Parlamentskorrespondenz Nr. 148 vom 08.03.2010
Frauenarbeit: Von prekärer Beschäftigung bis zur "gläsernen Decke"
Wien (PK) – Die Weltwirtschaftskrise hat insbesondere auch Frauen getroffen. Frauen werden von den Arbeitsmärkten gedrängt, verlieren an Aufstiegschancen, sind vermehrt Opfer von Gewalt und haben weniger Zugänge zu Gesundheitsversorgung und Nahrungsmitteln. Auch in Österreich sind steigende Arbeitslosenraten, die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse, eine weit auseinanderklaffende Einkommensschere und die hohe Armutsgefährdung von Frauen Realität.
Vor diesem Hintergrund lud Nationalratspräsidentin Barbara Prammer heute anlässlich des Internationalen Frauentags zu einer Podiumsdiskussion ins Parlament. Unter dem Titel "FRAUenARBEIT – von prekärer Beschäftigung bis zur gläsernen Decke" diskutierten Vertreterinnen der fünf Parlamentsfraktionen unter der Moderation von Karin Strobl über zukünftige Perspektiven und mögliche politische Strategien. An der Frage "Quote - ja oder nein" schieden sich dabei wie gewohnt die Geister. Wirtschaftswissenschafterin Luise Gubitzer forderte in einem Impulsreferat unter anderem die Entwicklung einer neuen "Dienstleistungsökonomie" sowie ein Konjunkturpaket für Non-Profit-Organisationen.
Nationalratspräsidentin Prammer wertete es in ihrem Eingangsstatement als eine der zentralsten Herausforderungen der österreichischen Frauenpolitik, die Einkommensschere zu schließen. Während Frauen bei der Bildung und bei der Erwerbsquote aufgeholt hätten, blieben sie beim Erwerbseinkommen nach wie vor deutlich zurück, kritisierte sie die "gravierende Ungerechtigkeit". Ebenso würden Frauen immer noch einen Großteil der unbezahlten Arbeit leisten.
Im Hinblick auf bisherige Erfahrungen zeigte sich Prammer überzeugt, dass "mit gutem Zureden" nichts zu erreichen sei, vielmehr brauche es gesetzliche Normierungen. Zudem ist für sie die Teilhabe von Frauen an der Politik Grundvoraussetzung dafür, dass sich etwas ändert. Viel bewegen könnte man ihrer Meinung auch dadurch, dass die Bundesbeschaffungsagentur Direktvergaben an Maßnahmen zur Frauenförderung in den Betrieben knüpft.
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek berichtete von einem Betriebsbesuch, in dessen Rahmen sie Männer im mittleren Management gefragt habe, wie sehr sie sich an der Hausarbeit beteiligen würden. Die Antworten seien durchwegs unbefriedigend gewesen bzw. eher zögerlich gekommen, schilderte sie. Heinisch-Hosek urgierte eine gerechtere Aufteilung der Pflicht zur Familienarbeit und des Rechts auf Freizeit und äußerte die Hoffnung, in Bezug auf die von ihr eingemahnte Einkommenstransparenz noch heuer gesetzliche Schritte setzen zu können.
Luise Gubitzer vom Institut für institutionelle und heterodoxe Ökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien, wies darauf hin, dass 82,5 % der erwerbstätigen Frauen im Dienstleistungsbereich arbeiteten und davon ein großer Teil personennahe bzw. persönliche Dienstleistungen erbringe. Frauen leisteten dabei wertvolle Arbeit zur Versorgung anderer Menschen, betonte sie, diese stehe aber im krassen Gegensatz zu ihrer Bezahlung und ihrem gesellschaftlichen Stellenwert. Nach wie vor sei beispielsweise jemand, der eine Waschmaschine fertige, bevorzugt, man müsse, so Gubitzer, aus der geltenden "Fertigungslogik" der Ökonomie herauskommen und eine "Dienstleistungsökonomie" entwickeln. Es brauche hier einen Paradigmenwechsel.
Gubitzer forderte weiters ein Konjunkturpaket für den "dritten Sektor". Eine verstärkte Förderung von Non-Profit-Organisationen würde ihr zufolge nicht nur qualifizierte Arbeitsplätze für Frauen sichern, sondern auch ehrenamtliche Arbeit fördern und Menschen in allen anderen Sektoren zugute kommen.
