Parlamentskorrespondenz Nr. 990 vom 18.11.2009

Von der Ablehnung der Kernkraft-Nutzung bis zur Umweltinformation

Umweltpolitik im Nationalrat

Wien (PK) – Mit einem Fünf-Parteien- Antrag, mit dem die Regierung aufgefordert wird, bei der Klimakonferenz in Kopenhagen für die Ablehnung der Atomenergie als Beitrag zur Lösung des Problems der Treibhausgase einzutreten, wurde im Nationalrat der Themenblock Umwelt eingeleitet. Zusammen mit dem genannten Antrag wurden ein G- Antrag und ein B- Antrag diskutiert.

Abgeordneter Erich TADLER (B) wollte vom Wirtschaftsminister wissen, wie es zusammenpasse, dass sich Österreich einerseits die Atomfreiheit auf die Fahne geschrieben hat, andererseits aber eine Verbundtochter Billigstrom mit einem nicht unbedeutenden Atomstromanteil verkauft. Sodann ging er auf den BZÖ-Entschließungsantrag ein, in dem seine Fraktion eine Kostenübernahme von Katastrophenschutzübungen durch die AKW-Betreiber einfordert. Es sei nicht einzusehen, dass die österreichische Bevölkerung, die sich mehrheitlich gegen die Atomkraft ausgesprochen hat, von Schrottreaktoren und einer geldgierigen Atomlobby gefährdet wird.

In dem vorliegenden Fünf-Parteien-Antrag wolle man sich dazu bekennen, dass die Atomenergie nicht als Lösungsansatz in der Klimaschutzfrage gesehen werden könne, unterstrich Abgeordneter Hermann SCHULTES (V). Dieser Grundsatz soll nicht nur in Kopenhagen, sondern auch in allen internationalen Abkommen verankert werden. Schultes war der Auffassung, dass eine vernünftige Karbonwirtschaft und eine nachhaltige Energiezukunft nur durch eine massive Reduktion der Emissionen in allen Ländern zu erreichen sein wird. Dabei stünden vor allem die Frage der Effizienz, der Einsatz neuer Technologien sowie der Wissenstransfer im Vordergrund.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) erinnerte nochmals an die dramatische Bilanz Österreichs bezüglich der Erreichung der Klimaschutzziele. Österreich sei nunmehr Schlusslicht in der EU, es verfehle die Ziele bei weitem. Der Antrag der Grünen geht auf eine Initiative von Schülern und Schülerinnen zurück, die eine Reduktion der CO2-Emissionen bis 2020 um 40 %, die Zahlung eines gerechten Beitrags für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern sowie den Schutz des Regenwaldes gefordert haben. Außerdem dürfe ihrer Meinung nach die Atomkraft keine Rolle im Rahmen des Klimaschutzes spielen. Dabei handelt es sich also keineswegs um utopische, sondern um sehr realistische Maßnahmen, die man sofort umsetzen könnte, argumentierte Brunner.

Die G-Mandatarin kritisierte zudem, dass Österreich Emissionszertifikate auch aus Ländern kaufe, in denen Atomkraft eingesetzt wird, sowie die Tatsache, dass die erneuerbaren Technologien in Österreich viel zu wenig gefördert werden. Dringend notwendig seien ihrer Ansicht nach vor allem die Umsetzung eines ökologischeren Steuermodells, die Verabschiedung eines Ökostromförderungsgesetzes, das seinen Namen auch verdient, sowie ein Klimaschutzgesetz mit ganz verbindlichen Zielen und konkreten Maßnahmen.

Auch Abgeordnete Petra BAYR (S) begrüßte die Klarstellung im Fünf-Parteien-Antrag, wonach Atomkraft keine Klimaschutzmaßnahme sein könne, und zwar sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Was den G-Antrag betreffend die Positionierung der Bundesregierung bei der Klimaschutzkonferenz betrifft, so halte sie es für wenig realistisch, dass zwei Wochen vor der Veranstaltung die Position der EU bezüglich der C02-Reduktionen massiv verändert werden könne. Aus diesem Grund wird ihre Fraktion den Antrag der Grünen auch ablehnen.

Abgeordneter Norbert HOFER (F) wies darauf hin, dass Kernkraft eine sehr teure Form der Energiegewinnung ist, wenn man die Gesamtkosten betrachtet. Damit erneuerbare Energieträger aber in Zukunft häufiger genutzt und für den Endverbraucher günstiger werden, sollte die EU-Mehrwertsteuer-Richtlinie geändert werden, schlug er im Rahmen eines Entschließungsantrags vor. Der neue Mehrwertsteuersatz für alle aus erneuerbaren Ressourcen stammenden Energien sollte in Hinkunft nur mehr 10 % betragen.

