr. 429 vom 15.05.2009
Jugendparlament: Jugendliche diskutieren Reform des Unterrichts
Wien (PK) – Die seit Wochen schwelende Bildungsdebatte wird heute im Parlament weitergeführt. Nur stehen nicht Gewerkschaft und Ministerin einander gegenüber, sondern 15- bis 16jährige Schülerinnen und Schüler diskutieren im Rahmen des Jugendparlaments über die Verankerung des Rechts auf Bildung in der Verfassung sowie über eine Novelle zum Schulunterrichtsgesetz, die der Verbesserung der Unterrichtsqualität und der Unterrichtsinhalte dienen soll.
Die Bedingungen und Abläufe des Jugendparlaments sind den realen Vorgängen im Parlament stark angenähert, sodass die Schülerinnen und Schüler den Gesetzgebungsprozess als Akteurinnen und Akteure miterleben und somit die parlamentarischen Abläufe verstehen lernen. Es wurden zwei Gesetzesvorschläge vorbereitet, die zunächst in den fiktiven Klubs, dann in Ausschüssen und schließlich im Plenum erörtert werden. Von der Plenardebatte wird auch ein Stenographisches Protokoll angefertigt, über die Arbeit in den Ausschüssen und die Wortmeldungen im Plenum berichten zwei Jungjournalisten in der Art der Parlamentskorrespondenz.
Die Jugendlichen erfahren durch die parlamentarische Arbeitsweise auch, wie Meinungsbildung zustande kommt, die eigene Meinung zu vertreten oder vielleicht auch zu überdenken und sich mit Argumenten anderer auseinanderzusetzen. Sie müssen sich ihre eigenen Gedanken über die Für und Wider einer gesetzlichen Regelung machen und können dabei auch das Problembewusstsein dafür schärfen, dass plakative und gut klingende Forderungen und Vorstellungen in der Umsetzung oft doch nicht so einfach sind. Um die Themen von den verschiedensten Gesichtspunkten und Interessenslagen zu debattieren, werden die Jugendlichen in vier Klubs eingeteilt. Diesen werden nicht die bekannten Parteifarben zugeteilt, sondern sie sind gelb, weiß, türkis und violett.
Die 71 Wiener Schülerinnen und Schüler, die teilweise bereits wahlberechtigt sind und sich nun im Rahmen des Jugendparlaments 5/09 einmal einen Tag lang als Politikerinnen und Politiker versuchen, kommen von der 5a des Bundesgymnasiums Wien 19, Gymnasiumstraße 83, von der 5b des Bundesrealgymnasiums Wien 13, Fichtnergasse 15, und von der 1. Klasse der Handelsakademie III, Schönborngasse 3-5, Wien 8. Sie sind aufgefordert, zu den beiden fiktiven Regierungsvorlagen in ihren jeweiligen Klubs Positionen zu erarbeiten und dafür in weiterer Folge in Ausschüssen bzw. im Plenum Mehrheiten zu suchen. Wie kann jede einzelne Schülerin und jeder einzelne Schüler optimal gefördert werden? Kann es funktionieren, dass Schülerinnen und Schüler den Unterrichtsablauf mitgestalten? Soll die derzeitige Form der Beurteilung durch eine verbale Beurteilung ersetzt werden? Ist die Reform auch leistbar, da deren Umsetzung mit erheblichen Kosten verbunden sein wird? All diesen Fragen müssen sich die Jungpolitikerinnen und –politiker stellen, und werden dabei, genauso wie die gewählten Abgeordneten, eine Güterabwägung vorzunehmen haben.
Zur Unterstützung ihrer Arbeit stehen den Jugendlichen den ganzen Tag über Abgeordnete und MitarbeiterInnen des Parlaments zur Seite. So helfen die Abgeordneten Angela Lueger (S), Jochen Pack (V), Stefan Markowitz (B) und Tanja Windbüchler-Souschill (G) bei der Formulierung von Abänderungsanträgen und der Suche nach Kompromissen. Daneben müssen auch noch Reden für die Plenarsitzung vorbereitet werden. Und vor der Tür wartet ein junges Reporterteam, das mit der Berichterstattung über das Jugendparlament beauftragt wurde und Interviews haben will.
