Parlamentskorrespondenz Nr. 544 vom 18.06.2009

Die Entwicklung der Grund- und Freiheitsrechte von 1848 bis heute

Wien (PK) - In der bürgerlichen Revolution von 1848 erkämpfte das Volk nach Jahrhunderten der Willkür durch die Herrschenden Redefreiheit, Pressefreiheit und Meinungsfreiheit. Wie sich die Grund- und Freiheitsrechte seit damals entwickelt haben, welche Probleme dabei auftraten und worin die aktuellen Herausforderungen bei der Weiterentwicklung und beim Schutz der Grundrechte bestehen, wurde heute Abend bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Entwicklung der Grundrechte von 1848 bis zur Antidiskriminierungsrichtlinie" auf Einladung des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf im Palais Epstein behandelt. Unter der Moderation von Abgeordnetem Harald Stefan diskutierten die Obfrau der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte Katharina Grieb, Chefredakteur Andreas Unterberger (Wiener Zeitung), Rechtsanwalt Eike Lindinger und Univ.-Prof. Christian Neschwara (Universität Wien).   

Präsident Graf erinnerte in seinen Begrüßungs- und Einleitungsworten an den Kampf um die Durchsetzung der Rede-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie des Rechts auf Eigentum als Voraussetzungen für eine entwickelte Demokratie und warnte vor den Gefahren, die den Grundrechten durch den Totalitarismus drohen. Graf wies auf die verschiedenen Auffassungen der Grundrechte im Sinne liberaler, demokratischer und sozialer Theorien hin, denen gemeinsam sei, die Gewährleistung subjektiver Rechte der Bürger als eine bindende Aufgabe des Staates zu verstehen.

Christian Neschwara gab einen Überblick zur Entwicklung der Grundrechte seit dem 18. Jahrhundert, schilderte, wie sich die Grundrechte im Liberalismus von ihren naturrechtlichen Ursprüngen zu lösen begannen und zu Verfassungsrechten wurden, die der Staat zu garantieren habe. In diese Entwicklung sei Österreich erst relativ spät - 1848 - eingetreten, stellte Neschwara fest und unterstrich die Bedeutung des "Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger" von 1867, dessen klassischer Grundrechtskatalog auch in der Bundesverfassung von 1920 aufrecht blieb. 1958 sei Österreich von der Internationalisierung der Grundrechtsentwicklung erfasst worden und seither einerseits mit Problemen bei der Einbindung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in die österreichische Verfassungsjudikatur konfrontiert, andererseits mit einer Tendenz zur Zersplitterung der Grundrechte durch Verfassungsbestimmungen.

Katharina Grieb sah bei Betrachtung der aktuellen Grundrechtsentwicklung keinen Grund zum Jubeln, zumal sich viele Grundrechtsprobleme seit der Erklärung der Menschenrechte im Jahr 1948 lediglich verschoben hätten und ein Drittel der Menschheit immer noch in kommunistischen Diktaturen leben müsse. Katharina Grieb wies auf Probleme bei der für sie wichtigen Unterscheidung zwischen Asylwerbern und Wirtschaftsflüchtlingen hin, mahnte das Recht der Kinder auf angemessene Schulbildung ein und brach eine Lanze für das Grundrecht der Menschen auf Heimat, Familie und eigene Traditionen.

   

Eike Lindinger befasste sich sowohl aus seinen anwaltlichen Erfahrungen mit Grundrechtsbeschwerden als auch in teils rechtstheoretischen, teils rechtshistorischen Ausführungen mit der Frage, wer der eigentliche Hüter der Grundrechte sei. Dabei strich er die Bedeutung Hans Kelsens und die Einrichtung des Verfassungsgerichtshofes am Beginn der Ersten Republik heraus. Laut Kelsen komme dem VfGH die Aufgabe zu, auf die Einhaltung der Grundrechte zu achten, hielt Lindschinger fest und meinte zur Frage, ob die Zivilgesellschaft als eine neue Hüterin der Grundrechte zu betrachten sei: Die Zivilgesellschaft sei willkommen, wenn sie in Form der Selbstorganisation der Bürger und durch die kommunikative Macht der Vernunft im Sinne Habermas' politische Freiheit schütze, warnte aber gleichzeitig vor einer Zivilgesellschaft, die dem Staat eine antistaatliche Ordnung entgegensetzen wolle.

Andreas Unterberger erinnerte an die "Preßfreiheit", die ganz im Zentrum der Forderungen der Demonstranten von 1848 stand, weil diese ihnen die Möglichkeit zu Publikationen gegen die Repression durch die Regierenden gab. Die Ereignisse im Iran machten einmal mehr deutlich, wie wichtig die Medienfreiheit nach wie vor sei. Aktuell gefährdet sah der Journalist die Medienfreiheit durch den Missbrauch von Datenschutzbestimmungen und Amtsgeheimnis. Diese behinderten Journalisten auf der Suche nach Wahrheit und beim Aufdecken von Rechtswidrigkeiten und Missständen, klagte Andreas Unterberger und plädierte für ein Recht der Bürger auf Akteneinsicht nach skandinavischem Vorbild. Besorgt zeigte sich Unterberger auch wegen der ökonomischen Probleme vieler Medien, insbesondere von Fernsehen und Zeitungen. Als Ursachen nannte er einerseits die Wirtschaftskrise, in der die Inserateneinnahmen drastisch sinken, andererseits aber auch das Internet, das eine starke Konkurrenz für die Zeitungen darstelle. Unterberger unterstrich die Bedeutung des Qualitätsjournalismus sowohl für die Demokratie als auch für den Wirtschaftsstandort und hielt es für katastrophal, wenn Staatsbürger, Manager oder Beamte ihre Informationen nur noch aus dem Internet beziehen.        

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at