Abgeordneter Erwin HORNEK (V) zeigte sich ebenfalls erfreut über den gemeinsamen Antrag, in dem klar zum Ausdruck gebracht wird, dass für Österreich Kernenergie kein Thema ist. Gerade im Hinblick auf den Gipfel in Kopenhagen wollte man unterstreichen, dass die Kernkraft keinen neuen Aufschwung bzw. keine Renaissance erfahren soll. Was die Kyoto-Ziele angeht, so habe sich die EU durchschnittlich auf eine Reduktion von 8 % geeinigt (Österreich sogar 13 %); allerdings gebe es auch Länder wie Portugal, die ein Plus von 27 % erreichen werden. Es gebe auch in Österreich Bereiche – z.B. die Landwirtschaft oder die Abfallwirtschaft -, die ihre Vorgaben erreicht haben, aber in anderen Sektoren (z.B. im Verkehr) seien noch große Anstrengungen erforderlich.

Abgeordnete Ruth BECHER (S) räumte ein, dass der EU-Bericht über die Erreichung der Kyoto-Ziele in Österreich nicht sehr erfreulich sei. Positiv sei jedoch, dass z.B. im Bereich der Raumwärme, in dem große Einsparungspotentiale möglich sind, eine Reduktion erfolgt sei. Im besonderen hob sie hervor, dass der Fünf-Parteien-Antrag den klaren Anti-Atom-Kurs Österreichs unterstreiche.

Abgeordneter Nikolaus PRINZ (V) schloss sich seinen Vorrednern bezüglich der klaren Anti-Atom-Politik Österreichs an. Die Anstrengungen im Bereich des Klimaschutzes waren seiner Meinung nach sehr ambitioniert, aber noch nicht ausreichend. Damit wirklich alle an einem Strang ziehen, sei die Ausarbeitung eines Bundesklimaschutzgesetzes, das klare Vorgaben und Maßnahmen enthält, notwendig. Von enormer Bedeutung seien dabei der Einsatz von erneuerbaren Technologien sowie Energieeffizienzmaßnahmen, urteilte Prinz.

Abgeordneter Josef AUER (S) informierte darüber, dass in insgesamt 31 Ländern Atomkraft zur Energiegewinnung eingesetzt wird und dass derzeit 438 AKW in Betrieb sind.

Abgeordnete Carmen GARTELGRUBER (F) zeigte sich besorgt darüber, dass die Atomkraft derzeit eine neuerliche Renaissance erlebt. Der Anteil der Atomkraftwerke an der Stromerzeugung liege weltweit bei 17 %, europaweit bei 31 %. In Europa werden momentan sogar 13 neue AKW gebaut. Umso wichtiger sei daher die gemeinsame Anti-Atom-Initiative aller fünf Parteien sowie die Einleitung einer energiepolitischen Wende. Ein von ihr eingebrachter Entschließungsantrag enthielt die Forderung nach einem Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag.

Auch Abgeordneter Walter SCHOPF (S) betonte, dass Klimaschutzpolitik nicht auf Maßnahmen beruhen dürfe, bei denen Kernenergie eine Rolle spielt. Auf EU-Ebene sollte man sich für eine Abgabe auf Energie, die in Atomkraftwerken produziert wird, einsetzen, forderte Schopf. Weiters plädierte er für eine Fortsetzung der Gespräche mit Tschechien über Temelin, damit endlich alle Sicherheitsmängel beseitigt werden.

Bei der Abstimmung wurde die dem Ausschussbericht beigeschlossene Entschließung einstimmig angenommen; die (negativen) Ausschussberichte bezüglich des G-Entschließungsantrags betreffend Verhandlungsposition der Bundesregierung in Kopenhagen sowie bezüglich des B-Entschließungsantrags betreffend die Kostenübernahme von Katastrophenschutzübungen durch die AKW-Betreiber wurden mehrheitlich zur Kenntnis genommen. Ebenfalls keine Mehrheit fanden der F-Entschließungsantrag betreffend Halbierung der Mehrwertsteuer auf Energie aus erneuerbaren heimischen Ressourcen sowie der F-Entschließungsantrag betreffend Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag.

