Parlamentskorrespondenz Nr. 770 vom 18.09.2009

Störenfriede der Erinnerung

Wien (PK) – Nationalratspräsidentin Barbara Prammer lud heute Abend zu einer Gedenkveranstaltung für Verfolgte der NS-Militärjustiz ins Palais Epstein. Zu Wort kamen dabei die ehemalige Widerstandskämpferin Helga Emperger, der Präsident des Verbandes der Kärntner Partisanen (Zveza Koroskih Partizanov) Peter Kuchar, der Widerstandskämpfer und langjährige Vorsitzende des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer Hugo Pepper, der Komponist Friedrich Cerha sowie der ehemalige Wehrmachtsdeserteur und Obmann des "Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" Richard Wadani.

Prammer betonte, dass ihr diese Veranstaltung ganz besonders am Herzen liege und verwies auf die aktuelle diesbezügliche Ausstellung, bei deren Eröffnung sie ebenfalls das Wort habe ergreifen dürfen. Der heutige Abend stelle quasi eine Begleitveranstaltung zu dieser Ausstellung dar.

Prammer begrüßte die anwesenden Gäste und bedankte sich bei den Zeitzeugen herzlich für ihr Kommen. An dieser Stelle zeigte sie sich zufrieden darüber, dass es gelungen sei, nun auch die Kärntner Partisanen als Opfergruppe im Nationalfonds aufzunehmen, sodass diese nun ebenfalls entschädigt werden könnten.

Vor 70 Jahren, führte Prammer weiter aus, habe der Zweite Weltkrieg begonnen, der von Anfang an als Vernichtungskrieg geplant gewesen sei. Ein solches Datum sei hilfreich, sich wieder einmal mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, so die Präsidentin. Prammer dankte den Ausstellungsmachern und verlieh ihrer Hoffnung Ausdruck, dass es endlich gelingen möge, den Deserteuren Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und ihnen die Rehabilitation auszusprechen.

Sodann sprachen in einer ersten Runde die Zeitzeugen von ihren ganz besonderen Erfahrungen mit dem Thema. Helga Emperger berichtete von ihren Aktivitäten im Widerstand und davon, dass sie mit ihrer Mutter Wehrmachtsdeserteuren half, wofür sie 1944 in die Fänge der Gestapo geriet. Ihre Mutter wurde von den Nationalsozialisten hingerichtet, Emperger überlebte knapp.

Peter Kuchar schilderte die Aktivitäten der Kärntner Partisanen, die einen aktiven Beitrag zur Befreiung Österreichs leisteten. Er selbst wirkte an deren Kampf als Kurier mit. Hugo Pepper wiederum leistete innerhalb der Wehrmacht Widerstand und stand auch mit der Gruppe um Major Szokoll in Verbindung.

Richard Wadani wiederum desertierte 1944 aus der Wehrmacht, wobei es ihm gelang, sich nach England durchzuschlagen, wo er sich einer Gruppe der tschechoslowakischen Exilarmee anschloss. Der Komponist Cerha schließlich war 1944 zur Wehrmacht eingezogen und in Dänemark stationiert worden, von wo aus ihm wenig später die Flucht aus der Armee gelang, wobei er sich quer durch Deutschland nach Tirol durchschlug.

In einer zweiten Gesprächsrunde ging es um die Erfahrungen, welche die Zeitzeugen nach 1945 mit ihrer Geschichte gemacht haben, und auch darum, wie sich die Einschätzung ihrer Handlungen im Laufe der Zeit in der Gesellschaft geändert hat.

In Österreich kam es erst 2005 zur teilweisen rechtlichen Rehabilitierung von Opfern der NS-Militärjustiz durch das sogenannte Anerkennungsgesetz. Zum 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs und vier Jahre nach Verabschiedung des Anerkennungsgesetzes 2005 erinnert nun auch eine Ausstellung an die Verurteilten der NS-Kriegsgerichte.

Am 1. September 2009 wurde die Wanderausstellung "Was damals Recht war ..." im Wiener Nestroyhof eröffnet. Sie wurde für Deutschland entwickelt, durch den Verein "Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" in Zusammenarbeit mit dem "Verein Gedenkdienst für Österreich" aktualisiert und ist noch bis zum 15. Oktober hierzulande zu sehen. Die Ausstellung erinnert an weit mehr als 20.000 Soldaten und Zivilisten aus nahezu ganz Europa, die durch Unrechtsurteile der Wehrmachtsgerichte umkamen.

In diesem Zusammenhang findet weiters am 1. und 2. Oktober 2009 ein themenspezifisches Symposion im Wiener Justizpalast statt, an dem sich Expertinnen und Experten aus zahlreichen Ländern beteiligen werden. (Schluss)

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at