Begrüßung durch NR-Präsidentin Prammer und BR-Präsident Reisenberger
Begrüßt wurden die Schülerinnen und Schüler gleich am Morgen von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Sie hieß die Anwesenden herzlich willkommen und wies darauf hin, dass das Jugendparlament mittlerweile bereits eine Tradition habe. Sie erklärte, dass es im Parlament zwei Kammern gebe, den National- und den Bundesrat, und in letzterem habe gegenwärtig das Bundesland Wien den Vorsitz, weshalb für das heutige Jugendparlament Schulen aus Wien eingeladen worden seien.
Die Präsidentin betonte, dass die Schülerinnen und Schüler eine detailgetreue Simulation der Arbeit des Parlaments erhielten, denn so, wie sie heute ihre Anträge erarbeiten, diskutieren und beschließen würden, so laufe es auch im Hohen Haus selbst ab. Im übrigen würden die Anträge des Jugendparlaments auch den jeweils zuständigen Nationalratsausschüssen zur Kenntnis gebracht.
Die Präsidentin wünschte den Jugendlichen einen spannenden Arbeitstag und sagte, den Einblick, den sie heute bekämen, bräuchten viele, aber ihnen würde heute die Gelegenheit geboten, hinter die Kulissen zu blicken und so einen konkreten Eindruck unserer Demokratie zu bekommen.
Schon am Vortag hatten die Jugendlichen Gelegenheit, das Parlament bei einer Führung kennenzulernen. Darüber hinaus wurden sie von Bundesratspräsident Harald Reisenberger herzlich willkommen geheißen, der einleitend auch seinen persönlichen Werdegang schilderte. Mit dem Hinweis auf seinen "normalen" Beruf wollte er unterstreichen, wie wichtig in einer Demokratie politisches Interesse und Engagement sind. Politik sei nicht allein Parteipolitik, sagte er, sondern passiere täglich, in der Familie oder im Gespräch mit anderen und appellierte an die jugendlichen Politikerinnen und Politiker, auch in Hinkunft aktiv am gesellschaftlichen Leben mitzuwirken. Das Parlament ist kein anonymer Ort, bemerkte Reisenberger, sondern hier werde die gemeinsame Zukunft gestaltet. Das näher zu erfahren und vielleicht das politische Interesse zu wecken und zu fördern, dazu diene das Jugendparlament.
Das Jugendparlament findet zwei Mal im Jahr statt. Im Hinblick auf die erfolgte Herabsetzung des Wahlalters auf 16 werden abwechselnd Schulklassen der 9. und 10. Schulstufe eingeladen, und zwar jeweils aus jenem Bundesland, das gerade den Vorsitz im Bundesrat inne hat.
Buchpräsentation: Und was macht eigentlich das Parlament?
Die Gelegenheit derartige Erfahrungen im Parlament selbst zu machen, haben natürlich nicht alle Interessierten. Deshalb hat sich ein Mitarbeiter der Parlamentsdirektion, Christoph Konrath, die Mühe und auch die Freude gemacht, die parlamentarischen Abläufe auf eine leichte und verständliche Art zu erklären. Unter dem Titel "Und was macht eigentlich das Parlament" ist ein Buch entstanden, das im Czernin-Verlag herausgekommen ist und aus der Sicht eines "Insiders" schildert, was im Parlament eigentlich so passiert. Es wurde gestern den Schülerinnen und Schülern vorgestellt. So wie sie erhielt auch Bundesratspräsident Harald Reisenberger eines der ersten Exemplare.
Christoph Konrath, ein profunder Jurist, vermeidet "Fachsimpelei". Er will Zugangshürden abbauen und versteht es, die Dinge sehr konkret und realistisch, oft auch humorvoll, und einfach zu beschreiben. Er möchte, wie er in seinem Vorwort betont, Politik nicht in der gewohnten Weise erklären oder über sie klagen, sondern für Parlamentarismus und Demokratie werben, ohne sie zu idealisieren.
Illustriert wurden die Texte mit Comics von Adrien Tirtiaux, der damit einen "anderen Blick" auf Politik und Demokratie und auf die Themen eines jeden Kapitels werfen möchte. Die wichtigsten Fachbegriffe werden erklärt und am Ende des Buchs werden die Themen "Wahlen", "Gewaltenteilung" und "Gesetzgebung" in drei Diagrammen anschaulich dargestellt.
Das Buch ist somit nicht nur für Jugendliche, sondern für Wissbegierige jeden Alters ein geeigneter und vergnüglicher Einstieg in das Thema Parlamentarismus.
HINWEIS: Fotos vom Jugendparlament finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at