B-VG und Bundesgesetz über den Umweltsenat: USG-Novelle 2009

Abgeordneter Ewald STADLER (B) kündigte im Namen seiner Fraktion an, dem Gesetz nicht zuzustimmen. Zudem wies er darauf hin, dass das BZÖ derzeit generell alle Beschlüsse, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, ablehnen wird. Grund dafür sei die Vorgangsweise der Regierungsparteien im Untersuchungsausschuss, die sich vehement weigern, MinisterInnen zu den Sitzungen zu laden. "Wenn Sie glauben, dass Sie die Opposition mit einem Nasenring durch das Haus führen können, dann täuschen Sie sich", stellte Stadler in Richtung ÖVP fest. Er stellte den Antrag, die Vorlage über den Umweltsenat in den Ausschuss zurückzuverweisen.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter Werner AMON (V) klar, dass nicht vereinbart wurde, nach jedem Thema im Untersuchungsausschuss die zuständigen Regierungsmitglieder zu laden. Wahr sei vielmehr, dass vereinbart wurde, nach jedem Kapitel eine Beurteilung vorzunehmen, ob eine Ladung von Regierungsmitgliedern notwendig sei.

Seit 15 Jahren entscheide der Umweltsenat mit hoher Akzeptanz und Qualität über Berufungen von Bescheiden der Landesregierung zu Umweltverträglichkeitsprüfungen, erklärte Abgeordneter Franz HÖRL (V). Nunmehr soll die unbefristete Verlängerung dieser Einrichtung beschlossen werden. Allerdings frage er sich, wie dieser Rechtsbereich geregelt wird, wenn die - von ihm ungeliebten – Landesverwaltungsgerichtshöfe installiert werden. Außerdem beklagte Hörl die Tatsache, dass die versprochene Beschleunigung der UVP-Verfahren noch nicht eingetreten sei; so müssten etwa Doppel- und Dreifachprüfungen abgestellt und Auswüchse bei den Gutachten begrenzt werden.

Abgeordnete Petra BAYR (S) begrüßte die unbefristete Verlängerung des Umweltsenats, der eine ganz wichtige Instanz im Rahmen der Vollziehung des UVP-Gesetzes darstelle. Erfreut zeigte sie sich auch darüber, dass eine neue Regelung bezüglich der Altersgrenze bei Bestellungen in den Senat eingebaut werden konnte, wodurch viele junge Juristen und Juristinnen eine Chance erhalten.

Abgeordnete Susanne WINTER (F) kritisierte die Wortmeldung des Abgeordneten Stadler, die belege, dass dem BZÖ die Umweltgesetzgebung nicht wichtig sei. Die Freiheitlichen würden den Gesetzesänderungen die Zustimmung geben, da der Umweltsenat als Berufungsbehörde eine wichtige Einrichtung darstelle.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) war der Meinung, dass der Umweltsenat, der die zweite Prüfinstanz im Rahmen des UVP-Verfahrens darstellt, die Interessen der BürgerInnen und AnrainerInnen unabhängig prüft. Wenn das Gesetz heute nicht beschlossen werde, dann würde dies bedeuten, dass der Umweltsenat mit Ende dieses Jahres wegfallen würde. Dies wäre eine Katastrophe für die österreichische Umweltpolitik.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH bedauerte, dass das BZÖ dem Gesetz nicht zustimmen werde. Er denke, dass eine so wichtige Materie nicht dafür benutzt werden sollte, um eine andere Sache durchzusetzen. Der weisungsfreie Umweltsenat habe sich seiner Ansicht nach bisher sehr bewährt und genieße zudem seit mittlerweile nun schon 15 Jahren hohes Ansehen.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) sah angesichts der Ausführungen der Abgeordneten Winter bei der Abstimmung die Nagelprobe kommen, was die Vereinbarungen der Oppositionsparteien, die Regierung bei 2/3-Mehrheiten nicht zu unterstützen, solange MinisterInnen nicht in den Untersuchungsausschuss geladen werden, wert sei. Die Grünen stimmten zu, weil sie dringend Posten für Umweltaktivisten brauchten, weshalb sich auch die FPÖ veranlasst sehe, mit der Regierung mitzugehen. Damit sei der Untersuchungsausschuss am Ende und die Kontrolle in diesem Haus nicht mehr gewährleistet, befürchtete Abgeordneter Stadler. 

Abgeordneter Konrad STEINDL (V) erinnerte an die Verantwortung des Hauses, sachorientierte Politik zu betreiben, und hielt es für unerlässlich, die Tätigkeit des Umweltsenats über die befristete Geltung des Umweltsenatsgesetzes hinaus zu verlängern.