An die Parlamentarierinnen richtete Gubitzer den Appell, dafür zu sorgen, dass die drohenden Sparpakete in Folge des steigenden Budgetdefizits ex ante einem Gender-Budgeting-Prozess unterworfen werden. Gleichzeitig warnte sie davor, den Zugang zu öffentlichen Gütern – etwa den freien Zugang zur Bildung – einzuschränken und öffentliche Güter weiter zu privatisieren.
Für und wider die Quote
Im Rahmen der Podiumsdiskussion wies Abgeordnete Judith Schwentner, Frauensprecherin der Grünen, darauf hin, dass sich in den letzten fünf Jahren bei der Lohnschere zwischen Männern und Frauen nichts geändert habe. Sie führt dies nicht zuletzt darauf zurück, dass dort, wo es um Macht und Budget gehe, nach wie vor Männer sitzen. Schwentner trat unter dem Motto, eine Quote sei zwar nicht elegant, aber sie wirke, für verpflichtende Frauenquoten in verschiedenen Bereichen ein. Ihrer Meinung nach sollte man auch verstärkt über qualifizierte Teilzeitarbeit diskutieren.
SPÖ-Frauensprecherin Gisela Wurm bekräftigte, man brauche in allen Bereichen eine "halbe-halbe-Regelung", sei es im Haushalt, in der Politik oder in Aufsichtsräten. Gleichzeitig zeigte sie sich überzeugt, dass man in der Berufswelt nur mit Quoten und mit Sanktionen weiterkommen werde. Transparenz, Quotierung und Schadenersatzpflicht wären ihr zufolge gangbare Zwangsmaßnahmen. Zur Bewusstseinsstärkung sprach sich Wurm dafür aus, "halbe-halbe" wieder zu "kampagnisieren".
Strikt gegen "Zwangsquoten" wandte sich hingegen Abgeordnete Carmen Gartelgruber, Frauensprecherin der FPÖ. Sie plädierte vielmehr dafür, Frauen verstärkt zu fördern sowie mehr flexible Kinderbetreuungseinrichtungen bereitzustellen. Uneingeschränkt unterstützt wurde von Gartelgruber die Forderung, die Finanzierung von Non-Profit-Organisationen sicherzustellen.
Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) machte geltend, dass die Diskussion über Frauengleichstellung im Universitätsbereich bereits Wirkung zeige. Es gebe hier in Führungspositionen deutlich mehr Frauen als in anderen Bereichen des öffentlichen Sektors, konstatierte sie. Bei der Umstrukturierung der ÖBB könnte man sich ihr zufolge an den Universitäten durchaus ein Vorbild nehmen. Was gesetzliche Maßnahmen wie die von Frauenministerin Heinisch-Hosek geforderte verpflichtende Einkommenstransparenz betrifft, stellte Cortolezis-Schlager fest, im öffentlichen Bereich und in staatsnahen Betrieben könnte man rasch zu einer Einigung kommen. Generell hob die Abgeordnete die Bedeutung von Netzwerken und Role-Models für Frauen hervor und trat für eine frühzeitige Karriereberatung und den Ausbau der gendersensiblen Pädagogik ein.
BZÖ-Frauensprecherin Martina Schenk unterstrich, sie sei keine Befürworterin von Quoten. Ihrer Meinung nach bedeuten Quoten eine Herabwürdigung von qualifizierten Frauen. Es gehe vielmehr darum, Frauen zu motivieren, sagte sie und verwies auf erfolgreiche Versuche des steirischen BZÖ, Frauen zu einer Kandidatur bei den nächsten Gemeinderatswahlen zu bewegen. Was das Schließen der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen betrifft, sieht Schenk vor allem die Gewerkschaften gefordert. Als "nicht falsch" wertete sie den Befund, dass Österreich ein "Macholand" sei, es gelte, das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken.
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung zum Internationalen Frauentag vom Maria Salamon Quartett.
Zum Thema "Frauen im Parlament" bietet das Hohe Haus ab sofort Spezialführungen an. Die Mindestteilnehmerzahl beträgt fünf Personen. Anmeldungen unter 01/40110-2400. (Schluss)
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum : www.parlament.gv.at