Auch Abgeordneter Rudolf PLESSL (S) bekannte sich zur Aufhebung der Befristung des Umweltsenatsgesetzes und zur Einführung einer Altersgrenze von 65 Jahren für die Bestellung von Mitgliedern des Umweltsenats. An das BZÖ appellierte der Redner, der Vorlage zuzustimmen.

Abgeordneter Dieter BROSZ (G) begrüßte die Verlängerung der Tätigkeit des Umweltsenats, eine Maßnahme, die angesichts der positiven Tätigkeit des Umweltsenats inhaltlich unbestritten sei. Mit der FPÖ zeigte sich Brosz darin einverstanden, dass die Zustimmung zu diesem Gesetz notwendig sei.

Der Rückverweisungsantrag des BZÖ wurde mehrheitlich abgelehnt. Der Gesetzentwurf erhielt die verfassungsgesetzlich notwendige Zweidrittelmehrheit und wurde angenommen.

Änderung des Umweltinformationsgesetzes

Abgeordneter Norbert HOFER (F) begründete die Ablehnung der Vorlage durch seine Fraktion mit der Nichtinformation der Gemeinden über die Verarbeitung gefährlicher Abfälle auf ihrem Gebiet. Mit Hinweis auf den Datenschutz würden Informationen über toxische und krebserregende Substanzen vorenthalten, die importiert und in Österreich be- und verarbeitet werden. Zumindest die Bürgermeister, die dem Amtsgeheimnis unterliegen, sollten diese Informationen erhalten, meinte Hofer und brachte einen diesbezüglichen Entschließungsantrag der FPÖ ein.

Abgeordneter Peter MAYER (V) unterstrich die Bedeutung guter Daten und Informationen in allen Politikbereichen. Dasselbe gelte auch für die Umweltpolitik, daher sei eine entsprechende Datenbank über die Freisetzung von Schadstoffen zu begrüßen. Die neue Datenbank werde zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der betrieblichen Umweltschutzeinrichtungen beitragen.

Abgeordnete Andrea GESSL-RANFTL (S) betonte das Interesse der Öffentlichkeit an kostenlosem und unbürokratischem Zugang zu Umweltdaten und begrüßte daher die Einrichtung der neuen Schadstoff-Datenbank. Diese werde umweltpolitische Entscheidungen erleichtern. Wichtig sei auch der Schutz von Informanten, die Verstöße gegen Umweltschutzbestimmungen bekannt geben. Diesem Anliegen diente ein Abänderungsantrag der Abgeordneten.

Abgeordneter Erich TADLER (B) bekannte sich seinerseits zur Weiterentwicklung des Schadstofffreisetzungsregisters und zum Informantenschutz bei der Kontrolle von Umweltschutzbestimmungen.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) besprach die Gesetzesänderung positiv und unterstrich die Bedeutung einer höheren Transparenz im Bereich der Umweltdaten. Kritik übte die Abgeordnete daran, dass das Gesetz nicht über die EU-Vorgaben hinausgehe, was dazu führe, dass in Österreich nur 250 Betriebe unter die neuen Bestimmungen fallen werden. Außerdem klagte die Rednerin über Verzögerungen bei der Veröffentlichung der Daten.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH erläuterte die Einrichtung des vorgesehenen nationalen Schadstoffregisters und bezeichnete es als wichtig, InformantInnen zu schützen, die Verstöße gegen Umweltschutzbestimmungen zur Anzeige bringen. So werde die Öffentlichkeit besser informiert, umweltpolitische Entscheidungen würden erleichtert.

Abgeordneter Peter STAUBER (S) zeigte sich überzeugt, dass das nationale Schadstoffregister die Öffentlichkeit besser über die Freisetzung von Schadstoffen durch Betriebe informieren werde, was zur Verbesserung der Umweltleistung von Betrieben beitrage.

Abgeordneter Gerhard STEIER (S) bekannte sich mit Nachdruck dazu, Daten über den Schadstoffausschuss von Unternehmen öffentlich transparenter zu machen und begrüßte es, dass das Register bereits 2010 online verfügbar sein wird. Die Öffentlichkeit erhalte freien Zugang zu Umweltdaten, der Schutz der Umwelt werde erleichtert.

Die Änderung des Umweltinformationsgesetzes wurde in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrags bei der getrennten Abstimmung mehrheitlich angenommen. Der F-Entschließungsantrag betreffend Einführung einer Meldepflicht bei Lagerung oder Weiterverarbeitung gefährlicher Abfälle fand keine Mehrheit. (Schluss Umwelt/Forts. NR)